Staudernheim (Rheinland-Pfalz)

Kreis Meisenheim.jpgBildergebnis für Kreis bad Kreuznach ortsdienst Karte Staudernheim ist heute eine ca. 1.400 Einwohner zählende Ortschaft innerhalb der Verbandsgemeinde (Bad) Sobernheim im Kreis Bad Kreuznach – ca. 20 Kilometer südwestlich der Kreisstadt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte mit Eintrag von Sobernheim, aus: wikipedia.org, Bild-PD-alt  und  Kartenskizze 'Landkreis Bad Kreuznach', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/landkreis-bad-kreuznach).

 

Verlässliche Hinweise auf jüdisches Leben im Dorf Staudernheim liegen erst seit Anfang des 19.Jahrhunderts vor. Möglicherweise haben sich schon im 14.Jahrhundert Juden in Staudernheim aufgehalten, denn der Wildgraf Johann von Dhaun hatte in seinem Herrschaftsbereich Ansiedlungen von Juden erlaubt.

Obwohl die Zahl der Gemeindemitglieder gegen Ende des 19.Jahrhunderts stark zurückgegangen war, entschloss sich die Gemeinde, an ihren Plänen zur Errichtung einer neuen Synagoge festzuhalten; bislang hatte die kleine Gemeinschaft eine Betstube im Oberdorf genutzt, die im Stallgebäude eines Viehhändlers untergebracht war. Erstellt wurde der kleine eingeschossige Synagogenneubau aus behauenen Sandsteinquadern im Jahr 1896 im Ortskern („Am Wolfsgang“); ermöglicht wurde das Gebäude nur mit Hilfe von Spenden eines in die USA ausgewanderten ehemaligen Gemeindemitglieds.

In einem Giebelfeld ist die hebräische Inschrift aus 1.Mos. 28.17 zu lesen: „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und dies ist die Pforte des Himmels.”

                                                                      Synagogengiebel mit Inschrift 

Über die Einweihung berichtete die Zeitschrift „Der Israelit” in ihrer Ausgabe vom 10. August 1896:

Coblenz. Am Freitag den 24. Juli ... fand die Einweihung der neuen Synagoge der kleinen Gemeinde Staudernheim im h. Regierungsbezirk statt. Ist die Einweihung einer Synagoge auch kein Ereigniß mehr, das weitere Kreise interessieren dürfte, so dürfte die kurze Schilderung dieser Einweihung, schon der damit verbundenen Umstände wegen, einen bescheidenen Raum in Ihrem geschätzten Blatt beanspruchen.

St. (audernheim) ist eine aus vielleicht 10 Familien bestehende isr. Gemeinde, der ihr bisher gemiethetes Betzimmer nicht mehr genügte und legten sich daher diese wenigen Mitglieder die pekuniären Opfer auf, für den Neubau eines würdigen Gotteshauses die Geldmittel aufzubringen und an obergesamtem Tage hatten sie die sechiah (Gewinn, Lohn), ihr rastloses Streben von dem erhofften Erfolg gekrönt zu sehen und ihren Einzug in das Beit Haknesset (Synagoge) halten zu können. Nach einem um 5 Uhr in der alten Synagoge abgehaltenen Abschiedsgottesdienste, ordnete sich ein imposanter Festzug nach dem neuen Gotteshause, der sich durch die von den am Fest theilnehmenden christlichen Mitbürger geschmückten Straßen bewegte. Mit Vergnügen nahmen wir Kenntniß von der allgemeinen Theilnahme an diesem Feste, das sich dadurch zu einem allgemeinen für den ganzen Ort gestaltete, was gerade in unserer Zeit ein wirklicher Kiddusch Haschem (Anm.: Heiligung des Namen Gottes) genannt zu werden verdient. Den Weiheakt, der außer den üblichen Ceremonien in einer gediegenen Festpredigt bestand, vollzog Herr Rabbiner Dr. Tawrogi aus Kreuznach und war der kantorale Teil in die Hände des Herrn Lehrers Berend aus Sobernheim gelegt. Nachdem der genannte Herr Rabbiner am Schabbat Morgen nochmals gepredigt hatte und nach einem Conzerte am Nachmittag und einem Festbankett am Abend, fand die Feier ihren Abschluß und verlief das ganze Fest in einer Einmüthigkeit, die allen Teilnehmern noch lange in großer Erinnerung bleiben wird. - Schreiber dieser Zeilen, ein geborener Staudernheimer verbindet mit dieser Schilderung den Wunsch, dass die Einigkeit in seiner Heimatgemeinde zwischen Christen und Juden immer so bleiben, und dass die Glaubensbrüder dortselbst alles aufbieten mögen, dieses angenehme Verhältniß zu erhalten und zu stärken (und so geschehe der Wille Gottes).                                     Leop. Eichel.

 

Für die Besorgung religiöser Aufgaben innerhalb der Gemeinde war zumeist der jüdische Lehrer aus Sobernheim zuständig. 
Nachdem im benachbarten Odernheim/Glan im Jahre 1898 die dortige Betstube abgebrannt war, suchten die Odernheimer Juden die neue Synagoge in Staudernheim auf; ein beabsichtigter Anschluss der wenigen Juden aus Odernheim an die Gemeinde Staudernheim wurde behördlicherseits aber nicht genehmigt; vielmehr wurden sie der Gemeinde in Obermoschel zugewiesen.

Ein eigener Friedhof wurde vermutlich um 1850 südlich der Ortschaft angelegt, nachdem dort die jüdische Gemeinde ein kleines Stück Land erworben hatte.

Juden in Staudernheim:

    --- 1808 ........................  45 Juden,

    --- 1858 ........................  71   “  ,

    --- 1864 ........................  86   “  ,

    --- 1895 ........................  45   “  (in 10 Familien),

    --- 1925 ........................  17   “  ,

    --- 1933 ........................  21   “  ,

    --- 1939 (Mai) ..................  12   “  ,

    --- 1942 ........................  eine Jüdin.

Angaben aus: Bernhard Kukatzki, Die Staudernheimer Synagoge - ein Projekt des Museumsvereins

 

Die jüdischen Familien in Staudernheim bestritten ihren Lebensunterhalt im Handel mit Vieh und Waren des alltäglichen Bedarfs.

Als 1934 die Staudernheimer Gemeinde keinen Minjam mehr zusammenbringen konnte, schlossen sich die wenigen verbliebenen Gemeindeangehörigen der Kultusgemeinde Sobernheim an.

In der „Kristallnacht“ vom November 1938 verwüsteten Nationalsozialisten die Inneneinrichtung der Synagoge; die Eingangstür wurde eingeschlagen und die Scheiben zertrümmert. Die Kultgegenstände waren bereits vier Jahre zuvor nach Sobernheim gebracht worden. Eine Brandlegung des kleinen Gebäudes unterblieb wegen der angrenzenden Bebauung. 1942 ging das Synagogengebäude in den Besitz der Kommune Staudernheim über. In den folgenden Jahren diente das Gebäude verschiedenen Zwecken.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich zwölf gebürtige bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene jüdische Bürger Staudernheims Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/staudernheim_synagoge.htm).

Nur eine „in Mischehe“ verheiratete Jüdin überlebte die NS-Zeit in ihrem Heimatort.

 

In einem Waldgelände südlich von Staudernheim befindet sich der jüdische Friedhof; Mitte des 19.Jahrhunderts angelegt erfolgte Jahrzehnte später eine Erweiterung der Fläche, die mehr als 1.600 m² ausmacht; auf dem Areal findet man heute ca. 55 Grabsteine.


Teilansichten des jüdischen Friedhofs (Aufn. AK-Bino, 2021, aus: commons.wikimedia-org CC BY-SA 4.0)

Ende der 1980er Jahre gründete sich der „Museumsverein Synagoge Staudernheim e.V.“, der mit Unterstützung des Landesamtes für Denkmalspflege eine Sanierung des ehemaligen Synagogengebäudes vorantrieb; bis 2007 konnte der größte Teil der Rekonstruktionsarbeiten abgeschlossen werden. Das seit 1995 im Besitz des Museumsvereins stehende Gebäude - es wird vor allem für kulturelle Veranstaltungen genutzt - soll künftig auch als musealer Ort an die Geschichte der Juden Staudernheims erinnern.

Synagoge Staudernheim 04.jpgEhem. Synagogengebäude (Aufn. AK-Bino 2021, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Zur Erinnerung an die jüdischen Bürger Staudernheims, die während der NS-Zeit verfolgt und ermordet wurden, war 2014 auf Initiative des Museumsvereins vor deren früheren Wohnhäusern (Hauptstraße und Brunnenstraße) eine Verlegung von insgesamt neun sog. „Stolpersteinen“ erfolgt.

Stolpersteine für Adolf und Berta Jonas, Foto: Michael Bürger verlegt in der Brunnenstraße (Aufn.M. Bürger, aus: Museumsverein Synagoge Staudernheim).

 

 

 

Weitere Informationen:

Kreisverwaltung Bad Kreuznach (Hrg.), Die jüdischen Synagogen im Landkreis Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 1988, S. 43/44

Marion Unger, Querelen beseitigt: die ehemalige Synagoge in Staudernheim wird renoviert, in: "Der Weg", 49/1994

Bernhard Kukatzki, Die Staudernheimer Synagoge - ein Projekt des Museumsvereins Synagoge Staudernheim e.V., Landkreis Bad Kreuznach, Schifferstadt 1994

Dokumentation: Jüdische Grabstätten im Kreis Bad Kreuznach. Geschichte und Gestaltung, in: "Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach", Band 28, Bad Kreuznach 1995, S. 457 - 472

Schaufenster” für die Synagoge - Das jüdische Gotteshaus wird aufwendig renoviert, in: “Rhein-Zeitung” vom 6.12.1996

Stefan Fischbach, Zur Inventarisation der Synagogenbauten in Rheinland-Pfalz, in: "SACHOR - Beiträge zur jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", Heft 16 (2/1998), S. 7 f.

Staudernheim wird Musterdorf - Jüdisches Museum in Berlin plant Ausstellung über das Leben der Juden in Deutschland, in: “Rhein-Zeitung” vom 5.10.1999

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 357 – 359

Martina Conrad, Synagoge Staudernheim. Das Gotteshaus mit dem Garagentor, in: swr.de (2005)

Staudernheim, in: alemannia-judaica.de

Museumsverein Synagoge Staudernheim (Hrg.), Die ehemalige Landsynagoge, online abrufbar unter: synagoge-staudernheim.de/

"Stolpersteine in Staudernheim – Ausstellung des Synagogenvereins Synagoge Staudernheim“, in  "Allgemeine Zeitung" vom 22. 2. 2013

Marion Unger (Red.), Stolpern über tragische Schicksale – Erinnerung an Staudernheims Bürger jüdischen Glaubens, hrg. vom Kirchenkreis an Nahe und Lahn, in: nahe-glan.ekir.de (2014)

Wilhelm Meyer (Red.), Synagogenverein kümmert sich um den Erhalt des Gebäudes in Staudernheim, in: „Allgemeine Zeitung – Rhein-Main-Presse“ vom 25.7.2016

Museumsverein Synagoge Staudernheim, Namensangaben und Lage der in Staudernheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: synagoge-staudernheim.de