Nordstemmen (Niedersachsen)

Reliefkarte Alfeld Umgebung.png Datei:Nordstemmen in HI.svg Nordstemmen a.d. Leine ist eine Kommune mit derzeit ca. 12.000 Einwohnern – knapp 15 Kilometer westlich von Hildesheim gelegen (Reliefkarte 'Weser-Leine-Bergland', aus: commons.wikimedia.org, GFDL  und Kartenskizze 'Landkreis Hildesheim', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Früheste urkundliche Hinweise auf jüdisches Leben in Nordstemmen stammen aus den ersten Dekaden des 18.Jahrhunderts; um 1730 lebten im Dorf zwei jüdische Familien. Neben einem Schutzgeld mussten die Familien noch eine jährliche Dorfabgabe zahlen. Die gegen Ende des 18.Jahrhunderts in Nordstemmen lebenden vier Familien waren so arm, dass sie das Schutzgeld nicht mehr aufbringen konnten. Zu gottesdienstlichen Treffen versammelten sich die wenigen Juden Nordstemmens in einem Betraum, der sich zuletzt im ersten Stock eines Geschäftshauses in der Hauptstraße befand. Die wenigen jüdischen Kinder besuchten die örtliche Volksschule; ihre Eltern erteilten ihnen Religionsunterricht. Erst in den 1850er Jahren wurde ein jüdischer Lehrer verpflichtet; allerdings war die Stelle einem häufigen Wechsel unterworfen. Später erhielten die Kinder Unterricht durch Wanderlehrer.

Der alte jüdische Friedhof an der Burgstemmer Straße wurde gegen Mitte des 19.Jahrhunderts aufgegeben und in der Bruchshöfenstraße ein neues Beerdigungsgelände angelegt. - Seit Anfang der 1850er Jahre waren der Synagogengemeinde Nordstemmen die jüdischen Bewohner der Ortschaften Burgstemmen, Mahlerten und Poppenburg angeschlossen; die Nordstemmer Gemeinde gehörte zu den ärmsten im Rabbinatsbezirk.

Juden in Nordstemmen:

         --- um 1735 ......................  2 jüdische Familien,

    --- um 1775 ......................  4     “       “    ,

    --- um 1800 ......................  5     “       “    ,

    --- 1816 ......................... 10     “       “     (33 Pers.),

    --- 1833 ......................... 41 Juden,

    --- 1845 ......................... 36   “  ,

    --- 1867 ......................... 47   “  ,

    --- 1871 ......................... 29   "  ,

    --- 1885 ......................... 23   “  ,

    --- 1895 ......................... 21   "  ,

    --- 1905 ......................... 19   “  ,

    --- 1916 ......................... 12   "  ,

    --- um 1920 ......................  3 jüdische Familien,

    --- 1933 .........................  2     “       “    ,

    --- 1939 .........................  2 Jüdinnen.

Angaben aus: A.Baumert/M.Buchholz/N.Kratochwill-Gertich (Bearb.), Nordstemmen, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen ..., Bd. 2, S. 1147

 

Die Juden lebten hier vom Klein- und Landesproduktenhandel. Nach 1900 waren fast alle in den umliegenden Ortschaften lebenden Juden abgewandert.

Die stets nur kleine jüdische Gemeinschaft Nordstemmens gab schließlich 1933/1934 ihren Betraum auf; bereits kurz nach der Jahrhundertwende hatten Gottesdienste nur noch an Feiertagen unter Anwesenheit der Juden aus Rössing stattgefunden. Die letzte jüdische Einwohnerin Nordstemmens soll im Laufe des Jahres 1942 - via Hannover - nach Theresienstadt deportiert worden sein; von hier führte ihr Weg ins Vernichtungslager Treblinka.

 

Heute erinnert nur noch das ca. 400 m² große Friedhofsgelände an der Bruchshöfenstraße an die jüdische Historie Nordstemmens; auf dem Gelände befinden sich noch 25 Grabsteine, der älteste datiert aus dem Jahre 1858.

Datei:Jüdischer Friedhof, 1, Nordstemmen, Landkreis Hildesheim.jpgJüdischer Friedhof Nordstemmen (Aufn. G., 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0 )

 

 

In Rössing - einem heutigen Ortsteil Nordstemmens - lebten auch einzelne jüdische Familien; als 1843 der Synagogenbezirk Rössing gebildet wurde, wurde Schulenburg angeschlossen. Gemeinsam mit den jüdischen Kindern Nordstemmens wurden die Schüler aus Rössing von einem angestellten Lehrer unterrichtet; allerdings war die Lehrerstelle zeitweilig unbesetzt. - Im Eigentum der Familie Neuberg befand sich der kleine jüdische Friedhof am Kirschenbrink; heute stehen dort sechs Grabsteine.

Jüdischer Friedhof in Rössing (Aufn. F. Achhammer, 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0) 

Bis 1906 bildeten die Juden Rössings eine eigene Gemeinde; danach schlossen sie sich Nordstemmen an. Mitte der 1930er Jahre lebte nur noch eine jüdische Familie im Dorf; es war die Familie Blumenthal, die hier eine Schlachterei betrieb. Demütigungen, Ausgrenzung und erzwungene Aufgabe des Geschäftes ließ die Familie nach Hannover übersiedeln. Von hier aus wurden Ende März 1942 die vier Mitglieder der Familie Blumenthal mit einem Sammeltransport ins Arbeitslager Trawniki verschleppt.

Vor deren ehemaligen Wohnhaus in der Maschstraße erinnern seit 2009 vier sog. „Stolpersteine“ an die jüdische Familie Blumenthal.

Blumenthal, Karl - Maschstr. 22.jpgBlumenthal, Henny - Maschstr. 22.jpgBlumenthal, Hanna - Maschstr. 22.jpgBlumenthal, Hans-Jürgen - Maschstr. 22.jpg

"Stolpersteine" für Familie Blumenthal, Maschstraße (Aufn. B., 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

                 Weitere Informationen:

Heinrich Bartels, Nordstemmen - Von der Vorzeit zur Gegenwart, Nordstemmen 1983

A.Baumert/M.Buchholz/N.Kratochwill-Gertich (Bearb.), Nordstemmen, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Bd. 2, S. 1147 - 1150 (Nordstemmen) und S. 1320 - 1324 (Rössing)

Auskünfte von Adelheid Berger, Nordstemmen

Klaus Schäfer, Jüdische Bürger in Nordstemmen und Rössing, in: Vernetztes Erinnern – Nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Stadt und Landkreis Hildesheim, online abrufbar unter: vernetztes-erinnern-hildesheim.de

Helga Fredebold (Bearb.), 200 Jahre jüdische Geschichte in Rössing, online abrufbar unter: fredebold.blogspot.de

Auflistung der in Nordstemmen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Nordstemmen