Strausberg (Brandenburg)

Märkisch-Oderland Karte Strausberg ist eine Stadt mit derzeit ca. 26.000 Einwohnern im Landkreis Märkisch-Oderland - ca. 35 Kilometer östlich von Berlin gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Kreis Märkisch-Oderland', aus: ortsdienst.de/brandenburg/maerkisch-oderland).

 

Bereits im 13.Jahrhundert sollen sich in Strausberg und Umgebung „eine ziemliche Anzahl von Juden“ aufgehalten haben; urkundliche Erwähnung fanden sie in den Jahren 1346 und 1421. Schutzgelder wurden an den Rat der Stadt gezahlt. Wie überall in Brandenburg waren die Juden Strausbergs Reglementierungen unterworfen; wiederholt kam es auch hier zu Verfolgungen und Vertreibungen.

Nachdem der Große Kurfürst nach 1670 jüdische Familien in dem durch den Dreißigjährigen Krieg schwer geschädigten Brandenburg wieder ansiedeln ließ, wurde auch wenige Jahrzehnte später Strausberg wieder von Juden bewohnt. Im Jahre 1692 versuchte der Jude Hirsch Löhser aus Buckow in Strausberg sesshaft zu werden, wobei sich der Magistrat für ihn einsetzte. Doch der Kurfürst lehnte das Gesuch ab, ihm einen Schutzbrief auszustellen. Der erste nachweisbare „Schutzjude“ in Strausberg, Ernst Jacob Löbel, lebte hier mit seiner Familie seit 1708; seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Fell- und Wollhandel. Ihm folgten die Familien der Gebrüder Hirsch und Simon Jeremias nach, die bereits zuvor in Buckow als privilegierte Schutzjuden anerkannt waren. Im Laufe des 18.Jahrhunderts wuchs die Zahl der jüdischen Bewohner Strausbergs kontinuierlich an, war aber im Laufe der Zeit stets überschaubar.

Die 1817 in der Jungfernstraße (nahe dem Müncheberger Tor) errichtete Synagoge war über viele Jahrzehnte gottesdienstlicher Mittelpunkt der Strausberger Gemeinde.

Der jüdische Friedhof von Strausberg lag am Ufer des Straussee; die ältesten Grabsteine stammten aus dem 18.Jahrhundert; das Beerdigungsgelände - ein „sonst für nichts zu gebrauchendes“ Stück Land vor dem Landsberger Tor - war 1717 seitens der Stadt für 18 Taler an die Judenschaft verkauft worden. In dem Kontrakt hieß es: „Zu wissen denen, es zu wissen nötig, daß folgenden unwiderruflichen Kaufkontrakt abgeredet und geschlossen. Nämlich es verkauft hiermit E. E. Rat der Stadt Strausberg mit Konsens des jetzigen Kriegs- und Steuer Commissarii loci Herrn Otto Heinrich Krause ein Stück Freiland 42 ½ Fuß lang und 54 ½ Fuß breit vor dem Landsberger Tor nahe am Galgenberg gelegen, so sonst zu nichts zu gebrauchen gewesen, den sämtliche Juden hierselbst zum Kirchhof auf erb- und eigentümlich [...] für 18 Taler Kaufsumme, welche der Käufer sogleich gezahlet, weshalb die Verkäufer ihnen hierüber [...] quittieren, geben auch hierüber sofort die Possesion und versprechen hiermit und Kraft dieses, sie bei dem jetzt erteilten Privileg zu schützen, weshalb zu mehreren Urkund dieses unter unserem Major Secret ausgefertigt. So geschehen Strausberg, den 25. Februar 1717"

1782 wurde nochmals schriftlich festgehalten, dass die Strausberger Juden einen eigenen Friedhof vor dem Landsberger Tore hätten, „welchen Ort sie seit urdenklichen Zeiten besitzen”. Im Laufe des 19.Jahrhunderts musste das winzige Begräbnisareal noch erweitert werden.

Juden in Strausberg:

         --- um 1720 ...................... ca. 30 Juden,

    --- 1812 ............................. 62   “  ,

    --- 1871 ............................. 44   “  ,

    --- 1905 ............................. 60   “  ,

    --- 1910 ............................. 51   “  ,

    --- 1933 ............................. 69   “  (0,7% d. Bevölk.),

    --- 1939 ............................. 38   “  ,

    --- 1942 (Mai) ....................... keine.

Angaben aus: Jüdisches Leben in Strausberg. Eine Schülerstudie auf Initiative der RAA Strausberg ... , S. 6 f.

Carl Daniel Freydanck Ansicht von Strausberg c1839.jpg

Ansicht von Strausberg um 1840, Gemälde Carl Daniel Freydanck (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in der Stadt nahezu 70 Juden. Das Gebiet um die Große Straße war wohl Zentrum jüdischen Lebens in Strausberg, denn die meisten jüdischen Geschäfte waren dort zu finden. So gab es mehrere Kaufhäuser und Bekleidungs- bzw. Textilgeschäfte (Kaufhaus Zeidler, Kaufhaus der Gebr. London, das Textilgeschäft Heymann und ein weiterer Laden für Stoffe).

Während des Novemberpogroms von 1938 wurden die gemeindlichen Einrichtungen - die Synagoge in der Jungfernstraße und z.T. auch der Friedhof am Straussee - von einheimischen fanatisierten Jugendlichen zerstört.

Anm.: Die Reste des Friedhofs wurden in den 1960er Jahren dann im Rahmen einer damaligen FDJ-Aktion „Unsere Stadt soll schöner werden“ völlig eingeebnet; dabei wurden die letzten noch verbliebenen Grabsteine entfernt (auch das Taharahaus wurde abgebrochen) und in den angrenzenden Straussee geworfen; nur Teile einer Mauer blieben noch stehen.

Mindestens 15 jüdische Bewohner Strausbergs wurden deportiert und ermordet; die letzten sieben waren im April 1942 „umgesiedelt“ worden.

 

Seit 1988 erinnert nur eine kleine Tafel an einem Mauerrest des einstigen jüdischen Friedhofs an die frühere Existenz einer jüdischen Gemeinde in Strausberg.

Johanna Wirth - Landschaftsarchitektin - Fichteplatz Strausberg, Davidstein Seit 1997 markiert ein Findling mit einem Davidstern den „Guten Ort“ (Aufn. Johanna Wirth).

Von der ehemaligen Synagoge ist keinerlei Bausubstanz erhalten; auf dem Gelände befinden sich heute Wohnbauten aus den 1950/1960er Jahren. Am 70.Jahrestag der Pogromnacht wurde an der Stadtmauer in Erinnerung an die hiesige Synagoge und die jüdischen NS-Opfer eine Gedenktafel mit der folgenden Inschrift angebracht:

Unweit dieses Ortes befand sich seit dem Jahr 1817 die Synagoge der jüdischen Gemeinde.

Sie wurde am 09. November 1938 verwüstet.

Diese Schuld nicht zu vergessen, mahnen die Bürgerinnen und Bürger Strausbergs.

 

Mit der Verlegung von bisher 15 sog. "Stolpersteinen" hat sich auch Strausberg am Projekt von Gunter Demnig beteiligt (Stand 2023).

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/90/Stolperstein_f%C3%BCr_Frieda_Fass_%28Strausberg%29.jpg/1024px-Stolperstein_f%C3%BCr_Frieda_Fass_%28Strausberg%29.jpgStolperstein für Jettchen Fass (Strausberg).jpg Stolperstein für Berta Blasbalg (Strausberg).jpgStolperstein für Käthe Jachmann (Strausberg).jpg Stolperstein für Artur London (Strausberg).jpgStolperstein für Charlotte London (Strausberg).jpg

verlegt in der Großen Straße (Aufn. Chr. Michelides, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

In Altlandsberg - westlich von Strausberg gelegen - gab es eine kleine israelitische Gemeinschaft, deren Anfänge vermutlich im 18.Jahrhundert liegen. Verstorbene wurden anfänglich auf dem jüdischen Friedhof in Strausberg begraben; 1818 legte man einen eigenen Begräbnisplatz am Ort an, auf dem auch Bernauer Juden begraben wurden. Um 1930 soll ein neues Beerdigungsgelände geschaffen worden sein. Während in Altlandsberg relativ wenige Juden lebten, war deren Anzahl in den zur Synagogengemeinde gehörenden Dörfern bedeutend größer; 1933 setzte sich die Gemeinde aus insgesamt etwa 200 Personen zusammen; davon lebten aber nur 15 in Altlandsberg. Während der NS-Zeit und danach war das ältere Friedhofsareal geschändet und die Grabsteine zum Wegebau zweckentfremdet worden.

http://heimatverein.altlandsberg.de/uploads/images/geschichte/juedischer%20Friedof/Juedischer%20Friedhof%20alt%202.jpg Ehem. Friedhofsgelände (Aufn. Heimatverein Altlandsberg e.V.)

In der Altstadt ist heute am ehemaligen Haus der Familie Borkowsky eine kleine Gedenktafel angebracht, die die Worte trägt: „In diesem Haus befand sich bis 1938 der Synagogenraum der jüdischen Gemeinde Altlandsberg.“ 2010 wurde mit der Verlegung von sog. „Stolpersteinen“ begonnen.

Stolperstein für Egon Borkowsky (Altlandsberg).jpgStolperstein für Frieda Borkowsky (Altlandsberg).jpgStolperstein für Günter Borkowsky (Altlandsberg).jpg  Aufn. Chr. Michelides, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

In Bad Buckow und Müncheberg - östlich von Strausberg gelegen - lebten ebenfalls jüdische Familien. Während sich die kleine jüdische Gemeinschaft in Buckow schon im 19.Jahrhundert gänzlich auflöste, waren im nahen Müncheberg jüdische Familien bis in die NS-Zeit ansässig.

Erste Erwähnungen über Juden in Müncheberg gehen auf das Jahr 1353 zurück. 1735 erhielt Jakob Elias als Schutzjude die Erlaubnis sich hier anzusiedeln. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchs die jüdische Einwohnerschaft auf etwa 40 Personen an. 1840 schlossen sich die Juden aus Müncheberg, Buckow, Neu–Hardenberg, Neu–Trebbin, Gusow und Platkow zu einer Gemeinde zusammen; 1857 erreichte die Zahl der jüdischen Gemeindeangehörigen Münchebergs ihren Zenit mit ca. 80 Personen, bis 1930 sank dann die Zahl auf 34.

Gottesdienste fanden abwechselnd an den verschiedenen Orten statt. 1856 wurde in der Hinterstraße die Synagoge eingeweiht; sie wurde in den Novembertagen 1938 zerstört.

Einziges sichtbares Zeugnis jüdischer Anwesenheit in Müncheberg ist der israelitische Friedhof am Eggersdorfer Weg mit ca. 60 Grabsteinen, die während der Jahre nach 1760 bis 1932 aufgestellt wurden. Der Friedhof wurde in den 1990er Jahren mehrfach geschändet.

 

 

 

Im brandenburgischen Schöneiche – im Osten von Berlin bzw. südwestlich von Strausberg gelegen - erinnern mehrere sog. „Stolpersteine“ an ehemalige jüdische Bewohner, die der NS-Herrschaft zum Opfer gefallen sind. In mehreren Verlegeaktionen wurden hier - beginnend im Jahre 2006 - mehr als 20 messingfarbene Steinquader in die Gehwegpflasterung eingelassen.

Stolperstein für Ida Peters (cropped).jpgStolperstein für Adolf Peters (cropped).jpgStolperstein für Siegfried Kroner (cropped).jpgStolperstein für Frieda Kroner (cropped).jpgStolperstein für Kaspar Studinski (cropped).jpgStolperstein für Jenny Studinski (cropped).jpg

verlegt in der Geschwister-Scholl-Straße, Platanenstraße und Eichenstraße (Aufn. M.Cyron, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In der amtsfreien Gemeinde Neuenhagen – im Landkreis Märkisch-Oderland ca. 15 Kilometer südwestlich von Strausberg – sind mehrere „Stolpersteine“ verlegt, die zumeist an jüdische NS-Opfer erinnern.

Stolperstein für Herbert Smilowski (Neuenhagen bei Berlin).jpgStolperstein für Erna Smilowski (Neuenhagen bei Berlin).jpgStolperstein für Ernst Smilowski (Neuenhagen bei Berlin).jpgStolperstein für Julius Julin Smilowski (Neuenhagen bei Berlin).jpgStolperstein für Egon Smilowski (Neuenhagen bei Berlin).jpgStolperstein für Johanna Smilowski (Neuenhagen bei Berlin).jpg

verlegt für Angehörige der Familie Smilowski vor dem Rathaus (Aufn. Chr. Michelides, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

In Herzfelde (Ortsteil der Gemeinde Rüdersdorf) – ca. 15 Kilometer südlich von Strausberg – erinnern mehrere „Stolpersteine“ an das Schicksal der jüdischen Familie Herrmann sowie an Anna u. Moritz Reissner.

In Rüdersdorf sind in der Strausberger Straße zwei Steine ins Gehwegpflaster eingelassen, die die Erinnerung an Karoline und Max Jakobsthal wach halten sollen.

    Stolperstein für Karoline Jakobsthal (Rüdersdorf bei Berlin).jpgStolperstein für Max Jakobsthal (Rüdersdorf bei Berlin).jpg Aufn. Chr. Michelides, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

Weitere Informationen:

Werner Heise, Die Juden in der Mark Brandenburg, Berlin 1932

Germania Judaica, Band II/2, Tübingen 1968, S. 808

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 223/224 und S. 628/629

R. Illing, Die Juden der Stadt Müncheberg. Magisterarbeit, Freie Universität Berlin 1995

Juden in Strausberg, in: Interkulturelle Beiträge 18. Lokalhistorische Studien zu 1945 in Brandenburg, hrg. von der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule, Brandenburg 1996

Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation II, Hrg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1999, S. 355/356

Klaus Esterluß, Juden in Strausberg - Nutzung historischer Quellen im Bezug auf Juden in Brandenburg (Hausarbeit), Universität Potsdam , Philosophische Fakultät I, 1999

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 34

Wolfgang Weißleder, Der Gute Ort - Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, hrg. vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam e.V., Potsdam 2002, S. 68

Die ersten Juden in Strausberg, online abrufbar unter: strausberg-live.de

Jüdisches Leben in Strausberg. Eine Schülerstudie auf Initiative der RAA Strausberg unter Verwendung der Forschungsergebnisse der Arbeitsgemeinschaft “Spurensuche - Juden in Strausberg”, Hrg. Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA), Strausberg 2003 (unter Mitarbeit von Edda Weiß/Berlin)

Der jüdische Friedhof Strausberg, online abrufbar unter: juedische-friedhoefe.info/friedhoefe-nach-regionen/brandenburg/strausberg

Jan Schwab (Red.), Auf der Suche nach dem Jüdischen Friedhof in Strausberg, online abrufbar unter: amadeu-antonio-stiftung.de

Jüdisches Leben in der Stadt Müncheberg, online abrufbar unter: mybrandenburg.net

Auflistung der in Strausberg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Strausberg

Auflistung der in Altlandsberg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Altlandsberg

Auflistung der in Schöneiche verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Schöneiche_bei_Berlin

Auflistung der Stolpersteine in Neuenhagen, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Neuenhagen_bei_Berlin

Jens Sell (Red.), Wurzeln jüdischen Lebens in Strausberg ausgegraben, in: „MOZ – Märkische Oder-Zeitung“ vom 5.11.2020

Gabriele Rataj (Red.), Stolpersteine in Herzfelde verlegt – Namenlose erhalten wieder ein Gesicht, in: „MOZ – Märkische Oder-Zeitung“ vom 10.5.2021

Lennox Doernbrack (Red.), Stolpersteine verlegt – das besondere Schicksal von Familie Reissner, in: „MOZ – Märkische Oder-Zeitung“ vom 10.10.2022 (betr. Stolpersteine in Herzfelde)

Uwe Spranger/Stadt Strausberg (Red.), Stolperstein wird verlegt vor dem Haus Große Straße 61, in: strausberg-live.de (Febr. 2023)