Schmalnau (Hessen)

Datei:Ebersburg in FD.svg Schmalnau - eine von derzeit ca. 1.100 Menschen bewohnte Ortschaft in der Rhön - ist heute ein Ortsteil von Ebersburg im osthessischen Landkreis Fulda – ca. 15 Kilometer südöstlich der Kreisstadt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Schmalnau/Ebersburg, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Fulda', TUBS 2009, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

 

Unter der Herrschaft der Herren von Ebersberg konnten sich in Schmalnau jüdische Familien niederlassen - der Ort war jahrhundertelang fuldaisches Lehen. Bei der Erstellung der Matrikel (1816) sind für Schmalnau acht Familienvorstände aufgelistet, die ihren Lebenserwerb mehrheiltich als Schlachten und Schmuser bestritten.

Die kleine Gemeinde verfügte seit Mitte des 19.Jahrhunderts über ein eigenes Synagogengebäude am Lindeplatz in der Dorfmitte (Thalauer Straße). Neben dem Synagogengebäude befand sich ein Frauenbad.

                                   Ehemalige Synagoge in Schmalnau (Aufn. aus: P. Arnsberg)

Für die umliegenden Dörfer war Schmalnau ab den 1830er Jahren der zentrale Schulort; die hiesige jüdische Schule wurden von den Kindern des Amtsbezirks Weyhers – dazu gehörten Hettenhausen, Lütter, Poppenhausen, Schmalnau und Weyhers – besucht.

Für die Verrichtung religiös-ritueller Belange und für die Unterrichtung der Kinder war von der Gemeinde zeitweise ein Lehrer angestellt. Nach Auflösung der Religionsschule verpflichtete die nun „lehrerlose Gemeinde“ nur an hohen Feiertagen einen Vorbeter (siehe Anzeigen).

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20110/Schmalnau%20Israelit%2025121872.jpg Stellenanzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 25.Dez. 1872

Stellenangebote von 1921/1923    

Die Juden Schmalnaus waren zu einer besonderen Abgabe an die Pfarrgemeinde verpflichtet; der sog. „Judengulden“ wurde noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts gezahlt!

Ihre verstorbenen Gemeindeangehörigen begrub die Schmalnauer Judenschaft in Weyhers, dem zentralen Friedhof des Kreises Gersfeld.

Die kleine jüdische Gemeinde Schmalnau, zu der auch die jüdischen Familien aus Weyhers und zeitweilig auch die aus Hettenhausen zählten, unterstand zunächst dem Distriktrabbinat Gersfeld, ab 1892 dem Provinzialrabbinat Fulda.

Juden in Schmalnau:

    --- 1817 ...........................   27 Juden,

--- 1871 ....................... ca.   70   “    (ca. 10% d. Bevölk.)

--- um 1880/90 .....................   11 jüdische Familien,

    --- 1899 ..........................    90 Juden (in 13 Familien),

    --- 1905 ...........................   59   "   (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1927 ....................... ca.   15 jüdische Familien,

    --- 1933 ....................... ca.   50 Juden,

    --- 1940 ...........................   keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 280

 

Die Schmalnauer Juden lebten vom Handel mit Vieh und Landesprodukten, einige betrieben auch Manufakturwarengeschäfte.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20459/Schmalnau%20Neue%20juedische%20Presse%2019190801.jpg Werbeanzeige (aus: "Neue Jüdische Presse" vom 1.8.1919)

Anfang der 1930er Jahre verließen die allermeisten jüdischen Familien Schmalnau; einige emigrierten, andere verzogen in größere Städte.

Das Synagogengebäude wurde aufgegeben; die Ritualien wurden angeblich vom letzten Gemeindevorsteher vor seiner Emigration nach Palästina teilweise der jüdischen Gemeinde Fulda übergeben, teilweise auch in die Emigration mitgenommen; einige Kultgegenstände sollen auf dem jüdischen Friedhof in Weyhers begraben worden sein.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 22 aus Schmalnau stammende bzw. längere Zeit hier wohnhaft gewesene jüdische Dorfbewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe. alemannia-judaica.de/schmalnau_synagoge.htm).

 

Das einstige Synagogengebäude diente bis in die 1980er Jahre als Feuerwehrgerätehaus; dann wurde es abgerissen. Die Giebelspitze des Hauses ist erhalten geblieben.

  ehem. Giebelaufsatz der Synagoge (Aufn. J. Hahn, 2009)

Eine Gedenktafel, die an die einstigen jüdischen Bewohner erinnert, fehlt bisher. Doch wurde im Kontext der 1000-Jahrfeier Schmalnaus (2011) am ehemaligen Standort der Synagoge an der Thalauer Straße eine Infotafel angebracht.

2023 wurden auf Initiative des Heimatvereins Schmalnaus wurden im Ebersburger Ortsteil insgesamt 16 sog. „Stolpersteine“ zur Erinnerung jüdischer NS-Opfer verlegt. Zu diesem Anlass waren zahlreiche Angehörige aus überseeischen Ländern anwesend.

Aufn. Daniel Kreis, 2023

 

[vgl. Weyhers (Hessen)]

 

 

 

Im nahen Dorf Hettenhausen lebten zu Beginn des 19.Jahrhundert einige jüdische Familien, die dort eine kleine Gemeinde bildeten; um 1860 waren es insgesamt acht Familien. Mitte der 1880er Jahre setzte sich die Gemeinde aus immerhin fast 90 Personen zusammen. Um die Jahrhundertmitte erbaute die hiesige Judenschaft ein kleines Synagogengebäude, das einen in einem Privathaus untergebrachten Betraum ersetzte; fortan mussten Gottesdienste nicht mehr in einem Privathause abgehalten werden. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Weyhers beerdigt. Um 1930 lebten in Hettenhausen nur noch drei jüdische Familien, die seinerzeit der Gemeinde Schmalnau angehörten. Noch vor 1938 wurde das Synagogengebäude abgerissen.

 

 

 

In Lütter – heute ein Ortsteil der Kommune Eichenzell – lebten bis zur Jahrhundertwende nur wenige jüdische Familien. In der Judenmatrikel des Hochstifts Fulda waren acht jüdische Haushalte aufgelistet; sie lebten zumeist in wirtschaftlich ärmlichen Verhältnissen. Ein am Ort Anfang der 1860er Jahre erstelltes kleines Synagogengebäude wurde nur drei Jahrzehnte benutzt; denn Abwanderung der jüdischen Familien aus dem Dorf machten das Gotteshaus überflüssig. Als einziges Relikt jüdischer Anwesenheit in Lütter haben sich Reste eines Ritualbad erhalten.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 279 – 281 und S. 362 - 364

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 185

Gottfried Rehm, Jüdische Religionsschule zu Schmalnau, in: "Buchenblätter – Beilage der Fuldaer Zeitung für Heimatfreunde" vom 27.11.1987 und 1.7.1990

Michael Mott, Zur Geschichte der Juden in Schmalnau, in: "Buchenblätter – Beilage der Fuldaer Zeitung für Heimatfreunde" vom 14.3.1988

Franz Rupprecht, Ehemaliges Judenbad in Lütter, in: "Buchenblätter – Beilage der Fuldaer Zeitung für Heimatfreunde" vom 17.10.1997

Schmalnau mit Poppenhausen und Lütter, in: alemannia-judaica.de (mit diversen personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Hettenhausen, in: alemannia-judaica.de

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 254

Michael Imhoff (Hrg.), Juden in Deutschland und 1000 Jahre Judentum in Fulda, Hrg. Zukunft Bildung Region Fulda e.V., Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, S. 322 – 324 (Hettenhausen), S. 342/343 (Lütter) und S. 354 – 359 (Schmalnau)

Michael Imhof, 400 Jahre Juden in der Rhön, Hrg. Zukunft Bildung Region Fulda e.V., 2017

Michael Imhof, Juden in der Rhön. Jubiläumsausgabe – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, Hrg. Zukunft Bildung Region Fulda e.V., 2021

Leon Weiser (Red.), 16 neue Stolpersteine verlegt: Angehörige aus fernen Ländern kommen nach Osthessen, in: „Fuldaer Zeitung“ vom 17.5.2023

pm (Red.), Ebersburg (Rhön) Zur Erinnerung an jüdische Mitbürger – 16 Stolpersteine zum Gedenken an Nazi-Opfer in Schmalnau verlegt, in: osthessen-news.de vom 18.5.2023 (mit Abb. der Stolpersteine)