Neumagen/Mosel (Rheinland-Pfalz)
Neumagen ist heute ein Teil der derzeit ca. 1.200 Einwohner zählenden Kommune Neumagen-Dhron an der Mittelmosel im Südwesten des Kreises Bernkastel-Wittlich (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Landkreis Bernkastel-Wittlich' ohne Eintrag von Neumagen, aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/bernkastel-wittlich).
1351 wird erstmals ein Jude in Neumagen erwähnt, der den damaligen Herren von Neumagen als Geldgeber gedient hatte. In den folgenden Jahrhunderten sind urkundliche Hinweise auf jüdisches Leben in Neumagen eher selten; erst im Laufe des 18.Jahrhunderts tauchen vermehrt schriftliche Quellen auf. Die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde sollen bereits im 16./17.Jahrhundert gelegt worden sein, als einige jüdische Familien seitens der Grafen von Isenburg und der von Sayn-Wittgenstein Schutzbriefe erhielten.
Zu Beginn der 1870er Jahre ließ die israelitische Gemeinde eine neue Synagoge in der Bogengasse bauen; die Kommune bewilligte dafür einen Baukostenzuschuss.
Ehem. Synagoge Neumagen u. Seitenansicht - Siegel der Synagogengemeinde Neumagen (Heimatmuseum/Kulturdatenbank Region Trier)
Um 1800 soll in Neumagen eine jüdische Religionsschule eingerichtet worden sein; diese wurde seit dem letzten Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts als öffentliche Verbandsschule (Elementarschule) geführt; untergebracht war die Schule mit einer Lehrerwohnung im alten Betraum in der Bogengasse.
Ehem. jüdische Schule in der Bogengasse (Heimatmuseum Neumagen)
Neben der religiösen Unterweisung der jüdischen Kinder besorgte ein seitens der Gemeinde angestellter Lehrer auch die rituellen Aufgaben – als Kantor und Schochet.
aus: "Der Israelit" vom 4.12.1872 und 21.2.1889
Am 1. Oktober 1931 wurde die Schule, die zuletzt nur noch drei Kinder besuchten, geschlossen.
Der erstmals 1578 urkundlich genannte „Judenkirchhof“ - dessen Anlage erfolgte vermutlich schon wesentlich eher - lag zwischen den Ortschaften Neumagen und Dhron; dieser diente auch Verstorbenen aus den umliegenden Dörfern wie Niederemmel, Müstert, Piesport, Reinsport, Minheim, Hetzerath, Trittenheim und Thalfang als Begräbnisplatz.
1889 konstituierte sich offiziell die jüdische Synagogengemeinde Neumagen, die sich aus den jüdischen Familien von Neumagen, Niederemmel, Minheim, Rivenich, Hetzerath und Sehlem zusammensetzte. Die jüdischen Familien in Niederemmel durften keine selbstständige Gemeinde bilden; so gehörten sie weiterhin der Synagogengemeinde Neumagen an, obwohl es um 1910 mehr Juden in Niederemmel als in Neumagen gab. Um dem Autonomiebestreben der Juden aus Niederemmel entgegenzukommen, wurde ab ca. 1910 die Gemeinde als „Synagogengemeinde Neumagen-Niederemmel“ bezeichnet.
[vgl. Niederemmel (Rheinland-Pfalz)]
Juden in Neumagen:
--- um 1700 ...................... 4 jüdische Familien,
--- 1808 ......................... 42 Juden,
--- 1831 ......................... 64 “ ,
--- 1843 ......................... 75 “ ,
--- 1857 ......................... 109 “ ,
--- 1861 ......................... 86 “ ,
--- 1868 ......................... 78 “ ,
--- 1895 ......................... 55 “ ,
--- 1925 ......................... 44 “ ,
--- 1933 ..................... ca. 75 “ ,* * mit Niederemmel
--- um 1935 .................. ca. 40 “ ,
--- 1938 ..................... ca. 20 “ ,* (Ende 1938 noch 8 Pers.)
--- 1942 (Dez.) .................. keine.
Angaben aus: Franz Botzet, Geschichte der Juden in Neumagen-Dhron und Umgebung (1997)
Auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien verzog ein Großteil der jüdischen Bewohner bzw. emigrierte (zumeist in die USA); Ende des Jahres 1938 lebten kaum noch zehn 20 Juden in Neumagen.
Im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Neumagener Synagoge zerstört; auch Wohnungen jüdischer Familien blieben nicht verschont. „ ... Heute drangen SA-Leute in die Wohnungen der wenigen noch hier wohnenden Juden ein und zerschlugen alles, was ihnen in die Hände fiel. Altes Porzellan, Schränke usw. Die Synagoge ist innen vollständig zertrümmert, die Thorarollen und alte Bücher entfernt. Ein Artist hat mit den Thorarollen das Dach seines Wohnwagens gedeckt.” (Auszug aus der Kirchenchronik der Pfarrei 'Maria Himmelfahrt' Neumagen vom 10.11.1938).
Mit der Deportation der letzten beiden jüdischen Bewohner nach Minsk Ende Febr. 1942 endete die Geschichte der israelitischen Gemeinde. Nachweislich wurden mindestens 18 gebürtige bzw. längere Zeit in Neumagen lebende Personen mosaischen Glaubens Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der Opfer siehe: alemannia-judaica.de/neumagen_synagoge.htm).
Ende der 1950er Jahre wurden die inzwischen baufällig gewordenen Gebäudeteile der ehemaligen Synagoge - ein Wahrzeichen des alten Neumagen - abgerissen und der Restbestand zu einem Wohnhaus umgestaltet.
Im Heimatmuseum Neumagen-Dhron erinnert eine Gedenktafel mit den Worten:
Den jüdischen Bürgern, die von 1933 - 1945 verfolgt, vertrieben und ermordet wurden,
zum Gedenken und uns Lebenden zur Mahnung.
Am Standort der ehemaligen Synagoge informiert seit 2011 eine Informationstafel über das frühere jüdische Leben am Ort.
Jüdischer Friedhof (Aufn. J. Hahn, 2009)
Insgesamt finden sich 127 Grabsteine auf dem ca. 3.400 m² großen jüdischen Friedhofsgelände in Neumagen (Ortsteil Dhron) - nach Wittlich dem zweitgrößten israelitischen Friedhof im Kreis Bernkastel-Wittlich; der älteste bisher entzifferte Stein stammt aus dem Jahr 1772; das letzte Begräbnis erfolgte hier 1938.
Weitere Informationen:
Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. und 20. Jahrhundert, Teil 1, Hamburg 1981, S. 526 - 527
Franz Botzet, Die jüdische Gemeinde Neumagen und ihr Friedhof, in: "Jahrbuch des Kreises Bernkastel-Wittlich 1989", S. 84 f.
Franz Botzet, Geschichte der Juden in Neumagen-Dhron und Umgebung, hrg. von der Ortsgemeinde Neumagen-Dhron, 1997 (Maschinenmanuskript)
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 282/283
Neumagen, in: alemannia-judaica.de (mit Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Marianne Bühler/Uwe F. W. Bauer, Steine über dem Fluss - jüdische Friedhöfe an der Mosel, Paulinus Verlag, 2007
Willi Körtels, Die jüdische Schule in der Region Trier, hrg. vom Förderverein Synagoge Könen e.V. 2011, S. 172 – 178
Ursula Schmieder (Red.), Erinnerungen an jüdisches Leben in Neumagen, in: „Volksfreund" vom 9.10.2011
Hermann Erschens, Die Jüdische Schule in Neumagen, in: "Machbarot – Hefte des Emil-Frank-Instituts", Band 2, Trier 2013
Marianne Bühler, Letzte Jahre – das Schicksal der deportierten Juden aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich in der Zeit von 1933 bis 1945, hrg. vom Emil-Frank-Institut: Band 18/2016, Paulinus-Verlag
Christina Bents (Red.), Ein Mittelzentrum jüdischer Kultur, in: "Volksfreund" vom 10.6.2020