Obermoschel (Rheinland-Pfalz)

Kreis Meisenheim.jpgJüdische Gemeinde - Göllheim (Rheinland-Pfalz) Obermoschel ist heute die kleinste Stadt in der Pfalz mit derzeit ca. 1.200 Einwohnern (Donnersbergkreis); sie liegt im Nordpfälzer Bergland südlich von Bad Kreuznach und ist Teil der Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel (Kartenausschnitt "Rheinland" von 1905, aus: wikipedia.org, Bild-PD-alt und Kartenskizze 'Donnersbergkreis', TUBS 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0). 

 

Das pfälzische Obermoschel besaß seit 1349 Stadtrechte. Die Wurzeln der dortigen jüdischen Kultusgemeinde reichen bis ins späte Mittelalter zurück; im Zuge der Pestpogrome von 1348/1349 wurden auch hier Juden verfolgt bzw. ermordet.

Zu Beginn des 15.Jahrhunderts ist im Zusammenhang der Erteilung von Bergbaurechten erstmals wieder die Existenz eines Juden in der Region um Obermoschel urkundlich belegt. Nach zwischenzeitlicher Ausweisung konnten sich nach dem Dreißigjährigen Kriege - mit Billigung der herzoglichen Herrschaft Pfalz-Zweibrücken - wenige jüdische Familien in Obermoschel ansiedeln; bis Ende des 18.Jahrhunderts waren es aber nie mehr als vier Familien; diese verdienten damals ihren Lebensunterhalt zumeist im Fruchthandel. Als Obermoschel an Frankreich fiel, besserte sich die sozial-gesellschaftliche Lage der etwa 40 Juden, die 1808 hier lebten.

Dienten zunächst einfache Betstuben als gottesdienstliche Treffpunkte, errichtete die jüdische Gemeinde in Obermoschel in den Jahren 1843/1844 einen Synagogenneubau in der Mathildenstraße/Synagogenstraße. Die Finanzierung war „unter großen Opfern“ erbracht worden. Der eigentliche Synagogenraum, dessen Decke mit einem Sternenhimmel ausgemalt war, befand sich im Obergeschoss; eine Frauenempore besaß 20 Plätze. Im Parterre war die Schule mit Lehrer- bzw. Vorbeterwohnung untergebracht; der Bau eines eigenen Schulgebäudes wurde fallengelassen. Zeitgleich mit der Synagogeneinweihung wurde eine aus 24 Artikeln bestehende Synagogenordnung erlassen. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte auch ein Ritualbad, das sich im Keller eines jüdischen Anwesens befand. 

Seit den 1820er Jahren gab es in Obermoschel eine jüdische Elementarschule, die - mit kurzzeitigen Unterbrechungen - bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges bestand; sie wurde allerdings zuletzt nur noch von sehr wenigen Schülern besucht.

Die Stellenausschreibungen der Gemeinde waren – was die Vergütung des Bewerbers und künftigen Gemeindelehrers anging – sehr differenziert abgefasst. Die folgenden Beispiele zeigen die besondere Art der Ausschreibung (was im allgemeinen in dieser Form unüblich war):

Stellenangebot der Kultusgemeinde Obermoschel (aus: "Der Israelit" vom Jan.1848)

Weitere Stellenausschreibungen aus den Jahren 1889 und 1901:

   

Ein zu Beginn des 19.Jahrhunderts am südwestlichen Ortsrand angelegter kleiner Friedhof diente den verstorbenen Gemeindemitgliedern als letzte Ruhestätte.

Die Kultusgemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Kaiserslautern.

Juden in Obermoschel:

         --- 1699 .........................  4 jüdische Familien,

    --- um 1785 ......................  4     “       “    ,

    --- 1802 ......................... 36 Juden,

    --- 1821 ......................... 13 jüdische Familien,

    --- 1837 ......................... 75 Juden,

    --- 1866/67....................... 81   “  ,

    --- 1890 ......................... 86   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1900 ......................... 85   “  ,

    --- 1910 ......................... 70   “  ,

    --- 1925 ......................... 45   “  ,

    --- 1933 ......................... 35   “  ,*     * andere Angabe: 48 Pers.

    --- 1937 ......................... 34   “  ,

    --- 1938 ......................... 23   “  ,

    --- 1940 .........................  9   “  .

Angaben aus: Nordpfälzer Geschichtsverein (Hrg), Jüdisches Leben in der Nordpfalz - Dokumentation, S. 152

und                 Bernhard Kukatzki, Juden in Obermoschel - Spuren ihrer Geschichte 1349 - 1940, S. 14/15

 

Die meisten in Obermoschel ansässigen Juden lebten vom Handel; Vieh-, Frucht-, Ellenwaren- und Weinhandel waren dabei im 19.Jahrhundert bestimmend. Christliche und jüdische Bewohner sollen vor der NS-Zeit einvernehmlich, aber doch mit gewisser Distanz zusammengelebt haben. Nach 1933 waren jüdische Familien offenen Anfeindungen ausgesetzt. Diejenigen „Volksgenossen“, die sich nicht von Kontakten zu jüdischen Bewohnern abhalten ließen, wurden öffentlich gebrandmarkt. Den Höhepunkt der antijüdischen „Aktionen“ in Obermoschel brachte der Morgen des 10.November 1938; in aller Frühe hatten sich SA-Angehörige und der Mob aus umliegenden Ortschaften zusammengerottet und waren plündernd und zerstörend durch den Ort gezogen. Die Inneneinrichtung des Synagogengebäudes wurde verwüstet, das Gebäude aber nicht in Brand gesetzt, da das Feuer auf Grund der dichten Bebauung nicht eingedämmt hätten werden können. Die Kultgegenstände schleppte man auf den Marktplatz und setzte sie in Brand. Anschließend stürmten SA-Trupps - teilweise mit Äxten bewaffnet - Wohnungen und demolierten diese; auch vor physischer Gewalt gegenüber ihren Bewohnern schreckte man nicht zurück. Nach dem Pogrom wagten sich die wenigen Obermoscheler Juden kaum noch aus dem Haus. Monate später hatten die allermeisten ihren Heimatort verlassen, einige konnten noch rechtzeitig emigrieren. Die wenigen älteren Leute, die in Obermoschel zurückgeblieben waren (neun Personen), wurden Ende Oktober 1940 im Rahmen der sog. „Aktion Bürckel“ deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 16 aus Obermoschel stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der "Endlösung" geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/obermoschel_synagoge.htm).

       http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20237/Obermoschel%20Synagoge%20195.jpg Ehem. Synagogengebäude (Aufn. um 1965, Landesamt)

Seit 1989 trägt die Straße, an der die ehemalige Synagoge stand, wieder die Bezeichnung „Synagogenstraße”. Ein Denkmal für die jüdischen Opfer der NS-Zeit oder eine Gedenkktafel, die auf die einstige Synagoge hinweist, fand sich in Obermoschel lange Zeit nicht. Im Jahre 2006 wurde dann ein Mahnmal nahe der evangelischen Kirche eingeweiht, das vom Portal der ehemaligen Synagoge umrahmt wird.

  Teil des Portals (Aufn. Stadt Obermoschel)

Am ehemaligen Synagogengebäude befindet sich eine Tafel mit dem Text:

Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Obermoschel, 1841 erbaut.

Am 9. November 1938 wurde sie im Verlauf der Reichspogromnacht geschändet und als Gebetshaus nichtmehr genutzt,

1975 verkauft und zum Wohnhaus umgebaut.

Nach dem Pogrom von 1938 war das Synagogengebäude in kommunalen Besitz übergegangen; zwischen 1940 und 1945 hatte es als Unterkunft für französische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Osteuropa gedient. Kurz nach dem Kriege wurde das Grundstück an die Jüdische Gemeinde der Rheinpfalz übertragen, die ihrerseits das Gebäude zu Beginn der 1970er Jahre an Privatleute veräußerte; es wurde nun zu einem Wohnhaus umgebaut.

Auf dem Areal des jüdischen Friedhofs sind heute noch ca. 70 Grabsteine vorhanden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20324/Obermoschel%20Friedhof%20183.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20259/Obermoschel%20Friedhof%20188.jpg

Jüdischer Friedhof in Obermoschel (links: Aufn. M. Ohmsen, 2012  -  rechts: Aufn. J. Hahn, 2010)

 

 

 

In Odernheim am Glan - heute zur Verbandsgemeinde Nahe-Glan gehörig - war eine kleine jüdische Synagaogengemeinde bis um 1900 existent; ihre Wurzeln reichen bis ins beginnende 18.Jahrhundert zurück. Bereits zu Beginn des 15.Jahrhunderts hatte der Landesherr Ruprecht III. der Stadt Odernheim die Aufnahme von Juden gestattet. Im Laufe des 16./17.Jahrhunderts sind dann einzelne jüdische Bewohner urkundlich nachweisbar.

                    Odernheim - Stich 17.Jahrh. (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Ab 1833 gab es am Ort ein kleines Synagogengebäude, das eine seit dem 18.Jahrhundert bestehende Betstube (in einem der Privathäuser) ablöste; möglicherweise war auch ein rituelles Bad vorhanden.

Erhielten die jüdischen Kinder zunächst von einem im Dorf ansässigen „Schulmeister“ Privatunterricht, suchten sie ab Mitte des 19.Jahrhunderts die Religionsschule in Staudernheim auf.

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Meisenheim beerdigt. Nach 1898 soll in Odernheim ein Begräbnisplatz angelegt worden sein, auf dem dann aber keine Beerdigungen stattgefunden haben.

Juden in Odernheim am Glan:

--- 1720 ........................  2 jüdische Familien,

--- 1768 ........................  8     “        “   ,

--- 1771 .................... ca. 50 Juden (ca. 7% d. Bevölk.),

--- 1789 ........................ 19   "  ,

--- 1804 ........................ 25   “  ,

--- 1825 ........................ 24   “  ,

--- 1848 ......................... 7 jüdische Familien,

--- 1898 ......................... 3     “        “   ,

--- 1900 ......................... 6 Juden,

--- 1924 ......................... 4 jüdische Familien,

--- 1938 ......................... eine  “       “  (n).

Angaben aus: Andreas Ott, Zur Geschichte der Jüdischen Gemeinde, online abrufbar unter: odernheimer-geschichte.de/Geschichte-Odernheim/

Die im Dorf lebenden Familien mosaischen Glaubens bestritten ihren Lebensunterhalt zumeist mit Viehhandel verdienten. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts waren nur noch drei Familien im Dorf ansässig. Nachdem das Synagogengebäude in Folge eines Schadensfeuers 1898 stark beschädigt worden war, suchten die wenigen Familien der sich auflösenden Gemeinde die Synagoge in Staudernheim auf, obwohl sie offiziell der jüdischen Gemeinde in Obermoschel zugewiesen worden waren.

In den 1930er Jahren lebte nur noch eine einzige jüdische Familie in Odernheim; diese wurde im Okt. 1940 nach Gurs deportiert.

Von den in Odernheim am Glan gebürtigen bzw. länger hier wohnhaft gewesenen Juden sind acht Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/odernheim_glan_synagoge.htm)

In der Hintergasse erinnern seit 2021 fünf sog. „Stolpersteine“ an jüdische Opfer der NS-Gewaltherrschaft.

Stolperstein Odernheim am Glan Hintergasse 19 Ludwig MaierStolperstein Odernheim am Glan Hintergasse 19 Herta MaierStolperstein Odernheim am Glan Hintergasse 19 Johanna Maier Stolperstein Odernheim am Glan Hintergasse 19 Anna NeuStolperstein Odernheim am Glan Hintergasse 19 Werner Ferdinand Neu Aufn. Gmbo, 2022, aus: wikipedia.org, CCO

 

 

 

Weitere Informationen:

Heinz-Eugen Rösch, Auf den Spuren jüdischer Vergangenheit in der Nordpfalz, Hrg. Nordpfälzischer Geschichtsverein, Heft 44 (1964), S. 69 ff.

Dirk Melzer, Die Reichskristallnacht in Alsenz und Obermoschel - Versuch einer Rekonstruktion, Facharbeit Geschichte Gymnasium Bad Kreuznach, 1987/88

Nordpfälzer Geschichtsverein (Hrg.), Jüdisches Leben in der Nordpfalz - Dokumentation, Verlag F.Arbogast, Otterbach 1992, S. 40/41 und 173/74

Bernhard Kukatzki, Zur Geschichte der Juden in Obermoschel, in: 650 Jahre Stadt Obermoschel. 1349 - 1999, Hrg. Stadt Obermoschel, 1999, S. 102 – 144

Michael Tilly, Vernunft und Mystik im deutschen Judentum im frühen 19.Jahrhundert. Das religiöse Leben der Obermoscheler Juden im Spiegel hebräischer u. aramäischer Textfunde, in: 650 Jahre Stadt Obermoschel 1349 - 1999, Hrg. Stadt Obermoschel, 1999, S. 145 - 156

R. Blättermann/M.Molitor/M.Strehlen, Der jüdische Friedhof in Obermoschel, in: 650 Jahre Stadt Obermoschel. 1349 - 1999, Hrg. Stadt Obermoschel, 1999, S. 157 - 169

Bernhard Kukatzki, Juden in Obermoschel - Spuren ihrer Geschichte 1349 - 1940, Landau/Pfalz 1999

Bernhard Kukatzki, “Der soll die Krenk kriegen, der sich um einen Juden wehren will !” - Zur Geschichte der Juden in Obermoschel, in: Rainer Schlundt/u.a., 650 Jahre Stadt Obermoschel, Obermoschel 1999, S. 102 - 144

Michael Tilly, Die Textfunde aus der ehemaligen Synagoge von Obermoschel als Zeugnisse jüdischer Frömmigkeit im frühen 19. Jahrhundert, in: "SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", 10.Jg., Ausgabe 1/2000, Heft Nr. 18, S. 5 - 27

Obermoschel, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Bild- u. Textbeiträgen zur jüdischen Ortshistorie)

Odernheim a. Glan, in: alemannia-judaica.de

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 294 - 296

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 130/131 (Obermoschel) und S. 132/133 (Odernheim a. Glan)

Rainer Schlundt, Die Steine der Synagoge reden wieder. Zur Geschichte und Botschaft eiens Mahnmals, online abrufbar unter: obermoschel.de

Andreas Ott (Red.), Zur Geschichte der Jüdischen Gemeinde, online abrufbar, in: Arbeitskreis Odernheimer Geschichte(n) unter: odernheimer-geschichte.de/Geschichte-Odernheim/

Andreas Ott, 500 Jahre jüdisches Leben in Odernheim am Glan - Dokumentation einer Spurensuche, Rediroma Verlag, Remscheid 2018

Arno Mohr (Red.), Spuren jüdischen Lebens in Obermoschel. Rundgang anlässlich Gurs-Gedenken, in: „Wochenblatt“ vom 27.10.2020

Auflistung der in Odernheim/Glan verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Odernheim_am_Glan