Mülheim/Rhein (Nordrhein-Westfalen)

Lage des Stadtteils Mülheim im Stadtbezirk Köln-Mülheim Mülheim ist seit 1914 ein Stadtteil von Köln (Kartenskizze TUBS 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.0), der derzeit ca. 43.000 Einwohner zählt.

Mülheim um 1630 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Eine kleine jüdische Gemeinde in Mülheim bestand schon vor der Vertreibung der Juden aus Köln 1423/1424; einige Kölner Familien siedelten sich nun in Mühlheim an, der größere Teil ließ sich aber unter dem Schutz des Erzbischofs Dietrich von Moers in Deutz nieder. Hintergrund der Vertreibung der Juden aus Köln waren Auseinandersetzungen zwischen dem Rat der Stadt Köln und dem Erzbischof; bei dem Konflikt ging es vorrangig um die politische Macht, aber auch um die finanziellen Leistungen der Kölner Juden. Erst 1794 durften sich wieder jüdische Familien in der Domstadt ansiedeln.

[vgl. Deutz (Nordrhein-Westfalen)]     

Mülheim am Rhein, Postkarte um 1910                                           

Die Mülheimer Gemeinde blieb bis ins 19.Jahrhundert stets klein; erst als die Synagogengemeinde ab den 1860er Jahren auch Orte wie Bensberg, Bergisch-Gladbach, Merheim, Odenthal und Overath einschloss, erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen ca. 200 Personen.

Ein altes Synagogengebäude fiel 1784 einer Hochwasserkatastrophe zum Opfer, als der Eisgang des Rheins auch zahlreiche Menschenleben forderte. Schon vier Jahre später konnte die Gemeinde ein neues Gotteshaus an der Mülheimer Freiheit einweihen. Aus einer Beschreibung aus dem Jahre 1929: „... Hinter diesem Hause in der Freiheitsstraße liegt die kleine, von außen einen unscheinbaren Eindruck machende Synagoge. Das Giebeldach läßt kaum auf die innere hohe Kuppel schließen, die mit dem Blau ihrer Farbe und ihren goldenen Sternen schlicht, aber auch feierlich wirkt. Noch immer wird das Geschenk der Amsterdamer Gemeinde aus dem Jahre 1784, die Thorarolle, am 7.Pessachtage benutzt. - An der Außenseite der Synagoge ist ein Stein eingemauert, dessen Inschrift vermuten läßt, daß hier früher eine ‘Chuppoh’ gestanden haben mag ...”  aus: Cilly Marx, Köln-Mülheim endlich eingemeindet, in: Kölner Jüdisch-liberale Zeitung vom 26.4.1929 (Beilage)

              Siegel der Gemeinde

Eine eigene jüdische Schule existierte in Mülheim bis 1871; danach besuchten die Kinder die öffentlichen Schulen; im Gemeindehaus, das der Synagoge vorgelagert war, wurde der Religions- und Hebräischunterricht erteilt.

Um 1775 wurde ein Friedhof am Springborn angelegt.

Die Eingemeindung der Mülheimer Gemeinde in die Kölner Synagogengemeinde erfolgte 1929; gewisse Schwierigkeiten gab es dahingehend, die überwiegend konservativ-orthodoxe Judenschaft Mülheims in die liberalere Kölner Gemeinde einzufügen.

Juden in Mülheim (Rhein):

        --- um 1785 ..........................   10 jüdische Familien,

--- 1811 .............................   56 Juden,

    --- um 1840 ...................... ca.  100   “  (ca. 2,5% d. Bevölk.),

    --- um 1880 ...................... ca.  170   “  ,*

    --- 1900 .............................  251   “  ,*

    --- 1910 .............................  229   “  ,*

    --- um 1930 ...................... ca.  200 Juden.*      *gesamte Gemeinde (andere Angabe: ca. 300 Pers.)

Angaben aus: Johann Bendel, Die Stadt Mülheim am Rhein. Geschichte und Beschreibung, ..., S. 348

 

Die Familie Cahen war eine der jüdischen Familien, die sich bereits in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts in Mülheim niedergelassen hatte und hier – über Generationen hinweg – einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufstieg verzeichnete.

            

                                     Briefkopf der A. Cahen-Leudesdorff & Co. Rheinische Maschinenleder und- Riemenfabrik in Mülheim am Rhein

        zwei Geschäftsanzeigen

Während der „Kristallnacht“ wurden die Mülheimer Synagoge und das Gemeindehaus nicht völlig zerstört; erst Luftangriffe während des Krieges führten dazu. Mitte der 1950er Jahre wurden die Ruinen abgetragen.

Im Mai 1941 mussten alle Mülheimer Juden ihre Wohnsitze verlassen und wurden in Häusern der Kölner Innenstadt „ghettoisiert“; einige mussten in die Kasematten des ehemaligen Forts in Müngersdorf einziehen. Vom Bahnhof Deutz-Tief aus erfolgten die großen Deportationen der Kölner Region, insgesamt vermutlich 15 Transporte; zuvor mussten sich die Betroffenen auf dem Messegelände in Köln sammeln. Der erste Transport mit mehr als 1.000 Kölner Juden verließ Deutz am 21.Oktober 1941 in Richtung Lodz; der letzte Deportationszug aus Köln führte am 1.Oktober 1944 nach Theresienstadt.

[vgl. Köln (Nordrhein-Westfalen)]

 

Eine Gedenktafel am Eingang des Hauses Mülheimer Freiheit 78 erinnert an die Synagoge.

Gedenktafel (Abb. aus: Geschichtswerkstatt-muelheim.de) 

            Synagogenmodell (Aufn. aus: geschichtswerkstatt-muelheim.de)

Auf dem ca. 1.700 m² großen Friedhofsgelände der ehemaligen "Special-Synagogen-Gemeinde Mülheim am Rhein" in einer Seitenstraße des Neurather Rings befinden sich heute noch ca. 160 Grabsteine.

jüdischer Friedhof Köln-Mülheim (Aufn. aus: geocaching.com/)

Ein Gedenkstein, dessen Aufstellung von den beiden christlichen Gemeinden initiiert wurde, trägt die folgende Inschrift:

Erinnerung zur Tat.

Zum Gedenken an die verfolgten jüdischen Bürger Mülheims 1933 - 1945

Christen in Mülheim 1985

Jüdisches Grabmal Gedenkstein (Aufn. aus: geschichtswerkstatt-muelheim.de)

Zum 100. Todestag des in Mülheim tätigen jüdischen Historikers Carl Brisch wurde eine Straße vor dem Genoveva-Gymnasium nach ihm benannt. 

Mehr als 30 sog. „Stolpersteine“ erinnern heute an die jüdischen NS-Opfer aus Köln-Mülheim (Stand 2022).

 

verlegt in der Formesstraße und Berliner Straße (Aufn. T., 2015  und  Marcus, 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Stolperstein für Friedrich David (Dünnwalder Straße 25)Stolperstein für Josef David (Dünnwalder Straße 25)Stolperstein für Gertrud David (Dünnwalder Straße 25)  Stolpersteine Köln Keupstraße 48

... und in der Dünnwalder Straße und der Keupstraße (Aufn. T., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

Zur einstigen Synagogengemeinde des Kreises Mülheim zählten auch die jüdischen Familien aus Zündorf, die eine ‚Spezialgemeinde’ bildeten. In den 1920er Jahren lebten in Zündorf ca. 75 Bewohner mosaischen Glaubens.

[vgl. Zündorf (Nordrhein-Westfalen)]

 

 

 

In Bergisch-Gladbach - ca. zehn Kilometer östlich von Köln-Mülheim gelegen - erinnern mehrere sog. "Stolpersteine" an ehemalige jüdische Einwohner, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind.

Stolperstein Bergisch Gladbach Bensberger Straße 188a Erna Kahn Stolperstein Bergisch Gladbach Bensberger Straße 188a Ernst DanzigStolperstein Bergisch Gladbach Ahornweg 9 Henriette Zimmermann Stolperstein Bergisch Gladbach Hüttenstraße 40 Harry Freymuth

verlegt in der Bensberger Str., im Ahornweg und Hüttenstraße (Aufn. T., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Im Park der Villa Zanders erinnert ein Mahnmal - ein steinerner rechteckiger Kubus - an die Opfer des Nationalsozialismus.

      Mahnmal (Aufn. Stadt Gladbach)

 

 

 

Weitere Informationen:

Carl Brisch, Geschichte der Juden in Köln und Umgebung aus ältester Zeit bis auf die Gegenwart, Band 1/2, Mülheim a.Rh. 1879

Johann Bendel, Die Stadt Mülheim am Rhein. Geschichte und Beschreibung, Sagen und Erzählungen, Mülheim am Rhein 1913, S. 347/348

Georg Hoffmann, Die Juden im Erzstift Köln im 18.Jahrhundert, Dissertation München 1928

Cilly Marx, Köln-Mülheim endlich eingemeindet, in: "Kölner Jüdisch-liberale Zeitung" vom 26.4.1929 (Beilage)

Alwin Müller, Die Geschichte der Juden in Köln zu Beginn des 19.Jahrhunderts, in: "Geschichte in Köln", No.5/1979, S. 16 f.

Paul Gerhard Aring, Juden in Mülheim am Rhein, unveröffentlichtes Manuskript, 1980

Die verschwundene Synagoge von Köln-Mülheim – Broschüre, hrg. vom Arbeitskreis der kath. Gemeinde Liebfrauenkirche u. der Evang. Gemeinde Mülheim am Rhein, 1982

Alwin Müller, Die Geschichte der Juden in Köln von der Wiederzulassung 1789 bis um 1850. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte einer Minderheit, in: "Kölner Schriften zur Geschichte und Kultur", Band 6, Köln 1984, S. 87 ff.

Falk Wiesemann (Hrg.), Zur Geschichte und Kultur der Juden im Rheinland, Schwann-Verlag, Düsseldorf 1985

Josef Wißkirchen, Reichspogromnacht am Rhein und Erft - 9./10.November 1938. Eine Dokumentation, in: "Pulheimer Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde", Pulheim 1988

Jüdisches Schicksal in Köln 1918 - 1945, Katalog zur Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln

Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 1995, S. 899

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 259/260

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 306/307

Geschichtswerkstatt Mülheim (Hrg.), Jüdisches Leben und Verfolgung in Köln-Mülheim (Broschüre), Köln 2009 (auch online abrufbar)

Anna Jacobi/Udo Gottschalk (Red.), Jüdischer Friedhof Mülheim – Lost Places: die letzte Beerdigung vor 73 Jahren, in: „Express“ vom 18.5.2015

Geschichtswerkstatt Mülheim (Hrg.), Stolpersteine in Köln-Mülheim und anderswo (online abrufbar unter: geschichtswerkstatt-muelheim.de)

Auflistung der in Köln-Mülheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Kölner_Stadtteil_Mülheim

Auflistung der in Bergisch Gladbach verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bergisch_Gladbach

Clemens Odenthal (Red.), Schüler des DBG folgen Spuren der Juden, in: "Bürgerportal Bergisch Gladbach" vom 13.11.2018

Dietrich Grütjen/Hartmut Schloemann (Bearb.), Dokumentation des jüdischen Friedhofs Mülheim, 2020 (wird ergänzt durch ein Video, das die Grabsteine zeigt)

Geschichtswerkstatt Mülheim (Bearb.), Die jüdische Gemeinde Köln-Mülheim und ihr Friedhof – Broschüre, Köln-Mülheim 2021