Rodalben (Rheinland-Pfalz)

Karte Pfälzerwald.pngBildergebnis für landkreis südwestpfalz karte ortsdienst Rodalben ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 6.700 Einwohnern im rheinland-pfälzischen Landkreis Südwestpfalz (Sitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde) – nur wenige Kilometer nördlich von Pirmasens gelegen (topografische Karte 'Pfälzerwald', Lencer 2008, aus: wikivoyage.org/wiki/Pfälzerwald und Kartenskizze 'Südwestpfalz', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/suedwestpfalz).

 

Die ersten jüdischen Familien müssen sich in Rodalben Ende des 18.Jahrhunderts dauerhaft angesiedelt haben; ein erster urkundlicher Hinweis auf die Anwesenheit eines Juden in Rodalben stammt allerdings schon aus dem Jahre 1581. Nachdem 1776 Rodalben zur Grafschaft Baden-Durlach gekommen war, lebten einige Zeit keine Juden mehr am Ort. Um 1800 setzte sich die jüdische Gemeinschaft aus ca. 100 Personen zusammen, wobei mehr als die Hälfte in Petersberg wohnten.

Wann und wo ein erster Synagogenraum eingerichtet wurde, ist nicht bekannt; dieser wurde erstmals 1838 erwähnt. Aus dem gleichen Jahre stammte ein „Lokal-Polizei-Beschluß“ über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Synagoge; u.a. hieß es:

1. An der Synagoge ist während des Gottesdienstes aller Lärm, jedes Versammeln oder Zusammenstellen untersagt.

2. Innerhalb der Synagoge ist alles Schwätzen und jede Störung durch ein lärmendes oder unanständiges Betragen verboten. ...

3. Der einem jeden in der Synagoge bestimmte Platz muß von jedermann ... genau eingehalten werden. Das Hin- und Herlaufen von einem Platz zum andern ist verboten. Überhaupt ist es niemand gestattet, denselben vor völligem Ende des Gottesdienstes zu verlassen, ...

7. Bei religiösen Vorträgen, beim Abhalten des deutschen Gebets für seine Majestät des Königs, beim Segensprechen der Cohanims sowie beim Vorlesen aus der Thora hat ein jeder sich besonders ruhig und geräuschlos zu verhalten. ...

8. Es ist jederzeit nur demjenigen, welcher möglichst reinlich und anständig gekleidet ist, gestattet, die Synagoge zu besuchen. ...

9. Kinder, welche noch nicht die Schule besuchen, dürfen nicht in die Synagoge, weder in die Abteilung für die Männer noch in jene für die Frauen, gebracht werden ...

                                                                                                                                            (Insgesamt enthält die Ordnung 23 Punkte!)

 

Anfang der 1880er Jahre errichtete die jüdische Gemeinde ihren Synagogenneubau; im Keller befand sich eine Mikwe.

Synagoge Rodalben (aus: Landesamt für Denkmalpflege Rh.-Pfalz)

Religiöse Aufgaben der Gemeinde verrichtete ein angestellter Lehrer, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.

                    https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20450/Rodalben%20Israelit%2018990508.jpg aus: "Der Israelit" vom 8.5.1899

Die 1868/1869 eingerichtete einklassige jüdische Elementarschule zog 1883 in ein neues Schulhaus, das zeitgleich mit dem Synagogenneubau errichtet worden war; das bis dato genutzte Gebäude wurde aufgegeben. Diese kleine Elementarschule wurde 1937 - als eine der letzten noch bestehenden jüdischen Schulen in der Pfalz - aufgelöst; jüdische Kinder besuchten ab diesem Zeitpunkt die jüdische Volksschule in Pirmasens.

Ihre Verstorbenen begruben die Rodalber Juden bis Anfang der 1870er Jahre auf dem Begräbnisplatz in Pirmasens; 1875/1876 stellte ihnen die Kommune ein Beerdigungsareal am Klinkenberger Weg zur Verfügung. Dazu hieß es im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 24.6.1875: ... Der Gemeinderath unter heutigem Vorsitz des Bürgermeisters Matheis versammelt, nach Anhörung eines Gutachtens des Königlichen Bezirksarztes von Pirmasens, wornach das der Witwe Helfrich dahier gehörende Ackerstück zur Anlage eines Begräbnisplatzes sich eignet, in Erwägung, daß der vorgenannte Acker die vorgeschriebene Größe besitzt, daß jedoch wegen unmittelbarer Nähe des Waldes wegen leicht möglicher Beschädigungen der Gräber durch Thiere oder Füchse die Umfriedung durch eine Mauer nothwendig erscheinen lassen, beschließt, daß, in Erwägung, daß dieser Acker wohl am Rande des Waldes liegt, die Umfriedung durch einen sog. lebendigen Zaun geschehen solle. ...”

Juden in Rodalben:

    --- um 1780 ...................... keine Juden,

    --- 1802 .........................  100   “   ,*    * incl. Petersberg

    --- 1823 .........................   49   “   ,

    --- 1836 .........................   66   “   ,

    --- 1848 .........................   93   “   (in 19 Familien),

    --- 1875 .........................   90   “   ,

    --- 1900 .........................   80   “   ,

    --- 1936 .........................   64   “   ,

    --- 1937 .........................   51   “   ,

    --- 1938 .........................   39   “   ,

    --- 1940 (Nov.) ..................   keine.   

Angaben aus: Edmund Heringer, Die israelitische Glaubensgemeinschaft - Friedhof als letztes Zeugnis, S. 248

und                 Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ..., S. 189                                                                  

 

Die Rodalber Juden waren überwiegend als Makler, Geldverleiher und Textilhändler tätig; sie betrieben aber auch Viehhandel und das Metzgerhandwerk.

Nach der NS-Machtübernahme 1933 brach sich auch in Rodalben der Antisemitismus Bahn, und das bis dahin recht problemlose Verhältnis zwischen christlicher und jüdischer Bevölkerung verschlechterte sich.

Am 1.4.1933 wurden antisemitische Plakate wie „Kauft nicht bei Juden!” an den wenigen jüdischen Geschäften angebracht. Vor den Geschäften patrouillierten SA-Angehörige, um dieser Aufforderung Nachdruck zu verleihen; doch wurde in der Folgezeit der Boykott nicht immer befolgt. Auf Antrag der NSDAP beschloss der hiesige Gemeinderat im Mai 1933, dass Wohlfahrtsempfänger nicht mehr in „marxistischen und jüdischen Geschäften“ einkaufen durften. Auch Diffamierungen jüdischer Einwohner auf offener Straße gehörten bald zum Alltag in Rodalben.

Der Gemeindevorsteher Siegmund Neuberger verließ mit seiner Familie Rodalben, wie das "Jüdische Gemeindeblatt für das Gebiet der Rheinpfalz" vom 1. Juni 1938 vermeldete:

                           (1938)

In den Novembertage von 1938 drangen auswärtige SA-Angehörige in hiesige jüdische Geschäfte ein, zerschlugen und plünderten deren Einrichtung. Einige jüdische Männer wurden festgenommen und ins KZ Dachau abtransportiert. Die Synagoge in Rodalben wurde allerdings nicht geplündert und auch nicht in Brand gesetzt. Die Kommune erwarb noch 1938 das Synagogengebäude, um dort ein HJ-Heim (!) einzurichten; tatsächlich diente das Haus von nun an als Lagerraum. Mitte März 1945 geriet das Synagogengebäude in Folge von Kriegshandlungen in Brand und wurde völlig zerstört. Noch vor Kriegsbeginn wurden jüdische Bewohner gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen; mehrere jüdische Familien mussten ins „Judenhaus“ – es war das Textilgeschäft Bär - einziehen. Im Oktober 1940 wurden die jüdischen Einwohner Rodalbens ins südfranzösische Gurs deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich 37 gebürtige bzw. längere Zeit in Rodalben ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/rodalben_synagoge.htm).

 

Am Standort der ehemaligen Synagoge und des jüdischen Gemeindehauses an der Hauptstraße informiert eine Plakette.

Gedenkplakette (Abb. J. Hahn, 2006) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2073/Rodalben%20Synagoge%20102.jpg

Das an der Ecke Am Klinkenberger Weg/Mainbrunnenstraße liegende, etwa 1.400 m² große jüdische Begräbnisgelände wurde bis Mitte der 1930er Jahre belegt; es weist derzeit ca. 50 Grabsteine auf.

Rodalben-Judenfriedhof-04-Grabstein.jpgFriedhof in Rodalben (Aufn. J. Hahn, 2006 und Gerd Eichmann, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 Im Jahre 1947 wurde Ludwig Samuel (geb. 1887) für seine Verdienste um die hiesige politische und die jüdische Gemeinde zum Ehrenbürger Rodalbens ernannt.

 

 

 

Weitere Informationen:

Franz-Josef Heyen, Aufklärung, Gleichstellung - Reform und Selbstbestimmung, in: Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 bis 1945, "Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz", Band 4, Koblenz 1974, S. 84 ff. (Synagogenordnung)

Alois Weber, Die israelitische Schule zu Rodalben, in: "Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1978", S. 189 - 192

Edmund Heringer, Die Steine lebendiger Sprache ! Friedhof in Rodalben, in: "Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1978", S. 82 - 85

Edmund Heringer, Die israelitische Glaubensgemeinschaft - Friedhof als letztes Zeugnis, in: Stadt Rodalben (Hrg.), 750 Jahre Gräfensteiner Land 1237 - 1987, Pirmasens 1987, S. 248 f.

Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden, Hrg. Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Neustadt/Weinstraße 1988, S. 188 - 190

Edmund Heringer, Juden in Rodalben - Erinnerungen an unsere Mitbürger, in: "Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1988", S. 43 - 49

Edmund Heringer, 60 Jahre danach: “Die Juden sind weitgehend gute Menschen - doch es sind halt Juden !” Die Reichskristallnacht und ihre Zusammenhänge in Rodalben ..., in: "Gräfensteinbote", 45/1998, S. 15

Michael Schepua, Nationalsozialismus in der pfälzischen Provinz, Palatium Verlag, Mannheim 2000

Rodalben, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 324/325

Thomas Kiefer, Juden in Rodalben und der Pfalz, online abrufbar unter: ludwigsamuel.de

Hans Heinen (Red.), Geschichten jüdischer Einwohner, in: „Die Rheinpfalz“ vom 3.9.2020