Trittenheim/Mosel (Rheinland-Pfalz)

Datei:Schweich in TR.svg  Jüdische Gemeinde - Schweich/Mosel (Rheinland-Pfalz)Trittenheim ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 1.000 Einwohnern an der mittleren Mosel im Landkreis Trier-Saarburg; sie gehört der Verbandsgemeinde Schweich an (Kartenskizzen 'Landkreis Trier-Saarburg' mit Verbandsgemeinde Schweich rot markiert, Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/trier-saarburg).

 

Erste Spuren jüdischen Lebens im Moseldorf Trittenheim lassen sich im beginnenden 18.Jahrhundert nachweisen („ ... es ist auch Ein Judt zu Trittenheim nahmens Hirtz”). Im Laufe dieses Jahrhunderts bildete sich eine Gemeinde, die zwar zu den größeren des Erzoberstifts Trier zählte, doch insgesamt - was die Zahl ihrer Mitglieder angeht - stets recht klein blieb. Wie viele Trittenheimer Familien lebten auch die wenigen jüdischen Familien im kleinen Moselort in wirtschaftlicher Not, wie ein Bittschreiben des Ortspfarrers aus den 1830er Jahren verdeutlicht:

„ ... wenigstens 50 Familien: vier Juden Familien mitgerechnet: unseres circa 190 Häuser starken Ortes, ... sich theils schon vier, theils drei oder zwei Monate ohne Brot, Kartoffeln und jedes andere Nahrungsmittel (befinden), und haben weder Geld, noch Credit, um sich durch Ankauf etwas verschaffen zu können ...”

Trotz der misslichen ökonomischen Lage hielten die Juden Trittenheims an den Planungen eines Synagogenneubaus fest; nach Ankauf einer Parzelle außerhalb des dörflichen Areals wurde 1856 mit dem Bau begonnen. Ein Jahr später weihte die kleine Gemeinde ihre neue Synagoge am Ausgang der Brückenstraße (Olkstraße) ein und gab den bisherig genutzten Betsaal in einem Privathause in der Moselstraße auf.

                 Über die feierliche Einweihung der neu erbauten Synagoge in Trittenheim berichtete die „Trier’sche Zeitung” am 10.März 1857:

Trittenheim, an der Mosel, 1.März. An den beiden letztverflossenen Tagen waren wir Zeuge einer schönen Festlichkeit. Die von der hiesigen israelitischen Gemeinde mit großen Opfern neuerbaute Synagoge erhielt ihre Weihe. Dem feierlichen Umzuge aus der alten in die neue Synagoge hatten sich, außer vielen Glaubensverwandten aus der Nähe und Ferne, auch zahlreiche Angehörige anderer Confessionen in brüderlicher Theilnahme angeschlossen. An der Pforte der neuen Synagoge überreichte ein Mädchen in gemüthvoller Ansprache dem Herrn Oberrabbiner auf seidenem Kissen den Schlüssel. Der Herr Oberrabbiner machte hierbei die Ueberschrift der Synagogenthüre: ‘Gotteshaus zum Gebete für Alle’, zu einer ergreifenden Anrede an die Versammelten. Die würdevollen Festreden desselben an beiden Tagen überzeugten, daß auch die jüdische Religion die erhabensten Lehren über Gott, die Bestimmung des Menschen und dessen Pflichten gegen den Nebenmenschen, ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses, enthalten Die ganze Feierlichkeit machte den besten Eindruck auf die Anwesenden und wird dazu beigetragen haben, die mitunter gegen das Judenthum noch bestehenden Vorurtheile zu beseitigen. Einen anerkennenswerthen Zug bewährte die hiesige christliche Bevölkerung, indem sie die zahlreich herbeigeströmten fremden Israeliten in zuvorkommender Weise bei sich aufnahm.

Anm.: Dieser Artikel wurde auch in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" am 20. April 1857 zitiert.

   Synagogen Bildmitte - Ausschnitt aus Postkarte von 1907 (Abb. Chr. Schmitt, Calw)

In der lokalen Pfarrchronik findet sich auch u.a. der Eintrag von der Einweihung der Synagoge; so heißt es es: im März dieses Jahres [...] die im vorigen Jahr erbaute Synagoge unter Zuströmen vieler auswärtiger Juden von dem Oberrabbiner Kahn in Trier eingeweiht worden ... Die Kinder Israels haben bei dieser Gelegenheit viel Brüstung und Aufwand gezeigt, wacker gezecht und getanzt."

Über dem Eingang der neuen Synagoge stand auf Hebräisch die Inschrift: „Denn mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker.”

Entgegen der Intention des obigen Zeitungsartikels ("Trier'sche Zeitung" von 1857) schien sich in Trittenheim in den 1880er Jahren eine antijüdische Stimmung Bahn gebrochen zu haben; denn laut einem Visitationsbericht des Oberrabbiners Dr. Hollander im Juni 1880 soll sich die christliche Bevölkerung Trittenheims durch ihr „intolerantes Benehmen“ hervorgetan haben. Dr. Hollander schrieb, dass „ es die Pflicht derer (sei), die in Kirche und Schule des Volkes Leiter und Erzieher sind, in die Herzen der Kinder wie der Erwachsenen Religiosität und Nächstenliebe zu pflanzen, damit sie in Kultur und Gesittung fortschreiten und Andersgläubige, die friedlich, ohne Aufsehen zu erregen, ihrem Gotte in ihrer Weise dienen, nicht mit Hohn und Spott überschütten.”

Seit Ende des 19.Jahrhunderts stand den Juden Trittenheims an einem Moselhang - weit außerhalb des Ortes - ein eigenes, kleines Bestattungsareal zur Verfügung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Verstorbene auf umliegenden jüdischen Friedhöfen, wie z.B. in Leiwen und Neumagen-Dhron, ihre letzte Ruhe gefunden.

Juden in Trittenheim:

         --- um 1715 ........................  2 jüdische Familien,

    --- 1787 ...........................  5     “       “   ,

    --- 1808 ........................... 46 Juden,

    --- 1833 ........................... 44   “  ,

    --- 1843 ........................... 52   “  ,

    --- 1865 ........................... 65   “  ,

    --- 1895 ........................... 54   “  ,

    --- 1925/27 ........................ 39   “  ,

    --- 1933 ........................... 32   “  ,

    --- 1938 ...........................  5   “  ,

    --- 1939 ...........................  keine.

Angaben aus: Christoph Schmitt, Ein ‘Gotteshaus zum Gebet für Alle’ - Die Synagoge der jüdischen Gemeinde T., S. 99 ff.

 

Als 1936 die geringe Zahl der Gemeindemitglieder keinen Minjan mehr zuließ, verkaufte man das Synagogengebäude, das dann zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Aus diesem Grunde blieb es von Zerstörungen während der Novembertage 1938 verschont. Dagegen demolierte der Mob zwei von jüdischen Familien bewohnte Häuser fast vollständig; nachdem die Inneneinrichtung kurz und klein geschlagen worden war, schleppte man die Reste ans Moselufer und verbrannte diese dort.

Aus den Notizen des Ortspfarrers Linden: ... Hier in Trittenheim war es besonders schlimm. Im Hause der Juden Baermann wurden sämtliche Fenster, Türen, Schränke, Tische usw. vollständig zerschlagen, sämtliche Wäsche und Stoffe wurden verschleppt und gestohlen; in der Nacht wurden die Reste der zertrümmerten Möbel an der Mosel unter dem Gejohle des Trittenheimer Gesocks verbrannt. Ähnlich war es in dem 2.jüdischen Hause im Hofe. ... Einige Trittenheimer Christen zeichneten sich besonders aus, deren Namen ich absichtlich verschweigen will. Aber die anständigen Leute werden sie behalten im Gedächtnis und mit Fingern auf sie zeigen, wenn Gott sie heimsucht. ...

Auf dem kleinen, mitten in den Weinbergen liegenden Friedhof fand die letzte Beerdigung Ende 1938 statt. Anfang 1939 lebten im Moselort keine jüdischen Bewohner mehr.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind zehn aus Trittenheim stammende jüdische Bewohner Opfer der NS-Verfolgung geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/trittenheim_synagoge.htm).

 

 

Jüdischer Friedhof in Trittenheim (Aufn. aus: chronik-trittenheim.de und RKoman, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

Auf dem mitten von Weinbergen umgebenen Friedhofsgelände sind heute noch 19 Grabstellen erhalten.

Auf einer dreisprachig abgefassten Informationstafel am Friedhof heißt es:

Judenfriedhof von Trittenheim. Der jüdische Friedhof erinnert an die 200-jährige  Geschichte der Juden in Trittenheim. Etwa eine Generation lang - von 1896 bis 1938 - diente er der jüdischen Gemeinde als Begräbnisstätte. Zuvor waren Angehörige darauf angewiesen, ihre Verstorbenen auf den jüdischen Friedhöfen der umliegenden Gemeinden zu begraben. 19 Grabstellen sind erhalten. Anzeichen der Verwitterung gehen einher mit Spuren antisemitischen Hasses. Entsprechend der jüdischen Tradition weisen die Grabstätten nach Jerusalem.“

 

 

 

Weitere Informationen:

Christoph Schmitt, Spuren einer jüdischen Vergangenheit - Das Beispiel Trittenheim, in: "SACHOR", 6.Jg., Ausgabe 1/1996, Heft 11, S. 26 - 33

Christoph Schmitt, Ein ‘Gotteshaus zum Gebet für Alle’ - Die Synagoge der jüdischen Gemeinde Trittenheim von 1856, in: "Jahrbuch des Kreises Bernkastel-Wittlich 1997", S. 99 - 103

Christoph Schmitt, Ein verwaister ‘Guter Ort’. Trittenheims jüdischer Friedhof 1897 - 1997, in: "Jahrbuch des Kreises Bernkastel-Wittlich 1998", S. 252 - 259

Christoph Schmitt, Erinnerungen an das eigene Fremde. Annäherungen an die Geschichte des Landjudentums in Trittenheim, in: "Jahrbuch des Kreises Bernkastel-Wittlich 2001", S. 166 - 175

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 370/371

Trittenheim, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Aufnahmen vom jüdischen Friedhof)

Kommune Trittenheim (Hrg.), Aus der Chronik von Trittenheim (u.a. jüdischer Friedhof), in: trittenheim.de

Willi Körtels, Die jüdische Schule in der Region Trier, hrg. vom Förderverein Synagoge Könen e.V., 2011, S. 121 - 123