Naugard (Hinterpommern)

Woiwodschaft Westpommern – WikipediaNaugard - ca. 60 Kilometer nordöstlich von Stettin/Szczecin - ist das heutige polnische Nowogard in der Woiwodschaft Westpommern mit derzeit ca. 16.500 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Westpommern rot markiert, Abb. TUBS 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erstmals wird ein mit einem Schutzbrief ausgestatteter Jude in Naugard im Jahre 1692 urkundlich erwähnt.

Die gegen Mitte des 18.Jahrhunderts in Naugard lebenden jüdischen Familien – es waren nur wenige - bestritten ihren Lebensunterhalt vornehmlich vom Handel mit Landesprodukten; sie lebten zumeist in recht ärmlichen Verhältnissen.

In den 1860er Jahren wurde ein aus roten Backsteinen gefertigtes Synagogengebäude an der Ecke Schuh-/Töpferstraße errichtet; die Initiative zum Bau des Gotteshauses ging von Aron Ascher aus, der damals als Gemeindeältester fungierte und in der Stadt durch seine wirtschaftliche Tätigkeit großen Einfluss besaß.

                    Synagoge in Naugard (hist. Aufn., aus: novogard.pl)

Ihre Verstorbenen begrub die Naugarder Judenschaft zunächst in Plathe im Kreis Regenwalde; ab 1817* stand ihr dann ein eigenes Beerdigungsgelände am Gallberg zur Verfügung (*andere Angabe: 1848/50).

Der Naugarder Kultusgemeinde waren als Filialgemeinden die Juden der benachbarten Orte Daber und Massow angeschlossen.

Juden in Naugard:

    --- um 1750 .......................  54 Juden,

    --- 1782 ..........................  24   "  ,

    --- 1812 ..........................   6 jüdische Familien (mit ca. 30 Pers.),

    --- um 1850 ................... ca.  70 Juden,

    --- 1865 .......................... 103   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1871 .......................... 147   “  ,

    --- 1880 .......................... 129   “  ,

    --- 1890 .......................... 107   "  ,

    --- 1900 ...................... ca. 100   “  ,

    --- 1913 ...................... ca. 100   “  ,

    --- 1925 ..........................  52   “  ,

    --- 1932 ..........................  26   “  ,

--- 1939 (Mai) ....................   8   “  .

Angaben aus: M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...”, S. 55/56

 

Markt mit Rathaus in Naugard, um 1920 (Abb. aus: abebooks.com)

Ende des 19.Jahrhunderts begann die jüdische Gemeinde infolge Abwanderung zu schrumpfen; Anfang der 1930er Jahre befand sich die Gemeinde in Auflösung.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde das Synagogengebäude Naugards in Brand gesetzt und zerstört; auf dem jüdischen Friedhof wurden Grabmale beschädigt. Ebenfalls wurden Fenster jüdischer Wohnungen eingeworfen. Drei Familien, die nicht mehr emigrieren konnten, wurden später deportiert; ihre Schicksale sind unbekannt.

Der jüdische Friedhof weist neben Relikten einer Ummauerung nur noch spärliche Reste von Grabsteinen auf; das Areal ist heute von der Vegetation völlig überwuchert.

 

 

 

Im östlich von Naugard gelegenen Regenwalde/Rega, dem heutigen polnischen Resko, existierte eine israelitische Gemeinde, die etwa genauso groß war wie die von Naugard. Bereits 1692 erhielt erstmals ein Jude ein Privileg, sich mit seiner Familie hier niederzulassen; ein weiterer Schutzbrief wurde 1711 ausgestellt. Mitte der 1840er Jahre wurde hier eine Synagoge gebaut; der aus Feldsteinen errichtete Bau befand sich auf einem Hinterhofgelände in der Großen Wallstraße. Aus der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts stammt der Friedhof, dessen Anlage südlich der Ortschaft, auf dem Wimmerberg, erfolgte.

Juden in Regenwalde:

    --- 1782 ........................  22 Juden,

    --- 1812 ........................  40   “  ,

    --- 1831 ........................  82   “  ,

    --- 1843 ........................ 102   “  ,

    --- 1852 ........................ 139   “  ,

    --- 1861 ........................ 148   “  ,

    --- 1885 ........................  90   “  ,

    --- 1909 ........................  60   “  ,

--- 1939 (Mai) ..................  16   “  .

Angaben aus: Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern (Statistik S.252)

und                 Gerhard Salinger, Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns, Teilband 3, S. 666/667

Auch in Regenwalde wanderten nach 1870 immer Juden ab, sodass sich die Gemeinde Jahrzehnte später schließlich auflöste; in den Jahren zuvor war es noch zu einem Zusammenschluss der jüdischen Gemeinden Cammin, Naugard und Regenwalde zu einer Bezirksgemeinde gekommen. Die 1935 noch bestehenden zwölf Geschäfte mit jüdischen Eigentümern wurden bis Ende 1938 aufgegeben bzw. zwangsweise „arisiert“. Eine während der Novembertage 1938 versuchte Sprengung des Synagogengebäudes schlug fehl; in den Folgejahren wurde das Gebäude als Kaufhaus genutzt.

Auf dem von der Vegetation völlig überwucherten Friedhofsgelände findet man heute keinerlei Relikte mehr. 

vgl. Regenwalde (Hinterpommern)

 

 

 

In Plathe a.d. Rega (poln. Ploty, derzeit ca. 4.000 Einw.) - einer Ortschaft nordöstlich von Naugard, Krs. Regenwalde - sind jüdische Familien seit Beginn des 18.Jahrhunderts nachweisbar. Um 1850 setzte sich die Gemeinde aus ca. 70 Personen zusammen. Gottesdienstliche Zusammenkünfte und Religionsunterricht fanden in angemieteten Räumen statt; eine eigene Synagoge existierte hier nicht. Der im Laufe des 18.Jahrhunderts angelegte Friedhof diente auch den Nachbargemeinden wie Greifenberg und Gülzow als Beerdigungsstätte.

Unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges lebten in Plathe noch ca. 40 jüdische Bewohner. In den 1920er Jahren war die Gemeinde in Auflösung begriffen. 1935 gab es im Ort noch zwei Geschäfte jüdischer Eigentümer. Vier Jahre später lebten keine Juden mehr in Plathe.

 

 

 

In dem nördlich von Stargard gelegenen Dorf Massow, dem heutigen polnischen Maszewo mit derzeit ca. 3.000 Einw., bildete sich zu Beginn des 18.Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde, die aber zu keiner Zeit mehr als 100 Angehörige umfasste. Aus dem Jahre 1830 ist eine Synagoge nachgewiesen, in der auch die Schule untergebracht war. Eine Quell-Mikwe befand sich in der Amtsstraße. Auch ein eigenes Friedhofsgelände, an der Stargarder Straße gelegen, war vorhanden.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Massow bis zu etwa 85 jüdische Bewohner; die meisten wanderten danach ab. Als die Zahl der Gemeindeangehörigen stark rückläufig war, schlossen sich die verbliebenen Massower Juden der Kultusgemeinde Naugard an. Die Synagoge wurde um 1900 geschlossen, das Gebäude später veräußert. Anfang der 1930er Jahre lebten noch ca. 15 bis 20 Juden in Massow. Die letzten beiden Familien, die hier bis 1938 ihre Geschäfte betrieben, verließen nach der „Reichskristallnacht“ ihren Heimatort und emigrierten in die USA.

1938 wurde der Friedhof zerstört und alle Grabsteine zerschlagen.

Nur das in Vergessenheit geratene und völlig verwahrloste jüdische Friedhofsgelände erinnert heute noch daran, dass im Ort ehemals Familien mosaischen Glaubens hier ansässig waren.

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In der ca. 15 Kilometer südöstlich von Naugard liegenden Ortschaft Daber, dem heutigen polnischen Dobra mit derzeit ca. 2.000 Einw., lebten seit Beginn des 18.Jahrhunderts jüdische Familien. Die kleine Gemeinde zählte im Laufe ihres Bestehens nie mehr als 80 Angehörige. Seit 1920 gehörten die noch verbliebenen jüdischen Bewohner der Kultusgemeinde Naugard an. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Daber ca. 25 Bewohner mosaischen Glaubens, Ende 1942 waren es nur noch zwei. 

Der kleine jüdische Friedhof (in der ehem. Bürgerstraße) wurde Anfang der 1960er Jahre zerstört, dessen Grabsteine abgeräumt.

 

 

 

Weitere Informationen:

M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...” Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich 1995, S. 55/56

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol.1, S. 291; Vol.2, S. 798, S. 877/878 und S. 1067

Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Ingo Koch Verlag, Rostock 2004

Gerhard Salinger, Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns. Zur Erinnerung und zum Gedenken, New York 2006, Teilband 2, Teil III, S. 377 – 381 (Daber) und S. 545 – 553 (Massow) und Teilband 3, S. 557 – 564 (Naugard), S. 600 – 604 (Plathe) und S. 663 – 671 (Regenwalde)

Heimatkreis Naugard in Pommern (Hrg.), historische Aufnahmen aus Naugard, aus: naugard.de

Nowogard, in: sztetl.org.pl

Piotr Suchy (Bearb.), Die Juden in Naugard (in polnischer Sprache), online abrufbar in: novogard.pl

JTA (Red.), Polish Jewish cemetery destroyed by contractors’ illegal digging, in: „Times of Israel“ vom 4.9.2017

Gabriele Lesser (Red.), Umgepflügte Friedhöfe – Wenn niemand hilft, verschwinden die letzten Spuren der deutsch-jüdischen Gemeinden, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 18.9.2017 (betr. Friedhofsareal in Massow/Maszewo)