Sülze (Mecklenburg-Vorpommern)

Datei:Bad Sülze in VR.svg5662 Bad Sülze ist eine mecklenburgische Landstadt im Land… | FlickrBad Sülze mit derzeit ca. 1.700 Einwohnern ist eine kleine mecklenburgische Landstadt im Amt Recknitz-Trebeltal; der seit 1927 anerkannte Kurort liegt südwestlich von Stralsund im Landkreis Vorpommern-Rügen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Vorpommern-Rügen' mit Bad Sülze rot eingefärbt, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Als erster in Sülze ansässiger Jude ist ein Mann namens Israel Joseph zu nennen, der laut einer herzoglichen Steuerliste von 1760 ein Privileg für Sülze erhalten und dafür jährlich 12 Reichtaler zu entrichten hatte.

Da im Ort nur unzureichende wirtschaftliche Perspektiven vorhanden waren, war die Zahl der jüdischen Familien auf nur wenige begrenzt. Deshalb wurden von herzoglicher Seite auch die zu vergebenden Schutzbriefe für Sülze stark limitiert. Auch die Stadt wehrte sich – bis ins beginnende 19.Jahrhundert - gegen jeden weiteren Zuzug von Juden.

Nach 1800 setzte sich die Sülzer Judenschaft aus sieben Familien zusammen, die dann im Laufe des 19.Jahrhunderts den Stamm der Gemeinde darstellten. Gegen Mitte des Jahrhunderts erreichte die Kultusgemeinde mit nahezu 70 Personen ihren höchsten Stand.

Erste Hinweise auf ein jüdisches Gotteshaus stammen aus dem Jahr 1819; mit dem Ankauf eines Stall/Werkstattgebäudes wurde dann eine kleine Synagoge (mit Schulraum) eingerichtet. 1846 erhielt die Gemeinde eine landesherrlich verordnete Gemeindeordnung, die sowohl innergemeindliche Regelungen wie auch die zum Magistrat der Stadt bestehende enthielt.

Die kleine Sülzer Gemeinde hat während ihres Bestehens zahlreiche Religionslehrer besessen, die zumeist auch gleichzeitig Kantoren und Schächter waren. Frühester bekannter Lehrer und Schächter in Sülze war von 1816 bis 1819 ein gewisser Nathan Levy aus Dargun. Im Laufe des 19.Jahrhunderts war die Besetzung der nur unzureichend besoldeten Stelle einem häufigem Wechsel unterworfen. Letzter bekannter Religionslehrer in Sülze war von 1885 bis 1892 Lehrer Franke aus Tessin.

Der jüdische Friedhof in Sülze soll bereits vor 1765 in der Flur "Am Schindanger" angelegt worden sein. Möglicherweise sollen die Stralsunder Juden ihre Verstorbenen – in Ermangelung eines eigenen Friedhofs - von 1760 bis 1776 auf dem Friedhof in Sülze bestattet haben. Ob 1860 ein neues Begräbnisgelände geschaffen oder das bereits bestehende vergrößert wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Juden in (Bad) Sülze:

--- 1780 .........................  6 jüdische Familien,

--- um 1800 ......................  7    “         “   ,

--- um 1825 ......................  9    “         “   ,

--- um 1845 .................. ca. 70 Juden,

--- um 1860 .................. ca. 30   “  ,

--- 1912 .........................  2 jüdische Familien,

--- 1935 .........................  2    “         “   .

Angaben aus: Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges Leben in Bad Sülze, aus: juden-in-mecklenburg.de

                            Ak Bad Sülze in Mecklenburg Vorpommern, Holzbrücke, Anwohner Postkarte aus dem Solbad Sülze, um 1910 (Abb. aus: akpool.de)

 

Auf Grund des Rückgangs der Zahl der jüdischen Gemeindeangehörigen und der damit verbundenen noch schwieriger werdenden finanziellen Verhältnisse der ohnehin schon recht armen jüdischen Gemeinde war man auf Spenden angewiesen, um den Friedhof und die Synagoge im gemeindlichen Eigentum zu halten.

Um die Gemeinde finanziell noch am Leben zu erhalten, wurden einige zum Besitz der Gemeinde gehörende Gebrauchsgegenstände 1887 öffentlich versteigert; der Erlös der Auktion brachte gerade einmal etwa 100 RM in die Gemeindekasse.

Doch schon ein Jahrzehnt später musste die Synagoge wegen Baufälligkeit abgerissen und das dazugehörige Grundstück veräußert werden. Trotz der angespannten finanziellen Lage kam es jedoch noch nicht zu einer Gemeindeauflösung. Diese erfolgte erst im Jahre 1914 – zu einem Zeitpunkt, zu dem nur noch eine einzige jüdische Familie (Aaron Levy) in Sülze lebte. Durch Zuzug der aus Polen stammenden jüdischen Familie Zeller kam noch später (?) eine weitere hinzu.

Bis in die 1930er Jahre lebten auch die beiden Söhne von Aaron Levy im Ort. Während der eine mit seiner christlichen Ehefrau 1938 in die Niederlande emigrierte (später von hier deportiert und ermordet), ist das Schicksal des anderen unbekannt.

Ob der jüdische Friedhof während der Zeit des Nationalsozialismus geschändet (oder teilzerstört) wurde, ist nicht bekannt. 1945 soll er in einem verwahrlosten Zustand gewesen sein; das Areal wurde später verkauft und überbaut. Die letzten Reste des jüdischen Begräbnisplatzes wurden in den 1970er Jahren im Vorfeld einer öffentlichen Baumaßnahme beseitigt.

 

 

 

Weitere Informationen:

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994

Wilfried Steinmüller (Bearb.), Sülze (Bad), online abrufbar unter: ortschroniken-mv.de

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges Leben in Bad Sülze, in: Die Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 15.2.2017 (online abrufbar unter: juden-in-mecklenburg.de - mit ins Detail gehenden historischen Informationen)

Michael Buddrus/Sigrid Fritzlar, Juden in Mecklenburg 1845-1945, Lebenswege und Schicksale. Ein Gedenkbuch, Band 1, S. 183 - 185, Schwerin 2019

NDR Radio & TV, Zeitreise: Jüdisches Leben in Bad Sülze und der DDR, in: „NDR – Nordmagazin“ vom 2.5.2021

Susanne C. Meyer (Hrg.), „Levy. Eine Familie aus Bad Sülze“ - Jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern, Katalog zur Ausstellung, Kultur- u. Heimatverein Bad Sülze e.V., 2021 (Wanderausstellung 2021/2022)

Sebastian Moldt (Red.), Ausstellung – Levy. Eine Familie aus Bad Sülze. hrg. vom Schwaaner Kulturförderverein e.V. vom 26.4.2022

Christian Jäger (Red.), Ausstellung zeigt das Schicksal der jüdischen Familie Levy, in: „SVZ - Schweriner Volkszeitung“ vom 19.5.2022

N.N. (Red.), Bad Sülze: Was aus dem Levy-Haus werden soll, in: „Ostsee-Zeitung“ vom 26.9.2023