Nenzenheim (Unterfranken/Bayern)

Datei:Iphofen in KT.svg   KarteNenzenheim ist heute ein Ortsteil von Iphofen im äußersten Süden des Kreises Kitzingen - ca. 15 Kilometer von der Kreisstadt entfernt gelegen (Kartenskizzen 'Landkreis Kitzingen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0  und  'Ortsteile von Iphofen', Monandowitsch 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Ein allererster schriftlicher Nachweis über Juden in Nenzenheim stammt aus der Zeit des beginnenden Dreißigjährigen Krieges; in den Folgejahrzehnten lassen sich vereinzelt Quellen zu jüdischen Bewohnern finden. Die Entstehung einer jüdischen Gemeinde in Nenzenheim geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück, als vermehrt jüdische Familien durch den Fürsten von Schwarzenberg Aufnahme fanden.

Eine „Schul“ (Synagoge/Betraum) in Nenzenheim ist erstmals im Jahre 1790 erwähnt; sie befand sich im Hause des Schutzjuden Anschel Pfeiffer. 1895 wurde ein älterer Betraum dann durch ein neues Gebäude, in dem auch Schule, Lehrerwohnung und eine Mikwe untergebracht waren.

In einem Nachtrag zur Synagogeneinweihung erschien der folgende Artikel:

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2074/Nenzenheim%20Mfr%20Israelit%2002011896.jpgaus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1896

Zur Besorgung religiöser Aufgaben war seitens der Gemeinde ein Religionslehrer angestellt, der als Kantor und Schochet tätig war.

Stellenangebote der Gemeinde aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.Febr. 1872 und vom 14.Juli 1887

Anlässlich des Todes des langjährigen Lehrers der Nenzenheimer Gemeinde, Abraham Rau, erschien in der "Bayerischen Israelitischen Zeitung" am 15. November 1928 ein Nachruf, in dem es u.a. hieß: „ Rau gehörte zu den immer seltener werdenden Beamten, deren ganze Lebensarbeit einer einzigen Gemeinde gewidmet ist. Kurz nach seinem im Jahre 1883 erfolgten Seminaraustritt kam er nach Hirschaid, wo er, zuerst als Religionslehrer, dann vom Jahre 1903 ab als Volksschullehrer, im ganzen 46 Jahre wirkte. Auch als vor einigen Jahren seine Schule infolge Kindermangels aufgelöst wurde, blieb er seiner Gemeinde, die wie zu einem Vater zu ihm aufschaute, treu. Die hohe und allseitige Verehrung, deren er sich erfreute, fand bei seiner Beerdigung ebenso beredte wie ergreifenden Ausdruck. Auch unserem Vereine, dem er seit 1884 angehörte, war Rau der Getreuesten einer. ...“

Gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden Hüttenheim und Dornheim kaufte die Nenzenheimer Judengemeinde ein Areal nahe Hüttenheim am Hang des Tannenberges und legte hier 1816/1817 einen eigenen Friedhof an; die fast 500 Gräber ziehen sich in langen Reihen hin. In den Zeiten zuvor hatte man die Nenzenheimer Verstorbenen auf dem Friedhof in Rödelsee beerdigt.

Friedhof bei Hüttenheim (Aufn. Ulrich A., 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Anm.: Auch Verstorbene aus umliegenden Gemeinden wie Bullenheim, Mainbernheim, Marktbreit, Uffenheim und Weigenheim wurden hier beigesetzt.

Um 1930 unterstand die kleine Gemeinde dem Bezirksrabbinat Kitzingen, ab 1937 dem von Würzburg.

Juden in Nenzenheim:

    --- um 1625 ..................... eine jüdische Familie,

    --- um 1705 ..................... eine jüdische Familie,

    --- 1740 ........................  26 jüdische Familien,*     * incl. Dornheim

    --- um 1815 ................. ca.  65 Juden,

    --- 1830 ........................  64   “   (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1847 ........................  67   "  ,

    --- 1875 ........................  69   “   (ca. 10% d. Bevölk.),

    --- 1880 ........................  94   “   (ca. 13% d. Bevölk.),

    --- 1900 ........................  60   “  ,

    --- 1910 ........................  37   "   (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1925 ........................  29   “  ,

    --- 1933 ........................  32   “  ,

    --- 1937 ........................  22   “  ,

    --- 1939 (Jan.) .................  14   “  ,

    --- 1940 (April) ................   4   “  ,

    --- 1943 (Juli) .................   keine.

Angaben aus: Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945 , S. 200

und                 W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1253

 

Vor dem Novemberpogrom von 1938 lebten noch 15 Juden in Nenzenheim; sie mussten miterleben, wie die Inneneinrichtung ihres Synagogenraumes vernichtet wurde.

Nach der Pogromnacht 1938 waren noch 14 jüdische Personen am Ort verblieben (1.Jan. 1939). Insgesamt konnten acht der jüdischen Einwohner in die USA emigrieren, fünf nach Palästina. Von den letzten vier jüdischen Einwohner wurden zwei im April 1942 von Nenzenheim aus - via Würzburg - nach Izbica deportiert, die anderen zwei im Juni 1942 über Fürth ins Ghetto Theresienstadt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 35 gebürtige bzw. längere Zeit in Nenzenheim ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/nenzenheim_synagoge.htm).

 

In Nenzenheim erinnert am Torturm der Kirche heute eine Gedenktafel an die einst hier bestehende kleine jüdische Gemeinde mit den folgenden Worten:

                                Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2006)

Das zu einem Wohnhaus umgebaute Synagogengebäude besteht bis auf den heutigen Tag.

Auch Nenzenheim beteiligte sich mit einer aus Sandstein gefertigten Koffer-Skulptur - geschaffen von Schülern einer 9.Klasse der Karlheinz-Spielmann-Schule in Iphofen - am zentralen „DenkOrt Deportationen 1941-1944“ in Würzburg.

          Koffer-Skulptur (Aufn. aus: denkorte-iphofen.de).

 

 

In Dornheim, einem anderen Ortsteil von Iphofen (siehe Karte oben), existierte auch eine jüdische Gemeinde, deren Anfänge bis ins 16.Jahrhundert zurückreichen. Die stets kleine Gemeinde erreichte in den 1860er Jahren mit knapp 70 Angehörigen ihren personellen Höchststand. Bis 1880 gehörte diese zum Distriktrabbinat Welbhausen, danach zu dem Kitzingens. Eine Synagoge wurde hier um 1750 in der Hellmitzheimer Straße gebaut. Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem Friedhof in Hüttenheim begraben. Infolge Aus- und Abwanderung verkleinerte sich die Gemeinde; um 1910 setzte sie sich nur noch aus ca. 30 Personen zusammen; 20 Jahre später waren es nur noch 16. Die letzten in Dornheim lebenden drei Jüdinnen wurden Ende November 1941 über Nürnberg nach Riga deportiert.

Eine Gedenktafel an der alten Schule (Altmannshäuser Str.) erinnert heute an die kleine israelitische Gemeinde und ihre Angehörigen

Auch Dornheim ist seit 2021 mit einer Koffer-Skulptur am zentralen „DenkOrt Deportationen 1941-1944“ in Würzburg beteiligt. 

[vgl. Dornheim/Unterfranken (Bayern)]

 

 

Von den sog. „Rindfleisch-Verfolgungen“ von 1298 soll auch die mittelalterliche Judengemeinde in Iphofen stark betroffen gewesen sein; ähnliches gilt für die Verfolgungen des Jahres 1336. Trotz der massiven Ausschreitungen siedelten sich in den folgenden Jahrzehnten hier wieder Juden an. Urkundlich nachweisbar ist ein um 1450 bestehendes ‚Judenquartier’ in der ‚Judengaßen’. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebten im Amt Iphofen fünf meist als Geldverleiher tätige Schutzjuden. Diese verfügten damals auch über eine Synagoge und erregten damit den Unwillen der katholischen Bevölkerung. 1686 wurden alle Iphofener Juden ausgewiesen. Einziges ‚Zeugnis’ jüdischer Vergangenheit in Iphofen ist die bildliche Darstellung eines Hostienfrevels, die sich noch heute in der „Wallfahrtskirche zum Heiligen Blut“ am Lindenplatz befindet; demnach sollen 1294 zwei Juden eine Hostie geschändet haben; als aus dieser Blut floss, wollte man sich von der Hostie befreien. Bei dem Versuch, die Hostie loszuwerden, soll diese in einem Spinnennetz hängen geblieben sein. Daraufhin ergriff ein übernatürliches Licht das Spinnennetz, was die Nachbarn bemerkten; man ergriff die Juden und richtete sie hin. Auf dem Gelände ihrer zerstörten Behausung errichtete man später die Kapelle ‘Zum Heiligen Blut’.

Anm.: Daneben gibt es noch eine andere Version vom „Hostienfrevel“ in Iphofen.

Weitere angebliche „Hostienfrevel“ sind aus verschiedenen Orten belegt, so aus Röttingen, Lauda, Möckmühl, Weikersheim und Würzburg; sie bildeten dann den Vorwand für blutige Massaker an den zahlreichen jüdischen Gemeinden im weiteren Umkreis.

 

[vgl. Mainbernheim (Bayern)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 200/201

Karl-Ernst Stimpfig, Die Juden im Fürstlich-Schwarzenbergischen Herrschaftsgericht Hohenlandsberg ..., o.O. o. J.

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern - eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 78/79 und S. 102

Nenzenheim (Stadt Iphofen), in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Eike Lenz (Red.), DenkOrt Deportationen: Wie Schüler die NS-Zeit wachhalten, in: „Main-Post“ vom 20.1.2021

Ralf Dieter (Red.), Iphofen: Wo Schüler für ein lebendiges Gedenken schaffen, in: "Die Kitzinger" bzw. inFranken.de vom 3.5.2021

Hans Schlumberger/Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Nenzenheim in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1241 - 1258

Susanne Kornacker/Stadtarchiv Iphofen (Red.), Beteiligung der Stadt Iphofen am Projekt „DenkOrt Deportationen 1941-1944 - Wir erinnern uns an die jüdischen NS.Opfer Unterfrankens“, online abrufbar unter: denkorte-iphofen.de (Sept. 2021)

Gerhard Bauer (Red.), Gedenktag an die Reichspogromnacht: Zwei Koffer als bleibende Erinnerung, in: „Main-Post“ vom 13.11.2021