Rheinbach (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Rheinbach in SU.svg Rheinbach ist heute eine Stadt mit derzeit ca. 27.000 Einwohnern im Rhein-Sieg-Kreis - ca. 20 Kilometer südwestlich von Bonn entfernt (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Rhein-Sieg-Kreis', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

 

Eine kleine jüdische Gemeinde entstand in Rheinbach vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts; erstmals wird ein Jude allerdings schon 1345 erwähnt; doch schienen sich in den folgenden Jahrhunderten nur sporadisch jüdische Familien im Ort aufgehalten zu haben. Mit dem Anwachsen der Judenschaft im Ort - 1777 lebten zehn jüdische Familien hier - machte sich eine deutliche Ablehnung der Bevölkerung bemerkbar, die eine Schädigung der christlichen Kaufmannschaft befürchtete. Der Stadtrat muss diese Sorgen wohl aufgenommen haben, denn um 1810/1815 hielten sich nur noch drei Juden mit ihren Familien in Rheinbach auf.

Ende des 18.Jahrhunderts wird erstmals eine Synagoge und jüdische Schule in Rheinbach erwähnt; bis 1871 stand der Gemeinde ein Synagogenraum in der Sternengasse, dem Wohngebiet der Juden des Ortes, zur Verfügung. Im folgenden Jahre weiht die jüdische Gemeinde, die seit den 1860er Jahren recht wohlhabend geworden war, ihre neue Synagoge in der Neustraße, heute Schweigelstraße, ein; das Gebäude - mit einer Frauen-Empore - verfügte über ca. 150 Plätze.

                                                     Synagoge in Rheinbach (hist. Aufn. 1938/1939, Stadtarchiv)

In der Nähe der Synagoge befand sich bis 1922 im Obergeschoss eines Wohngebäudes die jüdische Religionsschule.

Der alte jüdische Friedhof an der heutigen Weiherstraße wurde in den 1890er Jahren durch eine neu angelegte Begräbnisstätte ersetzt, die sich an der damaligen Ladestraße befand. Auf dem Gelände wurden auch Verstorbene aus Flerzheim und Oberdrees beerdigt. In der NS-Zeit wurde dieser Friedhof fast völlig zerstört.

Zur Rheinbacher Synagogengemeinde zählten auch die Familien der kleinen Ortschaften der beiden Bürgermeistereien Rheinbach und Ollheim: Flerzheim, Neukirchen, Oberdrees und Wormersdorf.

Juden in Rheinbach:

    --- 1757 ..........................  3 jüdische Familien,

    --- 1764 ..........................  6     “       “    ,

    --- 1777 .......................... 10     “       “    ,

    --- 1813 .......................... 26 Juden,

    --- 1852 .......................... 60   “  ,

    --- 1857 .......................... 52   “  ,

    --- 1866 .......................... 68   “  ,*     * im Kreis Rheinbach: ca. 570 Juden

    --- 1888 .......................... 90   “  ,

    --- 1905 .......................... 91   “  ,

    --- 1933 .......................... 45   “  ,**       ** andere Angabe: 27 Pers.

    --- 1941 ...................... ca. 20   “  ,

    --- 1942 (Dez.) ................... keine.

Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Reg.bez. Köln, S. 543

und                 Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938, Anhang S. 647

 

Zu Beginn der NS-Herrschaft lebten nur noch sehr wenige jüdischen Familien in Rheinbach. Trotzdem wurde auch hier am 1.April 1933 der Boykott der jüdischen Geschäfte durchgeführt.

Am 10.November 1938 wurde die Rheinbacher Synagoge von zumeist auswärtigen SA-Angehörigen in Brand gesetzt; das Gebäude brannte im Innern völlig aus, nur die Außenmauern blieben stehen. Auch Privathäuser jüdischer Bewohner wurden verwüstet, der jüdische Friedhof am Bahnhof geschändet und weitestgehend zerstört; dabei wurden die Grabsteine abgeräumt und zweckentfremdet benutzt. Insgesamt gelang noch etwa 30 Rheinbacher Juden ihre Emigration. Im Februar 1942 mussten die ca. 20 verbliebenen jüdischen Bewohner ihren Heimatort verlassen. Sie wurden vorläufig im Benediktinerinnen-Kloster „Zur ewigen Anbetung” untergebracht; zuvor hatte die Gestapo das von etwa 150 Nonnen bewohnte Klostergebäude zwangsgeräumt. Nach einigen Monaten wurden die internierten Juden - via „Durchgangs- und Abfertigungslager“ Köln-Deutz - in zwei Transporten in die Todeslager im besetzten Osteuropa deportiert. Nachweislich wurden mindestens 34 Rheinbacher Juden Opfer des Holocaust.

 

Anfang der 1960er Jahre wurde auf dem ehemalige Synagogengrundstück ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet. Seit 1988 erinnert hier eine Gedenktafel an die einstige Synagoge und die Angehörigen der kleinen Kultusgemeinde; ihr Text lautet:

Von 1872 bis zum 9.November 1938 stand hier die Synagoge der jüdischen Gemeinde.

Sie wurde während der nationalsozialistischen Diktatur durch Rassenhaß zerstört.

Möge diese Tafel erinnern und zu Frieden und Verslöhnung mahnen.

Rheinbach im Jahre 1987.

2002 wurden von Schülern der Glasfachschule entworfene Gedenktafeln der Öffentlichkeit vorgestellt; die satinierten Glastäfelchen mit den Namen der jüdischen Opfer sind als Installation unter dem Titel „Erinnern für die Zukunft“ im Lichthof des Rathauses angebracht.

Aufn. August G. Rumpenhorst, 2013

Nachdem die Kommunalvertretung 2016 mehrheitlich einer Verlegung von sog. "Stolpersteinen" ihre Zustimmung gegeben hatte (lange kontroverse Diskussionen waren dem vorausgegangen), wurden noch im gleichen Jahr in den Straßen Rheinbachs 14 dieser Steine verlegt; zehn weitere folgten ein Jahr danach. Insgesamt sind 36 "Stolpersteine" im Stadtgebiet Rheinbachs verlegt, die an das Schicksal von NS-Opfern erinnern (Stand 2020).

Sozialfonds › SPD-Rheinbach„Stolpersteine“ für Hermann u. Clementine Klaber, Hauptstraße (Aufn. G-U. Geerdts, aus: rheinbach-spd.de)

Die letzten zwölf Stolpersteine wurden 2018 in die Bürgersteige eingelassen, so u.a. sechs Steine in der Kriegerstraße und fünf in der Polligsstraße .

Der noch vorhandene jüdische Friedhof an der ehem. Ladestraße war gegen Ende des 19.Jahrhunderts angelegt worden und hatte ein vorhandenes Begräbnisgelände in der Weiherstraße ersetzt. Auf dem ca. 800 m² großen Friedhofsareal, das bis Anfang der 1930er Jahre benutzt wurde, sind heute nur noch zehn Grabsteine bzw. -relikte vorhanden.

Jüdischer Friedhof (Aufn. R. Hauke, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Wormersdorf - heute ein Ortsteil von Rheinbach – findet man Reste eines jüdischen Friedhofs; dessen Anlage erfolgte vermutlich im 18.Jahrhundert. Das Gelände diente verstorbenen Juden aus Wormersdorf und Ipplendorf bis gegen Ende des 19.Jahrhunderts als „Guter Ort“. Außer wenigen, fast von der Erdoberfläche fast verschwundenen Grabsteinen ist das im Wald liegende Begräbnisgelände nur schwer zu entdecken, da es zunehmend von der Vegetation überdeckt wird.

Friedhof in Wormersdorf (Aufn. R. Hauke, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) Wormersdorf (Rheinbach) Jüdischer Friedhof589.JPG

Seit 2017 findet man auch im Ortsteil Wormersdorf mehrere sog. "Stolpersteine", die an ehemalige jüdische Bewohner erinnern, die Opfer der NS-Herrschaft geworden sind; vier Steine in der Ipplendorfer Straße sind Angehörigen der Familie Weber gewidmet.

 

 

 

Weitere Informationen:

Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ...", Band 12, Verlag L.Schwann, Düsseldorf 1972, S. 177 - 182

Robert Thomas, Jüdische Mitbürger in Rheinbach und Umgebung - Spuren und Daten, Hrg. Stadt Rheinbach, Rheinbach 1983 (Sonderdruck)

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil III: Regierungsbezirk Detmold, J.P.Bachem Verlag, Köln 1998, S. 542 - 545

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 454/455

Corinna Keim, ‘Die Toten werden wieder in ihre Heimat geholt.’ - Stadt Rheinbach stellte die Mahn- und Namenstafeln zum Gedenken an die während der NS-Zeit ermordeten jüdischen Rheinbacher vor, in: "Generalanzeiger" vom 1.3.2002

Horst Mies, Sie waren Nachbarn - Zur Geschichte der Juden in Rheinbach im Dritten Reich, Rheinbach 2002 (2. Aufl., 2008, enthält im Anhang eine von Peter Mohr zusammengestellte Auflistung der jüdischen Bewohner Rheinbachs seit 1848)

Dietmar Pertz/Ingrid Sonnert (Hrg.), Ihre Namen werden bleiben. Dokumentation zur Geschichte der Meckenheimer und Rheinbacher Juden und ihrer Friedhöfe, in: "Zeugnisse jüdischer Kultur im Rhein-Sieg-Kreis", Band 6, Rheinlandia Verlag, Siegburg 2013

Stolpersteine in Rheinbach – Erinnerung an die 36 ermordeten Juden, in: „Bonner Rundschau“ vom 25.8.2016 (Nennung der betroffenen Personen siehe unter: rheinbach.de)

Axel Vogel (Red.), Rheinbach bekommt die ersten Stolpersteine, in: „General-Anzeiger“ vom 22.12.2016

Gerda Saxler-Schmidt (Red.), „Stolpersteine“ auch in Rheinbach: Besonderes Gedenken an ehemalige jüdische Bürger, in: „Blickpunkt“ vom 28.12.2016

Mario Quadt (Red.), Gedenken an jüdische Mitbürger: Stolpersteine in Rheinbach erzählen Familiengeschichten, in: „Generalanzeiger“ vom 21.11.201

art (Red.), Stolpersteine verlegt - “Die Gleichgültigkeit der Passanten brechen”, in: “Blickpunkt” vom 6.12.2017

Auflistung der in Rheinbach verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Rheinbach

Mario Quadt (Red.), Denkmal auf dem Bürgersteig. Stolpersteine erinnern an Rheinbacher Juden, in: “General-Anzeiger” vom 25.5.2018