Neckarsteinach (Hessen)

Datei:Municipalities in HP.svg  Neckarsteinach ist mit derzeit ca. 4.000 Einwohnern eine Kleinstadt auf dem Territorium des heutigen Kreises Bergstraße etwa 15 Kilometer östlich von Heidelberg; es ist die südlichste Stadt Hessens (Ausschnitt aus topografischer Karte, kj. 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Kartenskizze 'Kreis Bergstraße', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

IAnsicht von Neckarsteinach.jpg

Neckarsteinach mit den vier Burgen, um 1760 (Abb. aus: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, in: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

In dem zunächst zur Kurpfalz gehörenden Ort Neckarsteinach sollen seit dem 15.Jahrhundert sehr wenige jüdische Familien gelebt haben. Ob diese kleine jüdische Gemeinschaft jahrhundertelang dauerhaft im Orte bestanden hat, kann quellenmäßig nicht belegt werden. Die gegen Ende des 18.Jahrhunderts recht große Judengemeinde setzte sich zumeist aus Familien zusammen, die in recht ärmlichen Verhältnissen lebten. Ihre Anwesenheit am Ort fand nicht immer Zustimmung, da ihnen „Wucher und überlegene kaufmännische Geschicklichkeit” vorgeworfen wurden. Als Neckarsteinach im Juni 1803 an Hessen fiel, zeigten sich erstmals gewisse Gemeinsamkeiten zwischen den Einwohnern der verschiedenen Religionen im Städtchen; denn zur Feier dieses Tages marschierte ein Festzug hinter der Fahne mit dem hessischen Löwen in die Kirche, um dort gemeinsam mit den Reformierten und den ortsansässigen Juden einen Dankgottesdienst zu begehen.

Eine zu Beginn des 19.Jahrhunderts eingerichtete Synagoge wurde Mitte der 1880er Jahre wegen Baufälligkeit abgerissen; das neue zweigeschossige Gebäude in der Hirschhorner Straße war auf den Grundmauern der alten Synagoge im neoklassizistischen Stil mit maurischen Elementen errichtet worden. Es wurde 1889 durch den Heidelberger Rabbiner Dr. Sondheimer eingeweiht.

                                                                                                                          Siegel der Kultusgemeinde

 Die kleine Gemeinde hatte sich mit dem Bau der Synagoge finanziell aber übernommen und rief nun zu Spenden für die Gemeinde auf; die Namen der Geldgeber wurden in der Zeitschrift „Der Israelit“ veröffentlicht.

Für die Ausstattung der neuen Synagoge suchte die Gemeinde laut Anzeige in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 20.Juni 1889 einen Leuchter; zeitgleich war eine Stellenangebot für einen Religionslehrer veröffentlicht.

                                  zwei Anzeigen der Gemeinde Neckarsteinach vom Juni 1889

Kurznotiz in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 5.Nov. 1891 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/Neckarsteinach%20Israelit%2005111891.jpg

Die jüdischen Kinder besuchten die hiesige christliche Volksschule; Religionsunterricht wurde von häufig wechselnden Personen erteilt, die gleichzeitig auch das Amt des Vorsängers und Schächters ausübten.

                     http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/Neckarsteinach%20Israelit%2021121885.jpg  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20246/Neckarsteinach%20Israelit%2015051901.jpg

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20172/Neckarsteinach%20Israelit%2017121903.jpgStellenangebote aus der Zeitschrift "Der Israelit" aus den Jahren 1876, 1885, 1901 und 1903

Als Begräbnisstätte für die Neckarsteinacher Juden diente der jüdische Friedhof in Hirschhorn.

Neckarsteinach unterstand dem orthodoxen Rabbinat Darmstadt.

Juden in Neckarsteinach:

       --- um 1800 ................... ca. 60 Juden (in 9 Familien),

    --- 1830 .......................... 47   “  ,

    --- 1861 .......................... 59   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1900 .......................... 44   “  ,

    --- 1905 .......................... 24   “  ,

    --- 1925 .......................... 35   “  ,

    --- 1933 ...................... ca. 30   “   (in 7 Familien),

    --- 1937 .......................... 13   “  ,

    --- 1939 (Mai) .................... ein  “  .

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 114

 

Zu Beginn der NS-Zeit lebten in der Kleinstadt noch sieben jüdische Familien. 1935 waren zwei Neckarsteinacher Juden wegen angeblicher "sittlicher Beziehung zu ihren christlichen Dienstmädchen" beschuldigt und "in Schutzhaft" genommen worden.

Bis 1938 sank die Zahl der Gemeindeangehörigen auf bis 13 Personen.

Dank ihrer Lage inmitten von Wohnhäusern wurde die Synagoge in den Novembertagen 1938 nicht in Brand gesetzt; man schändete „nur“ die Räumlichkeiten und zertrümmerte vorhandenes Mobiliar; anschließend verbrannte man die Reste am Neckarufer. Das Synagogengebäude wurde während des Krieges als Gefangenenlager genutzt und diente dann nach 1950 als Wohnhaus; trotz Umbauten kann man bis auf den heutigen Tag die einstige Bestimmung des Gebäudes noch erkennen

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind insgesamt 15 aus Neckarsteinach stammende Juden Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/neckarsteinach_synagoge.htm).

 

  Ehem. Synagogengebäude (Aufn. P. Schmelzle, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) 

Eine Inschrift erinnert an die einstige Bestimmung des Hauses. http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20172/Neckarsteinach%20Synagoge%20173.jpg

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 114 f.

Elisabeth Hinz, Neckarsteinach gestern und heute, hrg. vom Heimat- und Verkehrsverein Neckarsteinach, 1992

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Hessen I (Reg.bezirk Darmstadt), 1995, S. 25/26

Neckarsteinach, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Auskünfte der Kommunalverwaltung