Oberglogau (Oberschlesien)

 undefinedOberglogau gehörte ab 1742 zu Preußen. Die Kleinstadt ist das heutige polnische Glogówek mit derzeit 5.500 Einwohnern - etwa 40 Kilometer südlich von Oppeln (Opole) nur etwa zehn Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Glogówek rot markiert, Y. 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Vermutlich waren bereits im 13.Jahrhundert einzelne jüdische Familien in Oberglogau ansässig; die ersten schriftlichen Quellen stammen aber erst aus dem Jahr 1349.

1348/1349 kam es wohl auch hier zu Pogromen. Anfang der 1560er Jahre wurde auf Anordnung Kaiser Ferdinands I. bestimmt, dass alle Juden, welche zur Zeit in der Stadt sind, binnen einem Jahre ihre Schulden einziehen, ihre Häuser verkaufen und zu Gelde machen, und zugleich ihre Schulden, wem sie etwas schuldig sind, den Christen, bezahlen und unverzüglich von dannen ziehen und abreisen sollen. Trotz dieses Ausweisungsdekrets muss es aber einigen Juden bald wieder gelungen sein, in Oberglogau zu siedeln; denn bereits Ende des 16.Jahrhunderts erfolgten ‚Judenzins’-Zahlungen an die Stadt. 1631/1633 vertrieben christliche Stadtbewohner die jüdischen Familien aus Oberglogau; die meisten fanden in der Stadt Zülz Zuflucht.

Oberglogau Ansicht 19. Jahrhundert.jpg Blick auf Oberglogau, um 1820 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Zu welchem Zeitpunkt sich in Oberglogau eine jüdische Gemeinde bildete, kann nicht eindeutig belegt werden - vermutlich geschah dies gegen Mitte/Ende des 18.Jahrhunderts. Die offizielle Konstituierung der Oberglogauer Synagogengemeinde erfolgte aber erst im Jahre 1854; zu ihr gehörten auch die jüdischen Familien aus Klein Strehlitz, Oberglogau und aus dem Dorfe Repsch.

Ihre hölzerne Synagoge soll die Judenschaft Oberglogaus 1812 in der Badergasse errichtet haben; nach anderen Angaben wurde in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts aber nur ein Betraum in einem Privathaus (in der Schlossstraße) genutzt. Mitte der 1860er Jahre ließ die Gemeinde in der Schulstraße ein schlichtes, quaderförmiges Synagogengebäude mit vier Ecktürmen errichten; es war durch Spenden finanziert worden. Architekt und Baumeister war der ortsansässige Fraenkel Wien.

                                                 Synagogengebäude (hist. Aufn., um 1930, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Anm.: Hinter dem Eingang befand sich eine Vorhalle, von der man den Hauptraum erreichte; innen besaß das Gebäude an drei Seiten umlaufende Emporen für die Frauen.

Knapp 30 Jahre später wurde unmittelbar neben der Synagoge das jüdische Gemeindehaus erbaut.

In den 1830er Jahren wurde außerhalb der Stadtgrenzen (am Weg nach Krappnitz) ein Begräbnisareal in Nutzung genommen.

Juden in Oberglogau:

         --- um 1535 .........................   17 jüdische Familien,

    --- 1818 ............................    9     "        "   ,

    --- 1834 ............................   99 Juden (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1840 ............................  133   “  ,

    --- 1855 ........................ ca.  150   "  ,

    --- 1861/63 .........................  174   “  ,

    --- 1855 ........................ ca.  150   "  ,

    --- 1880 ............................  170   “  ,

    --- 1885 ............................  158   “  ,

    --- 1903 ............................   70   “  ,

    --- 1927 ............................   74   "  ,

    --- 1932/33 ..................... ca.   60   “  ,

    --- 1837 ............................   49   "  ,

--- 1942 (Jan.) .....................    6   "  ,

         (Dez.) .....................    keine.

Angaben aus: Peter Maser/Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, S. 132

und                 Günter Hauptstock (Bearb.), Auf den Spuren der Oberglogauer Juden

 

Um die Jahrhundertwende verließ ein Teil der Oberglogauer Gemeindeangehörigen die Stadt, da sie in Großstädten – wie Berlin und Breslau – bessere wirtschaftliche Perspektiven sahen. Von den fast 40 Geschäften am Ring hatten damals noch 17 einen jüdischen Eigentümer.

Oberglogau, Schlesien - Ring mit Rathaus (Zeno Ansichtskarten).jpgRing mit Rathaus, um 1915 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten dann nur noch wenige jüdische Familien in der Stadt. Wie überall in Deutschland wurden am 1.4.1933 auch in Oberglogau jüdische Geschäfte boykottiert.

Trotz einer versuchten Brandlegung während der „Kristallnacht“ im November 1938 blieb das Synagogengebäude äußerlich intakt; allerdings war die Inneneinrichtung völlig zerstört worden. Als Folge der gewaltsamen Übergriffe auf jüdisches Eigentum verließen die meisten jüdischen Bewohner die Stadt. Ende 1942 hielten sich nur noch wenige Bewohner mosaischen Glaubens in Oberglogau auf; sie wurden ins "Generalgouvernement umgesiedelt“; dort verloren sich zumeist ihre Spuren.

In der Nachkriegszeit diente das ehemalige Synagogengebäude als Lagerhaus, später wurde es als staatliche Verkaufsstelle genutzt, seit jüngster Zeit als Wohnhaus.

ehem. Synagogengebäude (Aufn. aus: eksploratorzy.com.pl, 2011)

Reste des jüdischen Friedhofs - mit ca. 60 Grabsteinen - sind heute noch vorhanden.

  https://c2.staticflickr.com/2/1087/5107436794_41951ed5c5_b.jpg

Jüdischer Friedhof in Oberglogau (Aufn. A. Marczewski, aus: sztetl.org.pl)  -  Grabsteine (Aufn. aus: flickr.com)

 

Gebürtiger Oberglogauer war Michael Sachs (geb. 1808), der nach einem Philologie-Studium in Berlin und anschließender Promotion an der Universität Jena zunächst als Leiter der Berliner jüdischen Mädchenschule fungierte. 1836 wurde er als Rabbiner der jüdischen Gemeinde nach Prag berufen, wo er gemeinsam mit dem Talmudisten Saul Jonathan Löwy Privatstudien betrieb. Ab 1845 war Dr. Michael Sachs Prediger und Rabbinatsassessor in Berlin. Dort starb er 1864.

 

 

 

Weitere Informationen:

H. Schnurpfeil, Geschichte und Beschreibung der Stadt Oberglogau in Oberschlesien, Oberglogau 1860

J. Strecke, Die Synagogengemeinde zu Oberglogau, in: "Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Oberglogau", Oberglogau 1925

Alfred Kosin (Bearb.), Führer durch das schöne Oberglogau (Innenansicht der Synagoge), Oberglogau 1931

Peter Maser/Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, Teil I: Historischer Überblick, in: "Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien, Landeskundliche Reihe 3.1", Gebr. Mann Verlag, Berlin 1992, S. 131 - 134 und S. 212/213

Fr.-Carl Schultze-Rhonhof, Geschichte der Juden in Schlesien im 19. u. 20.Jahrhundert, in: "Schlesische Kulturpflege - Schriftenreihe der Stiftung Schlesien", Band 5, Hannover 1995

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 920

Reinhard Koperlik, Die Juden in Oberglogau, Manuskript 2002

Glogówek, in: sztetl.org.pl

Johannes Preisner/Günter Hauptstock, Geschichte der Stadt Oberglogau, 3 Bände, Menden 2005/2008

Günter Hauptstock (Bearb.), Auf den Spuren der Oberglogauer Juden (mit Personenliste jüdischer Einwohner), in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Oberglogau IV, Selbstverlag (auch in polnischer Sprache)

Günter Hauptstock (Bearb.), Aus dem Leben der Oberglogauer Synagogen-Gemeinde, in: „Neustädter Heimatbrief“, No. 9/2016

Beata Pomykalska/Pawel Pomykalski, Auf den Spuren der Juden Oberschlesiens, Hrg. Haus der Erinnerung an die Juden Oberschlesiens – Zweigstelle des Museums in Gleiwitz, Gliwice 2019