Nalbach (Saarland)
Nalbach ist heute eine aus vier Ortsteilen bestehende Kommune mit derzeit ca. 9.500 Einwohnern im Landkreis Saarlouis - knapp 30 Kilometer nordwestlich von Saarbrücken gelegen (Kartenskizzen 'Saarland', TUBS 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und 'Landkreis Saarlouis', aus: ortsdienst.de/saarland/saarlouis).
Vermutlich lebten bereits gegen Ende des 16./Anfang des 17.Jahrhunderts im Nalbacher Tal jüdische Familien; sie unterstanden der Schutzherrschaft der Familie von Hagen. Bis Mitte des 19.Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde Diefflen die größte des Tales; Grund dafür war die Nähe zur Dillinger Hütte, deren Beschäftigte den kleinen jüdischen Krämern, Viehhändlern und Metzgern gewisse wirtschaftliche Möglichkeiten boten.
Obwohl sich die Zahl der Dieffler Juden um 1850 reduziert hatte, hielten die jüdischen Familien Nalbachs und Dillingen an der althergebrachten Sitte fest, ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte in der „Schule“ in Diefflen abzuhalten. Mit der Errichtung eines eigenen Synagogengebäudes in Nalbach 1854 nutzten die hiesigen Juden gemeinsam mit denen aus Dillingen - ein Gotteshaus, das fortan Zentrum der Synagogengemeinde Nalbach-Diefflen war. Das neue Synagogengebäude befand sich in der Mittelstraße, nahe der katholischen Kirche.
Anm.: Da die wenig begüterten jüdischen Familien Diefflens und Nalbachs nicht in der Lage waren, die Baukosten für eine Synagoge aufzubringen, erhielten sie finanzielle Unterstützung (zinsloses Darlehen) von jüdischen Familien aus Saarwellingen. Die „Allgemeine Zeitung des Judentums“ hatte in einem Artikel vom 18. November 1854 dazu vermeldet:
"Eine arme, aus zwölf Mitgliedern bestehende Gemeinde, Nalbach, eine Stunde von Saarlouis, hatte für die Synagoge ein baufälliges Gebäude, aber keinen Fond, um es zu renoviren; da gingen Leute aus der benachbarten Gemeinde Saarwellingen hin und schossen den Armen, der Vorsteher L. Lazar an der Spitze, die noch nöthigen Gelder auf fünf Jahre ohne Zins vor, und nun wurde die Einweihung ... wirklich erhebend vorgenommen; in dieser kleinen Gemeinde, wo noch nie eine Synagoge war, versammelte sich die ganze Gegend, sie bekamen bei 100 Thaler geopfert, unter allgemeiner Theilnahme der christlichen Bevölkerung, Beamten und Geistlichkeit."
Synagoge Nalbach, Aufn. um 1940 (Gemeindearchiv, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
1891 zerstörte ein Brand das inzwischen baufällig gewordene Gebäude; es konnte aber bald wieder in Nutzung genommen werden. Ein Spendenaufruf für die Wiederinstandsetzung des Gebäudes erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1891:
(Vermutlich) 1892 konnte das renovierte (neue) Gebäude eingeweiht werden.
Unterricht in Religion und in Hebräisch erhielten die Kinder in der jüdischen Schule in Saarwellingen.
Der am Rande des Dillinger Waldes gelegene jüdische Friedhof - angelegt um 1755 - diente auch den verstorbenen Juden aus Nalbach als letzte Ruhestätte. Mit seinen ca. 400 noch vorhandenen Grabsteinen ist es heute das größte (historische) jüdische Beerdigungsareal des Saarlandes.
Jüdischer Friedhof Diefflen (Aufn. L., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Trier.
Juden in Nalbach:
--- um 1770 .............. 12 jüdische Familien,* * Nalbach und Diefflen
--- 1808 ................. 48 Juden,*
--- 1843 ................. 68 “ ,*
--- 1848 ................. 27 “ ,
--- 1895 ................. 90 “ ,** ** Nalbach, Diefflen und Dillingen
--- 1933 ................. 24 “ ,
................. 10 " ,*** *** Diefflen
--- 1937 (Febr.) ......... 18 “ .*
Angaben aus: Katharina Best, Die Geschichte der ehemaligen Synagogen-Gemeinden Dillingen und Nalbach
Haupterwerbszweig der Nalbacher Juden war lange Zeit der Viehhandel.
In den 1920er Jahren waren die wenigen Juden Nalbachs nicht mehr in der Lage, ihr Synagogengebäude baulich zu erhalten; auch eine Spende der Ortsbewohner konnte es vor dem Verfall nicht mehr retten. Obwohl das Synagogengebäude bereits 1935 an Privatleute veräußert worden war, sollen hier bis 1938/1939 noch gottesdienstliche Zusammenkünfte stattgefunden haben. Während des Novemberpogroms von 1938 wurden die Juden Nalbachs aus ihren Häusern geprügelt und in der alten Schule beim Nalbacher Rathaus inhaftiert. An den Misshandlungen und den Plünderungen der jüdischen Anwesen sollen sich neben SA-Angehörigen auch „ganz normale“ Bürger beteiligt haben. Das Synagogengebäude blieb zwar äußerlich erhalten, doch wurde die Inneneinrichtung mitsamt den Kultgeräten demoliert. Gegen Kriegsende war das Gebäude durch Bomben beschädigt worden; bis zu seinem Abriss 1950/1951 wurde es als Lagerraum genutzt.
Die letzten Nalbacher Juden - die meisten waren inzwischen in die Nachbarländer emigriert - wurden im Herbst 1940 über Fohrbach/Lothringen in das Internierungslager Gurs deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 27 aus Nalbach stammende Juden Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/nalbach_synagoge.htm).
[vgl. Dillingen (Saarland)]
In der Nähe des einstigen Standorts der Nalbacher Synagoge befindet sich seit 1993 eine Gedenktafel; sie trägt die Inschrift:
Zum Gedenken an die ehemalige jüdische Synagoge
als Mahnmal für mehr Menschlichkeit und Toleranz
Gemeinde Nalbach
Im Jahre 2017 wurden insgesamt zehn "Stolpersteine" verlegt, die vor den letzten Wohnsitzen jüdischer NS-Opfer ihren Platz fanden.
Wenige Kilometer nordöstlich Nalbachs gab es seit dem 19.Jahrhundert eine sehr kleine jüdische Gemeinde, deren Angehörige sich aus Familien aus Bettingen, Buprich, Hüttersdorf und Lebach zusammensetzte. Erstmalig nachgewiesen sind jüdische Familien hier in den 1720er Jahren. Die maximal aus ca. 65 Angehörigen bestehende israelitische Gemeinschaft verfügte seit 1855 über eine Synagoge (Betstube), die in der Lindenstraße in Hüttersdorf (heute Ortsteil von Schmelz) stand. Zeitweise war ein Lehrer angestellt, die die religiösen gemeindlichen Aufgaben besorgte; vor 1855 war der Unterricht vom Lehrer aus Rehlingen erteilt worden.
aus: "Der Israelit" vom 27.Okt. 1893 und 28.Sept. 1899
Begräbnisstätte war der jüdische Friedhof in Diefflen.
Juden in Hüttersdorf, Bettingen, Buprich, Lebach:
--- um 1735 ........................ 3 jüdische Familien,* * Herrschaft Hütterdorf
--- 1808 ........................... 22 Juden,** ** Buprich + Hütterdorf
--- 1847 ........................... 35 “ ,*** *** Buprich, Bettingen, Hüttersdorf
--- 1895 ........................... 57 “ ,***
--- um 1925 ........................ 65 “ ,**** **** Buprich, Bettingen, Hütterdorf und Lebach
--- 1932 ........................... 24 “ , nur Bettingen
--- 1935 ........................... 35 “ .****
Angaben aus: Synagoge Hütterdorf, in: wikipedia.org/wiki/Synagoge_ (Hütterdorf)
Mitte der 1920er Jahren zählten zur Gemeinde Hüttersdorf-Buprich zehn Familien mit ca. 30 Angehörigen; in Bettingen lebten damals in etwa die gleiche Anzahl. - Nach der Eingliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich 1935 verließen die meisten jüdischen Bewohner die Region, die Synagoge wurde aufgegeben. Die Wohnungen der wenigen, die hier verblieben waren, wurden während der „Kristallnacht“ im November 1938 demoliert. Das Synagogengebäude wurde zwei Jahre später verwüstet bzw. zerstört. Mitte der 1950er Jahre wurde die Ruine abgerissen.
Die letzten jüdischen Bewohner wurden im Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vaschem/Jerusalem wurden Opfer des Holocaust: zwölf aus Hütterdorf u. Buprich, acht aus Bettingen und zwei aus Lebach stammende bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene Juden.
Seit November 2008 erinnert eine Gedenktafel am Kulturhaus von Hüttersdorf an die einst hier bis 1935 beheimatete jüdische Gemeinde; deren Inschrift lautet: "Im Gedenken an die jüdische Synagogengemeinde Hüttersdorf 1855 - 1935. An dieser Stelle stand ihre Synagoge."
2012 wurden zur Erinnerung an mehrere ermordete jüdische Bewohner aus Bettingen und Hüttersdorf sog. „Stolpersteine“ verlegt, ein Jahr später dann auch in Lenau
verlegt in Hüttersdorf (Aufn. L., 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
und in Bettingen (Aufn. S., 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Weitere Informationen:
Katharina Best, Die Geschichte der ehemaligen Synagogen-Gemeinden Dillingen und Nalbach, in: "Unsere Heimat - Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis für Kultur und Landschaft", 13.Jg., Heft 3/4 (1988), S. 95 - 114
Hermann Volk (Bearb.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Band 4 (Saarland), Köln 1989, S. 123
Georg Colesie, Geschichte des Nalbacher Tales, 2.Aufl., o.O. 1990, S. 191 - 194 und S. 205 - 208
H.Jochum/J.P.Lüth (Hrg.), Jüdische Friedhöfe im Saarland. Informationen zu Orten jüdischer Kultur. Ausstellungsführer, Saarbrücken 1992, S. 10
Eva Tigmann, Was geschah am 9.November 1938 ? - Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung im Saarland im November 1938, hrg. vom Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel, St. Wendel 1998
Katharina Best, 1938 - 1998: 60 Jahre nach der Reichspogromnacht in Dillingen und Nalbach. Eine Spurensuche, in: "Unsere Heimat - Mitteilungsblatt des Kreises Saarlouis für Kultur und Landschaft", 24/1999, S. 180 f.
Thomas Rückher, Josef Hanau – eine Lebensskizze des Kantors der Hüttendorfer Synagoge und seiner Familie, in: "Schmelzer Heimathefte", 12/2000, S. 97 - 108
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 134
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 445/446 und S. 448/449
Nalbach mit Diefflen, in: alemannia-judaica.de
Hüttersdorf mit Bettingen und Bubrich, in: alemannia-judaica.de
Elmar Schmitt, Jüdisches Leben in der Gemeinde Schmelz. Vortrag anlässlich des 70.Jahrestages der Pogromnacht im Kulturhaus Schmelz, Nov. 2008
Monika Kühn (Red.), Stolpersteine erinnern an die Schrecken des Nationalsozialismus, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 3.3.2012 (betr. Kommune Schmelz)
Dieter Lorig (Red.), Stolpersteine sollen die Erinnerung an Nalbacher Juden bewahren, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 5.3.2015
Dieter Lorig (Red.), Stolpersteine sollen die Erinnerung an Nalbacher Juden bewahren, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 5.3.2015
Hans Peter Klauck, Jüdisches Leben in der Stadt und im Landkreis Saarlouis 1680–1940, in: "Veröffentlichungen der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis", Band 20, Saarlouis 2016