Nievern (Rheinland-Pfalz)

Kartenausschnitt mit dem ehemaligen Unterlahnkreis von 1905 Bildergebnis für rhein lahn kreis karte ortsdienst Nievern ist eine Ortsgemeinde mit derzeit ca. 1.000 Einwohnern im Rhein-Lahn-Kreis; sie gehört der Verwaltungsgemeinschaft Bad Ems (Lahn) an und liegt nur wenige Kilometer lahnabwärts (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikiwand.com und Kartenskizze 'Rhein-Lahn-Kreis', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/rhein-lahn-kreis).

 

Ein erster Hinweis auf den Aufenthalt von Juden in bzw. um Nievern - im Herzogtum Nassau - stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Namentlich wird ein Jude erstmals 1718 urkundlich erwähnt, als ein ‚Judenmädchen’ in der Pfarrkirche zu Nievern getauft wurde. Die wenigen in Nievern lebenden jüdischen Familien besaßen befristete Schutzbriefe. Zusammen mit denen der Nachbarorte Fachbach und Miellen unterhielten sie einen eigenen Religionslehrer. In den 1840er Jahren gehörte Nievern mit Frücht, Braubach und Fachbach zu einem Synagogenbezirk, dessen religiöser Mittelpunkt Frücht war; dort befand sich die Synagoge.

Nach der 1852 neu erlassenen Kultusverfassung für die Juden Nassaus wurde Nievern religiöser Hauptort, ohne dass nun aber hier wesentlich mehr Juden ansässig geworden wären. Zu ihren gottesdienstlichen Zusammenkünften versammelten sich die Juden des Synagogenbezirks in einem Raume eines Privathauses. Über diesen Betraum liegt ein Bericht vor: ... In Parterre befand sich links der kleine Metzgereiladen von Julius Mainzer und rechts die Küche. ... An der linken Wand im Laden war die Treppe zum Synagogenraum. ... war ein kleines, meist dunkles Zimmerchen von etwa 4 mal 6 Metern Größe. An der Ostseite stand ein langer Tisch, auf dem sich erhöht der Toraschrein befand, mit lila Tüchern feierlich umhüllt. Überhaupt war lila die vorherrschende Farbe im Raum. Auch die Gebetskäppchen der Männer in der Synagoge waren so gefärbt. ...” (aus: Elmar Ries, Aus der jüdischen Geschichte von Nievern, S. 17)

Die wenigen jüdischen Kinder besuchten die hiesige örtliche Volksschule; Religionsunterricht wurde von einem jüdischen Lehrer erteilt (Ersterwähnung 1818); später dann erfolgte die religiöse Unterweisung gemeinsam mit den Kindern aus Frücht und Fachbach durch einen Lehrer aus (Bad) Ems.

Verstorbene Nieverner Juden wurden auf dem jüdischen Friedhof in Fachbach begraben.

Die winzige Gemeinde unterstand dem Rabbinatsbezirk Ems, später Ems-Weilburg.

Juden in Nievern:

         --- 1843 ..........................  19 Juden,

    --- 1895 ..........................  19   “  ,

    --- 1910 ..........................  16   “  ,

    --- 1925 ..........................  13   “  ,

    --- 1933 ..........................  17   "  ,*      * mit Fachbach

    --- 1938 ..........................   2 Familien,

    --- 1939 (Nov.) ...................   keine.

Angaben aus: Elmar Ries, Aus der jüdischen Geschichte von Nievern, in: SACHOR - Beiträge zur Jüdischen Geschichte ..., S. 5 ff.

 

Während der Novembertage 1938 wurde in Nievern der Betraum durch hiesige SA-Angehörige geschändet und geplündert. Die Wohnhäuser der beiden letzten im Ort lebenden jüdischen Familien wurden gestürmt und völlig demoliert. Mit dem Wegzug der beiden letzten jüdischen Familien (Strauß und Mainzer) nach Frankfurt/M. endete 1939 die jüdische Geschichte des Ortes.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind acht aus Nievern bzw. zwei aus Fachbach stammende jüdische Bürger Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/nievern_synagoge.htm).

 

Der jüdische Friedhof in Fachbach, der bis ins ausgehende 19.Jahrhundert in Nutzung war, weist auf einer ca. 1.000 m² großen Fläche noch etwa 25 verstreut stehende Grabsteine auf.

 Jüdischer Friedhof in Fachbach (Aufn. Marion Halft, 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

In der nahen kleinen Ortschaft Frücht sind jüdische Bewohner seit Mitte/Ende des 17.Jahrhunderts nachweisbar; die Zahl der im Dorfe lebenden Juden war auch hier stets gering; sie betrug maximal 35 Personen. Die Juden aus Frücht suchten später bei Festtagen die Synagoge in Nievern auf, doch zu den Sabbatgottesdiensten stand im Obergeschoss eines Wohn- und Geschäftshauses (der Familie Roos an der Emser Straße) eine Räumlichkeit zur Verfügung. Gottesdienste wurden in Frücht so lange abgehalten, wie ein Minjan zustande kam; danach suchten die verbliebenen Juden die Synagoge in Nievern auf.

Der jüdische Friedhof soll um 1810/1815 im südlich der Ortschaft gelegenen „Judenwald“ angelegt worden sein; sechs alte Grabsteine auf dem kleinflächigen Begräbnisareal haben bis heute die Zeiten überdauert.

Bereits vor Beginn des Ersten Weltkrieges waren die meisten jüdischen Bewohner aus dem Ort weggezogen; danach lebte nur noch eine Familie (Moses Roos) hier. Der letzte jüdische Einwohner verließ das Dorf im Jahre 1929.

Jüdischer Friedhof in Frücht (Aufn. Haffitt, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Hellmuth Gensicke, Das Kirchspiel und die Herrschaft Nievern, in: "Nassauische Annalen", No.67/1956, S. 214 - 223

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd.1, S. 219 (Frücht) und Bd. 2, S. 146/147 (Nievern)

Elmar Ries, Aus der jüdischen Geschichte von Nievern, in: "SACHOR - Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", Heft 14, 2/1997, S. 5 - 22

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 157 (Frücht) und S. 294 (Nievern)

Franz Gölzenleuchter, Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande (Psalm 74,8). Jüdische Spuren im Rhein-Lahn-Kreis - Jahrzehnte danach, Limburg 1998, S. 84/85

Nievern mit Fachbach, in: alemannia-judaica.de

Frücht, in: alemannia-judaica.de

Gerhard H. Hufnagel, Die Geschichte der reichsritterschaftlichen und reichsunmittelbaren Herrschaft auf der Lahn. Eine heimatkundliche Dokumentation für das Kirchspiel Nievern mit den Orten Fachbach, Nievern und Miellen (online abrufbar)