Sommerhausen/Main (Unterfranken/Bayern)

Datei:Sommerhausen in WÜ.svg Sommerhausen SchilderDer Markt Sommerhausen im unterfränkischen Landkreis Würzburg liegt am rechten Mainufer ca. 15 Kilometer südlich von Würzburg; der derzeit ca. 1.900 Einwohner zählende Ort ist Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Eibelstadt (Kartenskizze 'Landkreis Würzburg', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Bereits im 16.Jahrhundert müssen Juden im Dorf gelebt haben; denn in einer 1532 ausgestellten Urkunde werden die beiden Juden „Samvuel vnd Abraham zu Sumerhausen“ genannt.

Weitere vereinzelte Hinweise darauf, dass sich Juden im Dorf aufgehalten bzw. gewohnt haben, stammen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Seit Mitte des 18.Jahrhunderts kann dann von der Existenz einer jüdischen Gemeinde in Sommerhausen ausgegangen werden. Ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte die Gemeinde zu Beginn des 19.Jahrhunderts; laut Matrikel-Regelung (1817) durften damals 19 jüdische Familien am Ort leben.

Mit Erlaubnis des Grafen von Rechteren-Limpurg, dem Schutzherrn der hiesigen jüdischen Familien, konnten die Sommerhäuser Juden Mitte des 18.Jahrhunderts einen Betsaal einrichten, der in einem Haus unweit der mittelalterlichen Stadtmauer sich befand. Neben dem Synagogenraum waren im Gebäude auch das Gemeindehaus mit dem Schulzimmer u. der Lehrerwohnung sowie eine Mikwe im Keller untergebracht. Um 1820 errichtete die Judenschaft ihre neue Synagoge in der Casparigasse; diese ersetzte den 1749 eingerichteten Betsaal. In den 1840er Jahren erfolgten dann Umbau bzw. Ausbaumaßnahmen.

                       Ehem. Synagogengebäude (Aufn. H.W. Büscher, 2005)

Die jüdischen Kinder besuchten die christliche Ortsschule; nur Religionsunterricht wurde von einem von der Gemeinde bezahlten Religionslehrer erteilt, der zugleich das Schächt- und Vorsängeramt inne hatte.

  aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 8.1.1879 u. 27.9.1900 

Anm.: Unter den Lehrern ist Philipp Mandelbaum zu nennen, der seit 1900 in Sommerhausen angestellt war. Von seinem Sohn Hugo (geb. 1901) liegen Lebenserinnerungen und damit auch die Beschreibung jüdischen Lebens in Sommerhausen zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor (siehe Literaturangabe unten).

Neben zahlreichen anderen Gemeinden nutzte auch die Judenschaft Sommerhausens den großen jüdischen Verbandsfriedhof von Allersheim; einige Verstorbene fanden auf dem jüdischen Friedhof in Rödelsee ihre letzte Ruhe.

Die israelitische Gemeinde Sommerhausen unterstand dem Distriktrabbinat Kitzingen.

Juden in Sommerhausen:

    --- 1816 ....................... 105 Juden (ca. 9% d. Dorfbev.),

    --- 1833 ....................... 113   "   (in 24 Familien),

    --- 1848 ....................... 102   "   (in 20 Familien),

    --- 1867 .......................  78   “   (ca. 7% d. Dorfbev.), 

    --- 1884 .......................  15 jüdische Familien,    

--- 1890 .......................  62 Juden (ca. 5% d. Dorfbev.),

    --- 1900 .......................  59   “  ,     

--- 1910 .......................  37   “   (ca. 3% d. Dorfbev.),

    --- 1925 .......................  19   “  ,

    --- 1933 .......................  21   “  ,

    --- 1938 .......................   6   “  ,

    --- 1939 .......................   4   “  ,

    --- 1941 (März) ................  keine.

Angaben aus: Jutta Sporck-Pfitzer, Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg, S. 75

und                 Synagogen-Gedenkband Bayern (Unterfranken), Band III/1, Mehr als Steine ..., S. 803

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8e/Franz_Bunke_W%C3%BCrzburger_Tor_in_Sommerhausen.jpg

Würzburger Tor in Sommerhausen, Gemälde F. Bunke, 1928 (aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

 

Vor allem Weinhandel war die Wirtschaftsgrundlage der meisten jüdischen Familien; zu den wohlhabenden Mitgliedern der Gemeinde gehörten die beiden Weinhändler Moritz Palm und David Buchmann, aber auch Elias Stahl, Besitzer der Eisenwarenhandlung am Ort.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20456/Sommerhausen%20Israelit%2018940402.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20456/Sommerhausen%20Israelit%2018960305.jpg  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20247/Sommerhausen%20FrfIsrFambl%2003081906.jpg

aus: „Der Israelit“ vom 2.4.1894 u. 5.3.1896 und „Frankfurter Israelitisches Familienblatt“ vom 3.6.1906

Seit Mitte des 19.Jahrhunderts ging die Zahl der Gemeindeangehörigen zurück; wegen zunehmender Ab- und Auswanderung konnten bald keine Gottesdienste mehr abgehalten werden. Die Kultusgemeinde in Sommerhausen wurde offiziell im Juli 1938 aufgelöst - zu einer Zeit, als nur noch sechs Juden am Ort lebten.

Obwohl die Synagoge ab Ende der 1920er Jahre nicht mehr zu Gottesdiensten genutzt worden war und bereits anderen Zwecken, u.a. als Getreidelager, gedient hatte, wurden die Fenster des Gebäudes während des Novemberpogroms von 1938 von hiesigen und auswärtigen SA-Angehörigen eingeschlagen. Anschließend verwüstete der Trupp von Juden bewohnte Anwesen. Bei den Zerstörungen soll sich auch eine Menschenmenge von bis zu 100 Personen angeschlossen haben.

Das einstige Synagogengebäude diente während des Krieges als Unterkunft für Zwangsarbeiterinnen, später als Möbellager. Die letzten drei jüdischen Bewohner verließen Anfang 1941 ihren Heimatort

Nach Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." bzw. der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden insgesamt 36 gebürtige bzw. über einen längeren Zeitraum in Sommerhausen/Main ansässig gewesene Personen mosaischen Glaubens Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe:alemannia-judaica.de/sommerhausen_synagoge.htm).

1950 standen vor dem Landgericht Würzburg insgesamt acht ehemalige SA-Angehörige, die an den Gewalttätigkeiten in Sommerhausen am 10.November 1938 beteiligt waren; nur einer von ihnen wurde zu einer kurzen Haftstrafe verurteilt.

 

Das ehemalige Synagogengebäude (Abb. siehe oben) - zunächst Möbellager einer Würzburger Firma - wird seit 1953 von der katholischen Kirchengemeinde genutzt. Eine Gedenktafel an der Mauer des Grundstücks weist auf dessen vormalige Nutzung hin.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20Bayern/Sommerhausen%20Synagoge110.jpg Gedenktafel am ehem. Synagogengebäude (Aufn. H.-W. Büscher, 2005)

             Sommerhausen Sommerhausen Sommerhausen beteiligt sich am Projekt "DenkOrt Deportationen 1941-1944" mit der Erstellung einer Skulptur eines Rucksacks, der der Jüdin Mathilde Landeck gehörte (Aufn. N.N., aus: denkort-deportationen.de); dieses Gepäckstück soll an die Deportation der hiesigen jüdischen Bewohner erinnern (vgl. dazu Würzburg).

In der Casparigasse gibt es außerdem mindestens zwei Häuser, die durch Spuren von Mesusen erkennen lassen, dass hier früher Juden gewohnt haben.

 

 

Im wenige Kilometer nördlich von Sommerhausen gelegenen Eibelstadt existierte von 1583 bis 1654 eine relativ große jüdische Gemeinde; zeitweilig sollen ihr mehr als 30 Familien angehört haben. Im „Judenhof“ des Städtchens (auch 'Turmhof' genannt) befanden sich die Synagoge und eine Mikwe. Noch kurz vor ihrer Vertreibung (1654) legte die Judenschaft oberhalb des Ortes - am Lerchenberg - einen eigenen Friedhof an; zuvor waren Verstorbene in Schwanfeld bzw. in Rödelsee beerdigt worden. Von besonderer Bedeutung im Laufe des 17.Jahrhunderts waren die Rabbiner von Eibelstadt, die auch als Landesrabbiner wirkten, so z.B. der aus Polen stammende stammende Aaron Schmuel und Raw Nathan Jehuda; letzterer war zunächst Landesrabbiner von Ansbach, ab 1625 von Würzburg.

Die zwischen den beiden Schutzherrschaften - den Herren von Pappenheim und dem Würzburger Domprost - über viele Jahre hinweg ausgetragenen Streitigkeiten über den Status der im „Judenhof“ lebenden Familien, entschied schließlich die geistliche Schutzherrschaft für sich. Im Zusammenspiel zwischen ihr und der hiesigen christlichen Bevölkerung wurden Juden zunehmend benachteiligt und bedroht; dabei kam es 1648 zu einer Plünderung der von jüdischen Familien bewohnten Häuser. Bei ihrer Ausweisung bzw. Flucht aus Eibelstadt in ihr neues Domizil Goßmannsdorf nahmen die jüdischen Familien ein um 1610 angelegtes Memorbuch mit und führten es dort weiter. Heute befindet sich das zwischenzeitlich verschollene Memorbuch im Zentralarchiv in Jerusalem.

Vom alten jüdischen Friedhof - östlich von Eibelstadt am Kapellenberg in einem kleinen Waldgebiet, dem sog. „Judenwäldchen“ gelegen - sind heute keine Grabsteine mehr zu finden; nur vier Grenzsteine und ein 1999 aufgestellter Findling (mit Hinweistafel) markieren das ehemalige Begräbnisgelände.

                    http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20235/Eibelstadt%20Friedhof%20173.jpgFelsblock mit Inschriftentafel (Aufn. J. Hahn, 2009)

 

 

 

Weitere Informationen:

Georg Furkel (Bearb.), Sommerhausen in Wort und Bild, Würzburg 1970

Baruch Z.Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 403

Hugo Mandelbaum, Jewish Life in the Village Communities of Southern Germany, Feldheim Publications, Jerusalem 1985 (Lebenserinnerungen)

* geb. 1901, 1939 nach Großbritannien bzw. 1940 in die USA emigriert, 1940-1948 Lehrer und Direktor der Yeshivah Bet Yehuda in Detroit, 1948-1971 Professor für Geologie der Wayne State University in Detroit, Spezialist für Ozeanographie; lebte 1981 im Ruhestand in Jerusalem; starb 1997 in den USA. 

Harm-Hinrich Brandt (Hrg.), Zwischen Schutzherrschaft und Emanzipation, in: "Studien zur Geschichte der mainfränkischen Juden im 19.Jahrhundert", Band 39, Würzburg 1987

Jutta Sporck-Pfitzer, Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg, Hrg. Landkreis Würzburg, Echter-Verlag, Würzburg 1988, S. 74/75

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 51/52 und S. 123

Sommerhausen, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Eibelstadt, in: alemannia-judaica.de

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Eibelstadt, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 16.Jg., No.85/2001, S. 16 f.

Heimatverein Eibelstadt e.V. (Hrg.), Aus der Geschichte der Juden in Eibelstadt, in: "Eibelstädter Heimatbogen", No.13/2003

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 236/237

Axel Töllner/Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Sommerhausen, in: W.Kraus/H.-Chr.Dittscheid/G.Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine ... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1 (Unterfranken), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2015, S. 793 - 805

Frank Breitenstein (Red.), Sommerhausen: Spuren einer jüdischen Landgemeinde, in: BR24 vom 16.12.2021