Sulzdorf a. d. Lederhecke (Unterfranken/Bayern)

Lage des Grabfelds: früher war es etwa das Gebiet der Karte im Dreieck Bayern−Hessen−Thüringen, heute nur der hell markierte Bereich im bayerisch-thüringischen GrenzgebietDatei:Sulzdorf an der Lederhecke in NES.svg Sulzdorf an der Lederhecke ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 1.100 Einwohnern im Landkreis Rhön-Grabfeld und gehört der Verwaltungsgemeinschaft Bad Königshofen an – ca. 30 Kilometer westlich von Coburg gelegen (Karte Region Grabfeld ohne Eintrag von Sulzdorf, Lencer 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  Kartenskizze 'Landkreis Rhön-Grabfeld', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In den Jahrzehnten um 1800 stellten jüdische Familien etwa ein Drittel der hiesigen Dorfbevölkerung.

Bereits in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts waren drei jüdische Familien in Sulzdorf ansässig, die an die Freiherren von Guttenberg Schutzgeldzahlungen leisten mussten. Nach 1700 stieg deren Zahl deutlich an und erreichte zu Beginn des 19.Jahrhunderts zeitweilig einen Anteil von etwa 35% der gesamten Dorfbevölkerung. Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren für Sulzdorf 28 Familienvorstände aufgelistet. Die meisten Sulzdorfer Juden verdienten ihren Lebensunterhalt anfänglich im Viehhandel; aber auch Metzgerei und Geldgeschäfte wurden von ihnen betrieben. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts ernährten sich acht jüdische Familien im „ordentlichen Gewerbe und Handwerk“: drei durch Landwirtschaft, drei durch Groß- und Detailhandel, zwei waren „Händler ohne ordentliche Buchführung“ und vier betrieben Hausierhandel. Zuweilen kam es zu Reibereien zwischen christlichen und jüdischen Bewohnern. Den Juden wurde oft vorgeworfen, andere Bewohner in die Armut zu treiben.So beschwerte sich der Dorfälteste von Sulzdorf 1706 : ... Durch ihren verderblichen Handel und ihre sonstige Weise, daß Dorfeinwohner teils derselben in gänzliche Armut geraten, teils ihrer auf solche Weis observieret werden, daß sie Haus und Güter verkaufen und mit dem arg wenig übriggebliebenen sehr wenigen Vermögen sich anderwärts hinbegeben. ...” Die Auseinandersetzungen eskalierten teilweise so sehr, dass die Landesherrschaft eingreifen musste, um Gewalttätigkeiten zwischen den „Parteien“ zu verhindern. Mitte des 18.Jahrhunderts ersetzte die größer gewordene Gemeinde - inzwischen auf mehr als 15 Familien angewachsen - ihren bisherigen Betsaal durch einen Synagogenneubau in der heutigen Sophiengasse.

Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt; nach 1900 war der jüdische Lehrer aus Schweinshaupten für die Erteilung des Religionsunterrichtes zuständig.

       Anzeigen aus: "Der Israelit" von 1892 bzw. 1901

Bis 1833 diente der jüdische Friedhof in Kleinbardorf verstorbenen Sulzdorfer Juden als letzte Ruhestätte; einige Jahre lang wurde auch der Friedhof in Kleinsteinach/b. Haßfurt genutzt. Anfang der 1830er Jahre wurde ein eigenes Friedhofsgelände angelegt; es befand sich weit außerhalb des Dorfes inmitten von Feldern.

Die Gemeinde gehörte zum Distriktrabbinat Burgpreppach.

Juden in Sulzdorf:

    --- um 1695 .....................   3 jüdische Familien,

    --- um 1740 .....................  17     “        “   ,

    --- 1810 ........................ 147 Juden,

    --- 1813 ........................ 151   “  (ca. 34 % d. Dorfbev.),

    --- 1830 ........................ 134   “  ,

    --- 1848 ........................ 103   “  (in 27 Familien),

    --- 1867 ........................  74   "  (ca. 15% d. Dorfbev.),

    --- 1871 ........................  67   “  ,

    --- 1880 ........................  53   “  (ca. 12% d. Dorfbev.),

    --- 1890 ........................  38   "  ,

    --- 1900 ........................  32   “  ,

    --- 1910 ........................  12   “  ,

    --- 1920 ........................  keine.

Angaben aus: Reinhold Albert, Geschichte der Juden im Grabfeld, S. 118

 

Die jüdische Gemeinde in Sulzdorf existierte offiziell bis 1922; bereits zwei Jahre zuvor hatte die letzte jüdische Familie die Ortschaft verlassen. Das Synagogengebäude wurde auf Abbruch verkauft; der alte Thoraschrein ging in den Besitz der Gemeinde von Königshofen über. Während des Novemberpogroms von 1938 wurde der Schrein zusammen mit der Inneneinrichtung der Königshofener Synagoge zerstört. Das einstige Schulgebäude war ebenfalls veräußert und alsbald abgerissen worden.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden zehn aus Sulzdorf stammende bzw. längere Zeit im Ort wohnhaft gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/sulzdorf_synagoge.htm).

 

Als einziger baulicher Überrest der ehemals relativ großen jüdischen Gemeinde in Sulzdorf existiert heute noch der Friedhof mit etwa 90 Grabsteinen.


Jüdischer Friedhof in Sulzdorf a.d. Lederhecke (links: Aufn. J. Hahn, 2007  -  rechts: Aufn. S., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 406/407

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2. Aufl., München 1992, S. 124/125

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Sulzdorf, in: "Der Landesverband der Israel. Kultusgemeinden in Bayern", 8.Jg., No. 57/1993, S. 15

Reinhold Albert, Chronik der Gemeinde Sulzdort a.d.L., Band 1, hrg. von Gemeinde Sulzdorf a.d.Lederhecke, Hildburghausen 1994, S. 78 - 80

Reinhold Albert, Geschichte der Juden im Grabfeld, in: "Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V.", Heft 2, Kleineibstadt 1996, S. 82/83 und S. 110

Sulzdorf an der Lederhecke, in: alemannia-judaica.de

Sulzdorf a.d.L. - 92 Grabsteine im Judenfriedhof - Dokumentation über die Geschichte der Juden in Sulzfeld vorgelegt, in: "Main-Post" (Ausgabe Bad Königshofen) vom 24.10. 2008

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 185

Lothar Mayer, Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, S. 180 − 183 

Reinhold Albert, Jüdische Friedhöfe im Landkreis Rhön-Grabfeld, in: "Schriftenreihe der Kulturagentur des Landkreises Rhön-Grabfeld", Heft 1/2015