Rödelmaier (Unterfranken/Bayern)

Bildergebnis für landkreis rhön grabfeld karte ortsdienst   Datei:Rödelmaier in NES.svg Rödelmaier ist eine kleine Kommune mit kaum 1.000 Einwohnern im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld und Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Bad Neustadt/Saale (Kartenskizzen 'Landkreis Rhön-Grabfeld', aus: ortsdienst.de/bayern/rhoen-grabfeld  und  Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Spätestens seit 1730 ist jüdische Ansässigkeit im Dorf Rödelmaier nachweisbar; zu diesem Zeitpunkt sollen hier nahezu 20 Familien hier gelebt haben. Die hier sich gebildete israelitische Gemeinde existierte bis ins beginnende 20.Jahrhundert; sie besaß eine enge Verbindung zu Eichenhausen. Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) waren für Rödelmaier 30 Familien genannt, die mehrheitlich mit Viehhandel und Schmusen ihren Lebensunterhalt bestritten. Um 1820/1830 stellten die hiesigen Juden einen erheblichen Teil der Dorfbevölkerung; so sollen im Jahre 1832 fast 150 jüdische Bewohner in Rödelmaier gelebt haben.

In der heutigen Schmiedgasse stand die Synagoge, die nach Umbauten eines Privathauses um 1830 hier eingerichtet worden war.

 Innenraum der Synagoge in Rödelmaier (hist. Aufn., Kreisarchiv)

Anm.: Im Hintergrund oben befindet sich hinter dem hölzernen Gitter die Frauenempore. Im Männerbetraum gab es – wie es traditionell üblich war – bewegliche Betpulte statt Bankreihen.

Zur Verrichtung religiös-ritueller Aufgaben hatten die Judenschaften aus Rödelmaier und Eichenhausen seit den 1830er Jahren einen gemeinsamen Religionslehrer

.

aus der Zeitschrift "Der Israelit“  vom 10.Mai 1878 und vom 22.Mai 1890

Ihre Verstorbenen beerdigte die Judenschaft Rödelmaiers auf dem jüdischen Bezirksfriedhof in Kleinbardorf, der zahlreichen Gemeinden der Region als zentrale Begräbnisstätte diente.

Juden in Rödelmaier:

--- 1730 ......................   19 jüdische Familien,

--- um 1800 ............... ca.  100 Juden,

--- 1814 ......................  146   "  (in 39 Familien),

--- 1817 .......................  30 jüdische Familien,

--- 1824 ....................... 164 Juden,

--- 1832 ....................... 169 Juden (in 33 Familien),

--- 1857 .......................  28 jüdische Familien,

--- 1871 .......................  48 Juden,

--- 1895 .......................  16   “  ,

--- 1924 .......................  15   “  ,

--- 1933 .......................   3 Jüdinnen,

--- 1938 .......................   keine.

Angaben aus: Eichenhausen mit Rödelmaier, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, S. 695

 

Infolge von Ab- und Auswanderung ging diese Zahl aber stetig zurück; bereits in der Zeit von 1830 bis Mitte der 1850er Jahre waren 35 aus Rödelmaier stammende Juden nach Übersee ausgewandert.

Um die Abhaltung von Gottesdiensten zu sichern (Minjan!), schlossen sich die Gemeinden Rödelmaier und Eichenhausen dann zusammen (offiziell seit 1905 vereinigt). Seitdem suchten die in Rödelmaier lebenden Juden die Synagoge in Eichenhausen auf; das Synagogengebäude in Rödelmaier wurde alsbald wegen Baufälligkeit abgebrochen.

                                 Marodes Synagogengebäude kurz vor dem Abriss (Kreisarchiv)

Um 1925 zählte die Doppelgemeinde kaum noch 30 Angehörige, davon etwa die Hälfte in Rödelmaier.

Nachweislich sind acht gebürtige bzw. länger im Dorf lebende jüdische Bewohner der „Endlösung“ zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/roedelmaier_synagoge.htm).

 

Der bekannteste Jude Rödelmaiers war Joseph Sachs, der 1816 als Sohn eines Viehhändlers geboren wurde. Zunächst war er in Miltenberg als Religionslehrer u. Kantor tätig. Im Alter von 32 Jahren wanderte er – zusammen mit dem befreundeten Marcus Goldmann - in die USA aus. 1864 erhielt Joseph Sachs die US-Staatsbürgerschaft. Heiraten zwischen den Familien Sachs und Goldman schufen die familiäre Basis für das Bankunternehmen, das als die New Yorker „Investmentbank Goldman/Sachs“ weltweit bekannt wurde. Joseph Sachs starb während eines Kuraufenthaltes in Bad Kissingen (1868).

 

vgl.  Eichenhausen (Unterfranken/Bayern)

 

 

 

Weitere Informationen:

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayerns - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2. Aufl., München 1992, S. 116

Rödelmaier, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie, meist personenbezogen)

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Bad Neustadt a.d.Saale, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 8.Jg., No. 58/1993, S. 27

Marius Wolfrom (Bearb.), Rödelmaier in der Nazizeit, in: "Heimat-Jahrbuch des Landkreises Rhön-Grabfeld", 2004, S. 289 - 324

Hanns Friedrich (Red.), Kleinbardorf/Rödelmaier. Aus Freunden wurden Partner. Erkenntnisse gesichert – Goldman und Sachs lebten in Rhön und Grabfeld, in: „Main-Post“ vom 7.2.2009

Josef Kleinhenz (Red.), Herr Sachs aus Rodelmaier – Lebensdaten vom Vater des Bankengründers erforscht, aus: „Jüdische Allgemeine“ vom 19.2.2009

Lothar Mayer, Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, S. 34 – 37

Elisabeth Böhrer (Bearb.), Die Kultuseinrichtungen der israelitischen Gemeinde Rödelmaier, in: "Heimat-Jahrbuch des Landkreises Rhön-Grabfeld", 39/2017, S. 332 – 334

Gerhard Gronauer/Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Eichenhausen mit Rödelmaier, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 684  - 698