Schüttenhofen (Böhmen)

Jüdische Gemeinde - Winterberg (Böhmen) Die westböhmische Ortschaft Schüttenhofen ist das heutige tschechische Sušice mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern - ca. 25 Kilometer südöstlich von Klattau/Klatovy gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Tschechien' mit Sušice/Strakonice rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

 

Aus dem 16.Jahrhundert stammen die ersten Hinweise darauf, dass sich Juden in der Region um Schüttenhofen aufgehalten bzw. angesiedelt haben. Ab der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts nahm die Zahl der in Schüttenhofen lebenden jüdischen Familien zu; sie wohnten (bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts) ghettoartig in etwa 15 Häusern in der „Judenstraße“. Neben einer Reihe von ihnen auferlegten Auflagen war den jüdischen Bewohnern der Zutritt zu ihrem lokalen Ghettobereich nur durch ein bestimmtes Tor der Stadtmauer erlaubt. Der Zutritt zur übrigen Stadt war ihnen während der Gottesdienste verboten.

Ein erster Betraum war bereits um 1660 eingerichtet worden; nach einem Brand wurde dieser 1709 durch einen Neubau ersetzt. 150 Jahre lang fanden sich hier die Juden Schüttenhofens zu Gottesdiensten zusammen; 1857/1859 ließ die auf etwa 300 Mitglieder angewachsene Gemeinde einen Neubau im neoromanischen Stile errichten.

Der alte jüdische Friedhof wurde im 17. Jahrhundert - vermutlich während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges - nahe der Stadtmauer angelegt; mehrmals wurde er erweitert. 1875 fand auf diesem Gelände das letzte Begräbnis statt; danach stand ein neues Friedhofsareal am Stadtrand zur Verfügung.

Juden in Schüttenhofen:

         --- 1625 ...........................  eine jüdische Familie,

    --- um 1655 ........................   15 (männliche)Juden,

    --- um 1700 ........................   10 jüdische Familien,

    --- 1734 ...........................   15      “       “   ,

    --- 1748 ...........................   76 Juden,

    --- 1791 ...........................   14 jüdische Familien,

    --- 1825 ...........................  124 Juden (in 26 Familien),

    --- um 1860 .................... ca.  300 Juden (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1890 ...........................  171   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1930 ...........................  112   “   (ca. 1% d. Bevölk.).

Angaben aus: Ingild Janda-Busl, Auf den Spuren jüdischen Lebens entlang der Böhmisch-Bayrischen Grenze ...

Datei:Königliche Stadt Schüttenhofen.jpg'Königliche Stadt Schüttenhofen' - Aquarell (aus: wikipedia.org, CCO)

 

Bei der Gründung der für Schüttenhofen bedeutenden Zündholzindustrien spielten jüdische Familien eine wichtige Rolle; so besaß die Familie Fürth mehrere Betriebe, deren Produkte europaweit, später sogar weltweit vertrieben wurden.

  

Zündholzfabrik Fürth in Schüttenhofen (hist. Aufn.) und Beispiele ihrer Produkte (Zündholzmuseum Susice)

                                            Anm.:  Die Produktion begann im Jahre 1838 und endete erst in jüngerer Vergangenheit (2008).

Infolge der Abwanderung vieler Juden in größere Städte hatte sich im Laufe der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts die Zahl der hier lebenden Familien deutlich reduziert. Zu Beginn der 1930er Jahre war die jüdische Bevölkerung Schüttenhofens auf etwa 100 Personen zusammengeschmolzen. Die meisten Ortsbewohner mosaischen Glaubens wurden im November 1942 deportiert, zunächst nach Theresienstadt; die meisten kamen später in Auschwitz-Birkenau gewaltsam ums Leben.

 

Nach Kriegsende kehrten nur zehn ehemalige Gemeindeangehörige nach Sušice zurück, eine Gemeinde wurde aber nicht wieder begründet. Das Synagogengebäude - inzwischen im Besitz der Kommune - wurde in den 1960er Jahren abgerissen.

Vom ehemaligen jüdischen Ghetto-Viertel sind keine baulichen Überreste mehr vorhanden; es war bereits 1923 durch einen Großbrand größtenteils zerstört worden.

Das einzige Relikt, das an die jüdische Ortsgeschichte heute noch erinnert, ist - neben einem jüngeren, seit dem ausgehenden 19.Jahrhundert bestehenden Begräbnisgelände - der alte Friedhof, der noch zahlreiche Grabsteine aufweist; der älteste noch lesbare Stein datiert von 1708.

undefinedalte Grabsteine (Aufn. 2017, aus: wikipedia.org CC BY-SA 4.0)

Starý ŽH Sušice 13.jpg

Gräber auf dem alten jüdischen Friedhof in Sušice (Aufn. J. Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

undefined Der seit 1875 bestehende neue jüdische Friedhof weist vor allem stelenartige Grabmale auf (Aufn. Czeva 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Sušice gehört zu den Orten in Tschechien, in denen sog. "Stolpersteine" verlegt wurden, die an jüdische Opfer den Nationalsozialismus erinnern.

Stolperstein für Arnost Fischer.jpgStolperstein für Josefina Fischerova.jpg  Stolperstein für Otto Gutmann.jpgStolperstein für Karolina Gutmannova.jpgStolperstein für Otto Gutmann.jpgStolperstein für Rudolf Gutmann.jpg

Sechs "Stolpersteine", die an zwei Familien erinnern (Aufn. Chr. Michelides, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

vgl. dazu: Hartmanitz (Böhmen)

 

 

 

In Podmok bzw. Podmokl (tsch. Podmokly, derzeit kaum 200 Einw.) - etwa fünf Kilometer östlich von Schüttenhofen/Sušice - sind seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts Juden urkundlich nachweislich. Im Laufe des 18. Jahrhunderts entstand hier - auf den Fluren des bestehenden Gutes der Freiherren von Puteani - ein „Judenviertel“. Das zum Gut gehörige Dorf Podmokl bestand um 1840 nur aus 21 Häusern mit ca. 190 Einwohnern, davon wurden 16 von jüdischen Familien bewohnt.

Bereits um 1725 war etwas außerhalb des kleinen Dorfes ein jüdischer Begräbnisplatz angelegt worden.

Nach der Aufhebung der Patrimonialherrschaften bildete nach 1850 Podmokl mit zwei anderen kleinen Ortschaften (Rok und Zaluš) eine Kommune im Gerichtsbezirk Schüttenhofen. Das „Judenviertel“ bestand zu dieser Zeit aus acht Wohnhäusern, der Synagoge und einer Mikwe. Im ausgehenden 19.Jahrhundert erlosch dann die jüdische Gemeinde; ihre letzten Angehörigen verließen kurz nach 1900 das Dorf. Das Gebäude, in dem sich ehemals die Synagoge befand, hat die Zeiten als Wohnhaus überdauert.

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Jitka Erbenová, 2012)

Vom ehemaligen Friedhof findet man in bewaldeten Gelände noch einige Grabsteine bzw -relikte.

             Jüdischer Friedhof von Podmokly (Aufn. J. Erbenová, 2012) File:ŽH Podmokly 16.jpg 

 

 

 

Im naheliegenden Dorfe Lang(en)dorf, dem heutigen Dlouhá Ves mit derzeit ca. 850 Einw., existierte eine relativ große jüdische Gemeinde, deren Anfänge bereits im ausgehenden 17./beginnenden 18.Jahrhundert lagen. Um 1850 zählte die Gemeinde mehr als 200 Mitglieder (knapp 40 Familien). Der Wohnbereich der Familien befand sich inmitten des Dorfes zwischen Schloss und Kirche. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten ein im klassizistischen Stile errichtetes Synagogengebäude und ein Friedhof. Die ältesten noch vorhandenen Grabsteine datieren aus der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts.

     sehr alte Grabsteine (Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts führte die Abwanderung der jüdischen Bewohner dazu, dass die Gemeinde rapide an Bedeutung verlor; sie besaß 1900 noch etwa 30, 1930 nur noch acht Mitglieder. Der aus dem ersten Viertel des 18.Jahrhunderts stammende Friedhof wurde während des Zweiten Weltkrieges von den Faschisten vollkommen zerstört. Nach Kriegsende brachte man die wenigen noch vorhandenen historischen Grabsteine wieder an ihren angestammten Platz zurück.

 

 

 

Im wenige Kilometer nordöstlich von Schüttenhofen gelegenen Horaschdowitz im Kreis Klattau (tsch. Horažďovice, derzeit ca. 5.500 Einw.) wird die Existenz von Juden seit der Gründung der Ortschaft im 13.Jahrhundert vermutet. Erste urkundliche Belege stammen aber erst aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges; derzeit sollen zehn jüdische Familien hier ansässig gewesen sein, die ihren Lebenserwerb vom Handel mit Landesprodukten bestritten. Mit dem Anschluss von Horaschdowitz an das Eisenbahnnetz Ende des 19.Jahrhunderts wuchs die Zahl der jüdischen Familien deutlich an; diese bildeten - zusammen mit Juden aus den Nachbardörfern - eine Gemeinde; um 1920 gehörten der Gemeinde fast 200 Personen an, 1939 waren es noch ebenso viele. 1942 wurden die hier lebenden jüdischen Bewohner nach Theresienstadt und von hier aus zumeist in die Vernichtungslager deportiert.

Auf dem jüdischen Friedhof - seit Jahren als "geschütztes Kulturdenkmal" eingestuft - befinden sich auch alte Grabsteine, die von einer älteren Begräbnisstätte stammen.

            Taharahaus jüdischer Friedhof Horaschdowitz

                  Blick auf den jüdischen Friedhof (Aufn. Jitka Erbenová, 2012)

Zahlreiche alte Thora-Rollen aus der ehem. Gemeinde von Horaschdowitz, die während des Krieges ins zentrale jüdische Museum nach Prag verbracht worden waren, sind heute in verschiedenen Gemeinden der USA wieder in Nutzung.

In mehreren Verlegeaktionen wurden zahlreiche sog. „Stolpersteine“ in die Gehwege der Straßen von Horažďovice eingelassen, die an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern.

 Stolperstein für Frantiska Löwyova (Horaždovice).jpgStolperstein für Josef Löwy (Horaždovice).jpgStolperstein für Alfred Löwy (Horaždovice).jpgStolperstein für Marketa Löwyova (Horaždovice).jpgStolperstein für Leo Löwy (Horaždovice).jpgStolperstein für Frantisek Löwy (Horaždovice).jpg

Aufn. Christian Michelides, 2018, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

In Wellartitz (tsch. Velhartice, derzeit ca. 800 Einw.) – ca. zehn Kilometer nordwestlich von Schüttenhofen - gab es ehemals eine jüdische Gemeinde. Ihr um 1845 errichtetes Synagogengebäude ist längst profaniert und dient derzeit als Feuerwehrgerätehaus. Nahe der Ortschaft – im Wald bei Kouklovna – erinnert noch ein jüdischer Friedhof mit ca. 60 Grabsteinen an die ehemalige israelitische Gemeinde. Neben den Grabsteinen führt dort eine große steinerne Gedenktafel alle diejenigen auf, die während der Jahre 1939 – 45 gewaltsam ums Leben kamen.

ŽH Velhartice 02.jpg ŽH Velhartice 12.jpg

Jüdischer Friedhof bei Velhartice (Jitka Erbenová, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Etwa zehn Kilometer nordwestlich von Schüttenhofen liegt die Ortschaft Kolinetz (tsch. Kolinec, derzeit ca. 1.500 Einw.), in der es im 19.Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde gab. Davon zeugen noch heute die alte Synagoge und der Gemeindefriedhof, dessen Grabsteine aber nur noch in Relikten vorhanden sind. Erste Hinweise auf die Anwesenheit von Juden in Kolinetz stammen aus der Zeit unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg; um 1725 waren vier Familien hier ansässig. In den 1830er Jahren lebten 16 jüdische Familien im Ort; danach setzte deren Abwanderung ein und die Gemeinde löste sich auf. Um 1930 waren nur noch vier Familien hier ansässig.

Synagoge in Kolinetz - Zeichnung (Abb. aus: kolinec.eu)

Das Synagogengebäude wurde 1931 durch Brand zerstört und die Ruine anschließend abgerissen.

Auf dem in den 1870er Jahren angelegten jüdischen Friedhof – seit 1988 als "Kulturdenkmal" eingestuft – sind heute noch ca. 130 Grabsteine vorhanden.

Jüd. Friedhof Kolinec (Aufn. J. Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Nahe von Schüttenhofen liegt die Ortschaft Rabi (auch Raby, tsch. Rábí, derzeit ca. 500 Einw.), deren Historie eng mit der dort befindlichen Burganlage verknüpft ist. Bereits im 18.Jahrhundert (oder noch früher ?) soll es hier eine jüdische Gemeinschaft gegeben haben. Ein aus den 1840er Jahren stammendes, noch heute vorhandenes Gebäude beherbergte die Synagoge. Das dann bald zu Wohnzwecken genutzte Haus – die Gemeinde hatte sich dann alsbald aufgelöst - ist seit den 1990er Jahren als ein "geschütztes Kulturdenkmal" eingestuft.

 Ehem. Synagoge (Aufn. J. Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der jüdische Friedhof mit seinen oft sehr alten Grabsteinen, die schon teilweise im Boden versunken sind, erinnert an die jüdische Ortsgeschichte.

ŽH Rabí 05.jpgŽH Rabí 13.jpg

Jüdischer Friedhof unterhalb der Burganlage (Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Weitere Informationen:

Kajetan Turek (Bearb.), Schüttenhofen, in: Hugo Gold (Hrg.), Židé a židovské obce v Cechách v minulosti a prítomnosti, Židovské nakladatelství, Brno - Praha 1934, S. 587

Jiří Fiedler, Jewish Sights of Bohemia and Moravia, Prag 1991, S. 97/98 (Kolinetz) und S. 170/171 (Schüttenhofen)

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (), New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol.1, S. 523 und Vol. 3, S. 1266

Ingild Janda-Busl, Auf den Spuren jüdischen Lebens entlang der Böhmisch-Bayrischen Grenze im Bereich des Böhmerwaldes, Maschinenmanuskript, Bamberg 2003, S. 30 - 32

Tina Walzer, Vom Böhmenwald aus in die Welt: Einblicke in die Geschichte der Familie Fürth, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 67/Dez. 2005

Jewish Families from Sušice (Schüttenhofen), Bohemia, Czech republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Su%25C5%25A1ice/12728

The Jewish Community of Dlouha Ves (Altlangendorf), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/dlouha-ves-kasperske-hory-kundratice-prosteredni-kruses

The Jewish Community of Horazdovice (Horaschdowitz), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/horazdovice

Auflstung der in Sušice verlegten Stolpersteine (mit Abb.), online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Stolpersteine_in_the_Plzeňský_kraj