Mühlen/Neckar (Baden-Württemberg)

Bildergebnis für Horb baden-württemberg karteMühlen ist heute ein Stadtteil von Horb im Landkreis Freudenstadt (Kartenskizze 'Landkreis Freudenstadt', F. Paul 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts siedelten sich einige jüdische Familien aus anderen schwäbischen Orten in Mühlen an; die Erlaubnis hatte ihnen 1800 der Freiherr von Münch erteilt. Als Unterkunft diente ihnen zunächst das alte Schloss. Als das Gebäude 1807 abbrannte, waren die 13 jüdischen Familien vorübergehend obdachlos. Die Familien waren arm; die Männer waren meist als Hausierer, Metzger, Seifensieder oder kleine Viehhändler unterwegs.

Bis 1807 war im Schloss auch ein Betsaal, für den die jüdischen Familien jährlich 20 Gulden an die Ortsherrschaft zu zahlen hatten. Durch den Brand wurde auch der Betsaal samt den Thorarollen zerstört. Alsbald baten die Vorsteher der israelitischen Gemeinde um die Erlaubnis, eine neue Synagoge zu erbauen; zu diesem Zweck hatten sie bereits ein Grundstück erworben. Die Hälfte der Baukosten sollte mit dem Verkauf der Plätze in der künftigen Synagoge finanziert werden, die andere Hälfte musste die Gemeinde bei der Gutsherrschaft als Kredit aufnehmen. Seit 1811 verfügte die kleine Gemeinde über ihre eigene Synagoge mit ca. 150 Plätzen; der von ihr angestellte Vorsänger übte zugleich auch die Ämter des Schächters und Religionslehrers aus. Mehr als 100 Jahre lang diente die kleine Synagoge in der Rottenburger Straße den Mühlener Juden als Versammlungsort und Gotteshaus.

      Bauzeichnung der Synagoge in Mühlen (um 1810) aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei

Eine jüdische Konfessionsschule existierte in Mühlen seit den 1830er Jahren, allerdings nur für ca. drei Jahrzehnte; nach 1867 war sie nur noch Religionsschule. Zur Besorgung religiöser Aufgaben hatte die Gemeinde einen Lehrer angestellt; neben Unterweisung der jüdischen Kinder übte er auch den Vorbeter- und Schächtdienst aus.

Die Juden Mühlens gehörten seit Anfang der 1830er Jahre zunächst als Filialgemeinde der jüdischen Gemeinde Nordstetten an. 1849 bildete sich hier dann eine autonome Kultusgemeinde; diese gehörte zum Bezirksrabbinat Mühringen, das 1914 nach Horb verlegt wurde.

Verstorbene wurden zunächst in Mühringen beerdigt, ehe um 1800 in Mühlen ein eigenes Begräbnisgelände oberhalb des Dorfes (am Egelstaler Weg) angelegt wurden. Um 1850 ging das Areal , das den Mühlener Juden von der Grundherrschaft, den Freiherren von Münch, gegen Zahlung sog. „Sterbefallgebühren“ zur Verfügung gestellt worden war, in gemeindlichen Besitz über; 20 Jahre später wurde die Friedhofsfläche erheblich vergrößert.

Mühlener Friedhofsgelände (Aufn. R. Klotz, um 1970) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2054/Muehlen%20Friedhof%20240.jpg

Juden in Mühlen:

          --- 1807 ..........................  65 Juden (in 13 Familien),

     --- 1821 .......................... 116   “  ,

     --- 1846 .......................... 142   “  ,

     --- 1858 .......................... 129   “  ,

     --- um 1875 .......................  28 Familien,

     --- 1886 ..........................  41 Juden,

     --- 1900 ..........................  31   “  ,

     --- 1910 ..........................  16   “  ,

     --- 1925 ..........................  10   “  ,

     --- 1933 ..........................   4   “  .

Angaben aus: Michael Silberstein, Historisch-topographische Beschreibung des Rabbinatsbezirks Mühringen

und                 Angaben der Ortsgemeinde (Statistik ’Juden im Oberamt Horb’)

 

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts setzte durch Abwanderung und Überalterung der Niedergang der jüdischen Gemeinde Mühlen ein. 1921 war die Zahl der jüdischen Bewohner so klein geworden, dass die Gemeinde bei der Israelitischen Oberkirchenbehörde den Antrag auf Selbstauflösung und Eingliederung in die Horber Gemeinde stellte; dem wurde stattgegeben. 1922 wurde das Synagogengebäude in der Rottenburger Straße 5 verkauft und ein Jahr später zu einem Wohnhaus umgebaut.

 

Auf dem in Hanglage liegenden jüdischen Friedhof von Mühlen sind heute noch ca. 150 Grabsteine vorhanden; der älteste stammt aus dem ersten Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts.

Jüdischer Friedhof am Egelstaler Weg (Aufn. Edgar Olijar, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  J. Hahn, 2003)

 

[vgl. Dettensee, Horb, Mühringen, Nordstetten und Rexingen (Baden-Würtemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Michael Silberstein, Historisch-topographische Beschreibung des Rabbinatsbezirks, Mühringen vom 22.Dez. 1875

Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 128/129

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 183 ff.

Situtunga Michal Antmann (Bearb.), Der jüdische Friedhof Horb-Mühlen, Unveröffentlichte Grunddokumentation des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, 1996

Manfred Steck, Die alten Häuser von Mühlen, in: Mühlener Schriften in 6 Folgen, hier Band III/Heft 2 (Synagoge), Horb 2002, S. 91 - 94 

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 211 – 213

Mühlen, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Gedenkstätte ehemalige Synagoge Rexingen, online unter: ehemalige-synagoge-rexingen.de (Anm. Unterseite bezieht sich auf die Darstellung der jüdischen Geschichte Mühlens)

Barbara Staudacher/Karlheinz Fuchs, Häuser der Ewigkeit. Jüdische Friedhöfe im südlichen Württemberg, 2014