Nakel/Netze (Posen)
Nakel - etwa 30 Kilometer westlich von Bromberg gelegen - erhielt um 1300 deutsche Stadtrechte; das heutige poln. Naklo nad Notecia ist eine Stadt in der Woiwodschaft Poznan mit derzeit ca. 32.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Naklo nad Notecia rot markiert, M. 2009, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).
Bereits gegen Ende des 15.Jahrhunderts lebten jüdische Familien in Nakel. Die Juden wurden nach einem großen Stadtbrand 1515 aus ihrem bisher bewohnten Stadtviertel verwiesen und mussten sich in anderen Straßen niederlassen. Auf einem nahen Hügel erbaute die Judenschaft ihre neue Synagoge aus Holz; daneben entstanden eine Mikwe und ein Schlachthaus.
Während des Schwedischen Krieges (1665/1670) und weiterer Kriegswirren verloren die jüdischen Familien mehrmals ihr Hab und Gut; eine Folge war, dass die obdachlos gewordenen Juden den Ort verließen. Im 17./18.Jahrhundert bestand die jüdische Gemeinschaft in Nakel nur aus relativ wenigen Familien. Eine Zeitlang gehörten die in Nakel lebenden Juden zur Posener Gemeinde. Seit der Regierungszeit Friedrich d. Gr. wuchs dann die Zahl der in Nakel ansässigen Juden, die von nun ab eine funktionsfähige Gemeinde schufen. Eine 1826 errichtete Synagoge wurde 1852 Opfer eines Brandes; doch bereits ein Jahr später hatte man diese durch einen neuen Fachwerkbau ersetzt.
Fachwerk-Synagoge in Nakel (hist. Aufn.)
Eine jüdische Elementarschule bestand am Ort ab 1844; zunächst wurde sie zwei-, später dreiklassig geführt; Ende der 1860er Jahre sollen diese bis zu 220 Schüler besucht haben. In den Jahrzehnten vor Einrichtung der jüdischen Schule besuchten die Kinder die evangelische Grundschule; hierfür musste die Gemeinde eine jährliche Schulgeldzahlung entrichten.
Der weit außerhalb gelegene jüdische Friedhof in Nakel soll aus dem ausgehenden 18.Jahrhundert stammen. Der älteste noch vorhandene Grabstein datiert von 1808.
Juden in Nakel:
--- 1674 .......................... 4 jüdische Familien,
--- um 1765 ....................... 56 Juden,
--- 1773 .......................... 77 “ ,
--- 1808 .......................... 235 “ (ca. 18% d. Bevölk.),
--- 1816 .......................... 289 " ,
--- 1835 .......................... 735 “ ,
--- 1842 .......................... 930 “ ,
--- 1856 .......................... 1.056 “ ,
--- 1871 .......................... 982 “ ,
--- 1885 .......................... 705 “ (ca. 11% d. Bevölk.)
--- 1890 .......................... 910 “ ,
--- 1899 .......................... 500 “ ,
--- 1905 .......................... 432 “ ,
--- 1909 .......................... 336 “ ,
--- 1920 .......................... 162 “ ,
--- 1923 .......................... 21 “ ,
--- 1939 ...................... ca. 70 “ (?).
Angaben aus: Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und ..., S. 640
Ihren zahlenmäßigen Zenit mit mehr als 1.000 Angehörigen erreichte die jüdische Gemeinde gegen Mitte des 19.Jahrhunderts. Haupterwerbszweig der Juden Nakels war der Handel; doch gab es hier auch zahlreiche Handwerker, vor allem Schneider und Kürschner.
Markt in Nakel (hist. Aufn., um 1900)
Ab den 1880er Jahren nahm die Zahl ihrer Angehörigen auf Grund von Abwanderung ins Innere Deutschlands und Emigration nach Übersee stark ab. Nach Ende des Ersten Weltkrieges setzte eine Massenemigration der noch in Nakel verbliebenen Juden nach Deutschland ein; die Gemeinde war am Rande der Auflösung; die noch in der Stadt lebenden Juden schlossen sich nun der Gemeinde Schubin an.
Anfang der 1930er Jahre machte sich in Nakel eine antijüdische Stimmung bemerkbar, die zu wirtschaftlichen Nachteilen jüdischer Geschäftsleute führte.
Kurz nach Kriegsbeginn wurden jüdische Bewohner inhaftiert; einige kamen unter mysteriösen Umständen ums Leben. Das Synagogengebäude wurde niedergebrannt. In den Kriegsjahren wurde auch der jüdische Friedhof verwüstet; das Gelände ist heute eine Grünanlage.
Im Dorfe Wirsitz (poln. Wyrzysk, derzeit ca. 5.000 Einw.) – wenige Kilometer westlich von Nakel – ließen sich gegen Mitte des 18.Jahrhunderts einige jüdische Familien nieder; zu Beginn des 19.Jahrhunderts bildete sich eine kleine Gemeinde heraus, die etwa ein Jahrhundert bestand. In den 1860er Jahren wurde in Wirsitz eine Synagoge gebaut; ein eigener Friedhof war bereits seit dem frühen 19.Jahrhundert vorhanden. Mit ca. 150 Personen jüdischen Glaubens stellte um 1885 die Gemeinde etwa 10% der Ortsbevölkerung; 1921 lebten hier nur noch 15 Juden. Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde wurde das Synagogengebäude im Jahre 1920 veräußert und zu einem Geschäftshaus umfunktioniert.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde der jüdische Friedhof zerstört; heute erinnert kein einziger Grabstein mehr an die kleine Begräbnisstätte.
In Mrotschen (poln. Mrocza) – nördlich von Nakel gelegen - ließen sich jüdische Familien in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts nieder; sie bildeten seit den 1830er Jahren eine Gemeinde. Am Ortsrand wurde ein Friedhof angelegt.
Juden in Mrotschen:
--- 1772 ........................ 82 Juden,
--- 1808 ........................ 132 “ (ca. 20% d. Bevölk.),
--- 1849 ........................ 221 “ ,
--- 1871 ........................ 213 “ (ca. 13% d. Bevölk.),
--- 1885 ........................ 165 “ (ca. 10% d. Bevölk.)
--- 1895 ........................ 181 “ ,
--- 1903 ........................ 185 “ ,
--- 1910 ........................ 137 “ ,
--- 1920 ........................ 95 “ ,
--- 1922 ........................ 16 “ .
Angaben aus: Mrocza, aus: sztetl.org.pl
Die meisten jüdischen Bewohner verließen in den Jahren nach Ende des Ersten Weltkrieges die Kleinstadt in Richtung Deutschland. Zuzüge jüdischer Familien aus dem östlichen Polen vergrößerten zwischenzeitlich die Gemeinde. Die wenigen noch im Ort verbliebenen Familien schlossen sich Anfang der 1930er Jahre der israelitischen Gemeinde von Schubin an. Das Synagogengebäude war bereits 1923 verkauft worden. 1941 wurden die wenigen noch hier lebenden Juden ins „Generalgouvernement“ deportiert.
Das zu einem Wohnhaus umgebaute ehemalige Synagogengebäude ist bis heute erhalten. Vom jüdischen Friedhof sind allerdings keine Relikte mehr vorhanden.
vgl. Mrotschen (Posen)
Weitere Informationen:
A.Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden in den Posener Landen, Koschmin - Bromberg 1909, S. 639 – 644
R. Heidrich, Die Stadt Nakel und ihre Geschichte, Nakel 1910
Naklo nad Notecia, in: sztetl.org.pl
Mrocza, aus: sztetl.org.pl