Sulz/Vorarlberg (Österreich)

Datei:Karte A Vlbg FK.svg Sulz ist heute eine ca. 2.500 Einwohner zählende Kommune im Bezirk Feldkirch - im äußersten Westen der Republik Österreich (zwischen Götzis und Feldberg) gelegen (Kartenskizze von Vorarlberg mit Bez. Feldkirch dunkel markiert, A. 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Von 1676 bis 1744 war Sulz ein bedeutender Wohnsitz jüdischer Familien in Vor­arlberg.

Ende der 1670er Jahre entstand - nach Hohenems - in Sulz eine zweite jüdische Gemeinde in Vorarlberg; ihre Gründer waren wenige wohlhabende Juden, die etwa ein Jahrzehnt zuvor aus der reichsunabhängigen Grafschaft Hohenems ausgewiesen worden waren. Die meisten aus Hohenems Vertriebenen - es waren wenig begüterte Familien - kehrten allerdings bald wieder in die Obhut des Hohenemser Grafen zurück und wurden gegen Zahlung eines jährlichen Schutzgeldes von 24 Gulden pro Familie (zunächst befristet auf zehn Jahre) wieder aufgenommen. Nur die wohlhabenderen Familien, die von der österreichischen Administration toleriert wurden, wohnten weiterhin in Sulz.

Die ersten beiden sich um 1665 in Sulz niedergelassenen Familien waren die des Josle Levi und des Mayer Moos. Ihre durch den Erzherzog Sigmund Franz ausgestellte Aufenthaltserlaubnis (für zwei Jahre) wurde durch Zahlung eines Schutzgeldes erlangt. Um 1680 sollen in Sulz knapp 70 Bewohner jüdischen Glaubens sich aufgehalten haben. Die kleine Sulzer jüdische Gemeinde besaß bald ein blühendes kulturelles und religiöses Leben; so wurde u.a. um 1740 eine Synagoge eingerichtet.  Verstorbene begruben die Sulzer Juden auf dem gemeinsamen Friedhof in Hohenems.

Ihre wirtschaftliche Stärke verdankte die Judenschaft auch ihren Handelsbeziehungen, die über Zwischenhändler bis nach Augsburg reichten; überhaupt unterhielten die Sulzer Juden einen regen Handel, der sich über relativ weite Distanzen erstreckte. Doch stets musste sich die jüdische Gemeinde gegen die Vorarlberger Landstände wehren, die der hiesigen Judenschaft alle möglichen ‚Verbrechen’ wie Krankheiten, Kirchendiebstähle oder auch Teuerungen unterstellten; diesen Angriffen schloss sich auch der Bischof von Chur an, der sogar beim Kaiser intervenierte und den „schädlichen Umgang der christlichen Jugend mit den Juden“ anführte.

Ein Pogrom im Jahre 1744 führte zur Zerstörung jüdischer Behausungen und der Vertreibung seiner Bewohner; sie fanden danach vorübergehendes Asyl im Fürstentum Liechtenstein, ehe sie 1748 in Hohenems aufgenommen wurden. Dieser Pogrom ging in die Geschichte als „der Raubzug von Sulz” ein und hatte ein längeres juristisches Nachspiel; zum einen wurden die vertriebenen Juden durch eine Geldzahlung entschädigt und zum anderen sollten die Rädelsführer - neben Auspeitschung und Zwangsarbeit - Strafe zahlen und anschließend des Landes verwiesen werden. Doch ein Jahr später wurde das Urteil außer Kraft gesetzt.

1750 verfügte die Kaiserin Maria Theresia, dass die Juden „auf ewig aus unseren vorarlbergischen herrschaften abgeschafft und ausgerottet bleiben”. Damit kam sie den Wünschen der Landstände entgegen, die ihrerseits aber die Zahlung der bisherigen Schutzgelder übernehmen mussten. Zugleich war nun Juden verboten, in Vorarlberg Handel zu treiben.

 

An die ehemalige Niederlassung der Juden in Sulz erinnern noch heute die Bezeichnung „Judahus“ und auch verschiedene legendäre Überlieferungen. So heißt es, dass viele Jahre nach ihrer Vertreibung ein Jude in ein Haus gekommen sei und die Bewohner um die Erlaubnis gebeten habe, in den Keller hinabsteigen zu dürfen. Die Bitte wurde ihm gewährt und nach kurzer Zeit kehrte er mit einem Klumpen Gold zurück, der etwa so groß wie ein Kindskopf war. Dieses Gold hatte er zur Zeit der Vertreibung vergraben und nun wieder geholt.

 

 

 

Weitere Informationen:

Karl Heinz Burmeister, Die Juden in Vorarlberg im Mittelalter, in: „Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung“, Jg. 1976

Oswald Nägele (Red.), Juden in Sulz vor 300 Jahren, in: „Vorarlberger Nachrichten“ vom 23.10.1986

Ingrid E. Kopf, Die Geschichte der Juden in Vorarlberg, in: "Das kleine Blatt" (verschiedene Ausgaben aus dem Jahre 1987)

Werner Dreier (Hrg.), Antisemitismus in Vorarlberg. Regionalstudie zur Geschichte einer Weltanschauung, in: "Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs", Band 4/1988, S. 42 - 54

K.H.Burmeister/A.Niederstätter (Bearb.), Dokumente zur Geschichte der Juden in Vorarlberg vom 17. bis 19.Jahrhundert, in: "Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 9", Dornbirn 1988

Karl Heinz Burmeister, Der jüdische Pferdehandel in Hohenems und Sulz im 17. u. 18.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg 3", Wiesbaden 1989

Bernhard Purin, Die Juden von Sulz. Eine jüdische Landgemeinde in Vorarlberg 1676 - 1744, in: "Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs", Heft 9, Bregenz 1991

Vorarlberger Landesarchiv (Hrg.), Landjudentum im Süddeutschen- und Bodenseeraum, in: "Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs", Heft 11, Dornbirn 1992

Karl Heinz Burmeister, Geschichte der Juden in Stadt und Herrschaft Feldkirch, in: "Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft", 31/1993, Feldkirch 1993, S. 97 f.

"... eine ganz kleine Gemeinde, die nur von den Erinnerungen lebt !” - Juden in Hohenems, Katalog des Jüdischen Museums Hohenems, 1996, S. 18 f.

Gerhard Salinger, Jüdische Gemeinden im alpinen Grenzgebiet, in: „DAVID – Jüdische Kulturzeitschrift“, Heft 86, Sept.2010

E.Brugger/M.Keil/A.Lichtblau/Chr.Lind/B.Staudinger, Geschichte der Juden in Österreich, Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2013, S. 245 f. und S. 362 f.