Puderbach (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Neuwied/Rhein (Rheinland-Pfalz)Bildergebnis für landkreis neuwied ortsdienst karte Puderbach ist eine Ortsgemeinde im Landkreis Neuwied mit derzeit ca. 2.400 Einwohnern – ca. 25 Kilometer nordöstlich von Neuwied gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, Puderbach am rechten oberen Kartenrand, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Neuwied' ohne Eintrag von Puderbach, aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/neuwied).

 

Ab dem 15.Jahrhundert sollen sich vereinzelt Juden in den kleinen Ortschaften um Puderbach aufgehalten bzw. dort zeitweise niedergelassen haben. In der Mitte des 19.Jahrhunderts gegründeten jüdischen Gemeinde Puderbach waren auch die Juden der Orte Niederwambach, Rodenbach, Oberdreis und Lauzert eingebunden; allerdings war die Zugehörigkeit zu einem Synagogenbezirk nicht eindeutig geregelt; so wurde die Puderbacher Judenschaft - es waren zumeist sehr arme Familien - zeitweilig zur Synagogengemeinde Neuwied gezählt. Den offiziellen Status einer Kultusgemeinde erhielten die Puderbacher Juden erst relativ spät, nämlich 1910/1911. In Puderbach gab es um 1850 zwei Betstuben in Privathäusern; im Keller eines dieser Häuser war eine Mikwe vorhanden. Wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg errichtete die israelitische Gemeinde einen Synagogenneubau in der Barentoner Straße; zu diesem Zeitpunkt gehörten auch die Juden aus Niederwambach der Gemeinde an.

   Synagoge in Puderbach - Ansichtskarte zur Einweihung 1911 (aus: wikipedia.org, CCO)

Über die Einweihung berichtete das „Israelitische Familienblatt" in seiner Ausgabe vom 10. August 1911: "Puderbach, Westerwald. (Synagogen-Einweihung). Am 4. und 5. ds. Mts. fand hier die Einweihung der neuen Synagoge statt. Die Feier begann mit der Abholung der Thorarollen aus der alten Synagoge am Freitag Nachmittag. Ein imposanter Festzug bewegte sich von hier nach der neuen Synagoge. Voran schritt die Musikkapelle, dann folgte eine Dame, die den prächtigen Schlüssel zu dem neuerbauten Gotteshaus auf einem seidenen Kissen trug. Von den Gemeindeältesten wurden die Thorarollen getragen. Zu beiden Seiten gingen je 3 weißgekleidete Damen, die Kränze trugen, und daran schlossen sich die übrigen Festteilnehmer. Eine große Anzahl von Teilnehmern und Zuschauern auch anderer Bekenntnisse aus Puderbach selbst und den umliegenden Ortschaften waren herbeigeeilt. Im Vorhofe der Synagoge hielt der Zug. Nachdem der Schlüssel unter einer Ansprache in poetischer Form dem diensttuenden Lehrer, Herrn Ginsberg, Dierdorf, übergeben worden war, öffnete dieser die Pforte des Gotteshauses und man begab sich ins Innere, wo alles im festlichen Glanze strahlte. Es begann dann der Einweihungsakt. Nachdem der Chor einige Lieder gesungen hatte, hielt Herr Lehrer Ginsberg eine tiefempfundene und eindrucksvolle Festrede unter Zugrundelegung des Textwortes Chronik 16, V. 10-14: 'Rühmet seinen heiligen Namen. Es freue sich das Herz derer, die den Ewigen suchen' usw. und schloß mit einem besonderen Gebete für den deutschen Kaiser." 

Religiöse Aufgaben der Gemeinde besorgte eine Zeitlang ein angestellter jüdischer Lehrer; ansonsten kamen Lehrer benachbarter Gemeinden (so aus Dierdorf) zur Unterrichtung der Kinder nach Puderbach.

Ein eigenes Friedhofsgeländes wurde um 1898 angelegt; zuvor waren Verstorbene auf dem Begräbnisareal in Dierdorf beerdigt worden.

Juden in Puderbach:

          --- um 1770 .......................  3 jüdische Familien,

    --- 1817 .......................... 22 Juden,

    --- 1843 .......................... 71   “  ,

    --- 1852 .......................... 78   “   (in 14 Familien),*    * gesamte Gemeinde

    --- 1862 .......................... 36   “  ,

    --- 1890 .......................... 20   “  ,

    --- 1924 .......................... 45   “  ,

    --- um 1930 ....................... 65   “  ,*

                ................... ca. 40   “  ,

    --- 1941 .......................... 13   “  ,

    --- 1942 (Dez.) ................... keine.

Angaben aus: Juden im Umland von Puderbach, in: Vom Holzbach zur Wied - Geschichte ..., S. 135

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20465/Puderbach%20Israelit%20Famblatt%2019041117.jpg https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20465/Puderbach%20Israelit%20Famblatt%2019120620.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20465/Puderbach%20Neue%20juedische%20Presse%2019130328.jpg https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20465/Puderbach%20Israelit%20Famblatt%2019340816.jpg

Geschäftsanzeigen jüdischer Gewerbetreibender von 1904, 1912, 1913 und 1934, in: "Israelitisches Familienblatt"

Bereits zu Beginn der NS-Zeit verließ ein Teil der Gemeindemitglieder auf Grund zunehmender Repressalien den Ort.

Die Synagoge in Puderbach wurde während des Novemberpogroms von 1938 von SA/SS-Angehörigen in Brand gesetzt und zerstört, die zusammengestürzte Ruine alsbald abgetragen. Im Laufe des Jahres 1942 wurden die letzten Juden der Puderbacher Gemeinde deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sollen 30 ehemalige Angehörige der jüdischen Kultusgemeinde Puderbach der „Endlösungzum Opfer gefallen sein - davon 15 Personen aus Puderbach, elf aus Oberdreis u. Rodenbach und vier aus Steimel (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/puderbach _synagoge.htm).

Seit 1979 erinnert eine Gedenktafel an der Puderbacher Kirche an die Ereignisse mit folgenden Worten:

Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel

Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes. Psalm 98/3

Zum Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger, die unter der Diktatur in Deutschland 1933 - 1945 grausam umkamen.

(nun folgen zahlreiche Namen und ein siebenarmiger Leuchter)

Puderbacher und Urbacher Synagoge 1938 zerstört.

Und vergib uns unsre Schuld.

Beim Bau der evangelischen Kirche wurden Steine der ehemaligen Synagoge in den Kirchturm eingemauert, der künftig als Mahnmal dienen soll. Am rückwärtigen Sparkassengebäude – am ehemaligen Standort der Synagoge – erinnert seit 2012 eine kleine Inschriftentafel an das jüdische Gotteshaus.

Gedenktafel (Abb. aus: kultur-puderbach.de)

Nach langjährigen kontroversen Diskussionen um die Verlegung von sog. „Stolpersteinen“ hat sich schließlich eine Bürgerinitiative durchgesetzt; die ersten neun Steine wurden im Nov. 2017 an drei Standorten in der Mittelstraße/Hauptstraße verlegt. Künftig sollen noch weitere „Stolpersteine“ in die Gehwegpflasterung eingefügt werden.

Stolperstein Puderbach Hauptstraße 23 Seligmann Salomon  Stolperstein Puderbach Mittelstraße 27 Hermann WolfStolperstein Puderbach Mittelstraße 27 Mathilde WolfStolperstein Puderbach Mittelstraße 27 Ilse WolfStolperstein Puderbach Mittelstraße 27 Günter Wolf

einige Stolpersteine - verlegt in der Haupt- und Mittelstraße (Aufn. T., 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Auf dem ca. 2.400 m² großen jüdischen Friedhofsgelände sind noch ca. 50 Grabsteine vorhanden.


Jüdischer Friedhof in Puderbach, Teilansicht und älteste Grabsteine (beide Aufn. Otmar Frühauf, 2010)

 

 

Ansässigkeit dreier jüdischer Familien im Kirchspiel Urbach ist erstmals gegen Mitte des 18.Jahrhunderts nachgewiesen. Die Urbacher Juden gehörten zunächst zur Gemeinde in Puderbach erst um 1810/1815 bildete sich in Urbach eine autonome Gemeinde, zu der die in Raubach, später auch die in Horhausen und Linkenbach lebenden jüdischen Familien zählten. Doch blieb die Zahl der Gemeindeangehörigen stets gering, Mitte der 1920er Jahre waren es ca. 25 Personen. Neben einer um 1910 erbauten Synagoge, die einen bestehenden Betraum ersetzte, war vermutlich auch eine Mikwe vorhanden.

 Synagoge: Rekonstruktionsskizzen von Hans Hoffmann, 2002

Verstorbene wurden auf dem Friedhof in Puderbach beerdigt.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20188/Dierdorf%20Israelit%2011021904.jpgprivate Anzeige von 1904

Im Herbst 1938 lebten nur noch sieben Juden im Kirchspiel Urbach. Beim Pogrom wurde die Synagoge durch ein SS-Kommando aus Puderbach in Brand gesetzt; wenig später erfolgte der Abriss. Zwei von jüdischen Familien bewohnte Häuser waren auch Ziel von Zerstörungen. Neun gebürtige Juden Urbachs wurden Opfer der „Endlösung“; an sie erinnert eine Gedenktafel auf dem hiesigen Friedhof.

[vgl.  Dierdorf (Rheinland-Pfalz)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Ernst Zeiler, Zur Geschichte der Synagoge in Puderbach, in: "‘Heimat. Jahrbuch des Kreises Neuwied 1988", S. 97 - 100

Albert Hardt, Juden im Umland von Puderbach, in: Vom Holzbach zur Wied - Geschichte des Puderbacher Landes, o.O. 1992, S. 131 - 146

Gerhard Ebbinghaus, Die Geschichte der Juden in Urbach/Westerwald, in: "SACHOR - Beiträge zur jüdischen Geschichte in Rheinland-Pfalz", 2/1993, Heft Nr. 5, S. 62 - 72

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 316/317 (Puderbach) und S. 373 (Urbach)

Puderbach, in: alemannia-judaica.de (mit einigen zumeist personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Urbach mit Linkenbach, Raubach und Horhausen, in: alemannia-judaica.de

Manfred Faust (Red.), Der schwere Judenpogrom in Puderbach am 10./11. November 1938, in: "Heimatjahrbuch des Kreises Neuwied 2010"

Manfred Faust (Red.), Die Ausplünderung, Vertreibung, Deportation und Ermordung der Puderbacher Juden 1933 bis 1944, in: "Heimatjahrbuch des Kreises Neuwied 2012"

Wolfgang Tischler (Red.), An die einstige Synagoge in Puderbach erinnert Gedenktafel, in: „NR-Kurier“ vom 18.11.2012

Angela Göbler (Red.), Stolpersteine: Puderbacher Rat sagt Ja, in: „Rhein-Zeitung“ vom 29.9.2016

Angel Göbler (Red.), Puderbach. Nach langer Debatte: Erste Stolpersteine in Puderbach verlegt, in: „Rhein-Zeitung“ vom 21.11.2017

Auflistung der in Puderbach verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Puderbach