St. Ludwig (Elsass)

  Die Stadt St. Ludwig (frz. Saint-Louis) mit derzeit ca. 21.000 Einwohnern liegt im Oberelsass - im Dreiländereck Frankreich-Deutschland-Schweiz in unmittelbarer Nähe nordwestlich von Basel (Karte 'Trinationales Ballungsgebiet um Basel', Lencer 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste Ansässigkeit jüdischer Familien erfolgte in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Eine funktionsfähige jüdische Gemeinde bildete sich in St. Ludwig aber erst zu Beginn des 20.Jahrhunderts, als immer mehr jüdische Familien aus zahlreichen umliegenden Dörfern hier ansässig wurden.

Anfänglich suchte man die Gottesdienste in der Synagoge von Hüningen (Huningue) auf (Text siehe unten). Im Jahre 1907 ließ die israelitische Gemeinde in St. Ludwig einen Synagogenbau errichten, der für die immer mehr anwachsende Zahl der Gemeindeangehörigen zum gottesdienstlichen Mittelpunkt wurde.

        

                                          Synagoge in St. Ludwig – Einweihung 1907                                         heutige Ansicht (Aufn. J. Hahn, 2007)

                  Ein Artikel in der Zeitschrift „Der Israelit" vom 14. März 1907 berichtete über die Einweihung:

St. Ludwig, 11. März. Die hiesige Israelitische Gemeinde feierte vergangenen Dienstag die Einweihung ihrer Synagoge. Als Ehrengäste waren erschienen die Herren Ober-Rabbiner J. Weill aus Colmar, Geheimer Regierungsrat Peucer in Vertretung des Bezirkspräsidenten Freiherr von Puttkammer aus Colmar, Polizeipräsident und Kreisdirektor Dr. Dirihoff aus Mülhausen, Rabbiner Schüler, der Vater des hiesigen Herrn Rabbiners, aus Bollweiler, Pastor Birmele, Konsistorialrat Wallach, A. Ginzburger, Vorsteher der israelitischen Gemeinde in Mülhausen, Bezirksrat Jaeck, Bürgermeister in Hegenheim, Kantonal-Polizeikommissar Weinhagen, sowie fast sämtliche Gemeinderäte von St. Ludwig. ... Die Feier begann um 1 Uhr mit dem Festzug, der sich vom Hotel John aus unter Vorantritt einer Musikkapelle, der die Schulkinder folgten, nach der Synagoge bewegte. Dort übergab Herr Regierungsrat Peucer den Schlüssel dem Herrn Oberrabbiner, der die Synagoge öffnete. In der Synagoge empfing der Synagogenchor, ..., die Festversammlung mit dem Vortrag eines Psalms. Nach der Ansprache des Oberrabbiners begrüßte Rabbiner Dr. Schüler die Festversammlung und knüpfte daran an, dass vor 45 Jahren sein Großvater Oberrabbiner Salomon Wolf Klein - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - aus Colmar die Synagoge zu Hüningen, die so viele Jahre auch der hiesigen Gemeinde als Andachtsstätte diente, eingeweiht hat. ... Der Vorsteher der Gemeinde, Herr E. Weill, dankte im Namen derselben allen Behörden und Privaten, die zum Bau der Synagoge beigetragen hatten. Hierauf sprach Herr Rabbiner Dr. Schüler das Kaisergebet. Die verschiedenen Reden und Ansprachen wechselten mit Gesängen ab, die teils vom Herrn Kantor Lehmann, teils von Herrn Kantor Weill aus Altkirch vorgetragen wurden. Kurz nach der offiziellen Feier fand ein Bankett statt, bei welchem der Vorsitzende, Herr E. Weill, das Hoch auf den Kaiser ausbrachte, in das alle Anwesenden begeistert einstimmten. ... Die Synagoge ist ein schöner schlichter Kuppelbau, ...  

                    aus der Zeitschrift: „Der Israelit“ vom 13.Nov.1899

Im Jahre 1907 wurde Saint-Louis der Sitz des Rabbinates, das von Hegenheim hierher verlegt worden war.

aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15.Aug. 1907 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20105/St%20Louis%20Elsass%20Israelit%2015081907.jpg

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem zentralen jüdischen Friedhof in Hegenheim begraben.

   Friedhof in Hegenheimundefined (Aufn. m., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.0)

Juden in St. Ludwig (St. Louis):

       --- 1846 .........................  10 Juden,

    --- 1861 .........................  12   “  ,

    --- 1910 ......................... 173   “  ,

    --- 1936 ......................... 275   “  ,

    --- 1953 .........................  62   “  .

Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 47

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20164/St%20Louis%20Israelit%2011091890.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20164/St%20Louis%20Israelit%2031121900.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20263/St%20Louis%20Israelit%2023051901.jpg

Gewerbliche Anzeigen jüdischer Geschäftsleute aus den Jahren 1890 - 1900 - 1901 (aus: "Der Israelit")

Nach dem Ersten Weltkrieg vergrößerte sich die Gemeinde durch Zuzug von Juden aus Osteuropa. Nach 1933 wurden auch jüdische Flüchtlinge aus Deutschland hier vorübergehend ansässig. Infolge der deutschen Okkupation flüchtete ein Teil der Gemeindeangehörigen in die nahe Schweiz; der andere Teil wurde deportiert und ermordet.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20105/St%20Louis%20Heg%20Fr%2001.jpg Namen auf einem Gedenkstein (auf dem Friedhof in Hegenheim)

Heute ist Saint-Louis Sitz eines Rabbinats, das bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg hier eingerichtet worden war.

Im Jahre 2007 wurde das 100jährige Jubiläum der Synagoge feierlich begangen.

    http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20109/St%20Louis%20Synagogue%20145.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20109/St%20Louis%20Synagogue%20140.jpg

Gäste während der Feierlichkeiten des Synagogen-Jubiläums (Aufn. J. Hahn, 2007)

 

Kreis Altkirch.png In Hüningen (frz. Huningue) haben bereits seit Ende des 17.Jahrhunderts jüdische Familien gelebt. Doch erst nach 1850 konstituierte sich hier eine Gemeinde, die ca. 1860 in einem bereits vorhandenen Gebäude ihre Synagoge einrichtete; deren Einweihung hatte der Oberrabbiner aus Colmar vorgenommen.

Zur Erledigung rituell-religiöser Aufgaben hatte die Gemeinde einen Lehrer angestellt. 

Stellenausschreibung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14.Mai 1900 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20263/Hueningen%20Israelit%2014051900.jpg

Bis Anfang des 20.Jahrhunderts wurde die Synagoge in Hüningen auch von jüdischen Bewohnern aus St. Louis aufgesucht.

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Hegenheim beerdigt.

Juden in Hüningen:

    --- 1846 ......................  20 Juden,

    --- 1861 ...................... 127   “  ,

    --- 1910 .................. ca.  60   “  ,

    --- 1936 ....................... 54   “  .

Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 47

            http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20242/Hueningen%20Israelit%2015071901.jpgGewerbliche Anzeige von 1901

Während der deutschen Okkupation wurde die Synagoge zerstört.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden acht aus Hüningen stammende jüdische Bewohner Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/huningue_synagogue.htm).

 

 

 

Weitere Informationen:

Freddy Raphael/Robert Weyl, Juif en Alsace. Culture, societé, histoire, Toulouse 1977

Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992

Eliane de Thoisy (Hrg.), Le Judaisme Alsacien. Histoire, Patrimoine, Traditions, Straßbourg 1999

M.S. Klein, Huningue, in: judaism.sdv.fr

Edmond Schwob, Saint Louis - La Communauté Israélite de Saint-Louis, son origine, son extension, son avenir, in: sdv.fr/judaisme/synagog/hautrhin

Saint Louis, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Huningue, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)