Türkheim (Elsass)

Kreis Colmar.png Das oberelsässische Türkheim (frz. Turckheim) - nur wenige Kilometer westlich von Colmar gelegen - besitzt derzeit ca. 3.800 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Seit Anfang des 14.Jahrhunderts erhielten einige jüdische Familien ein Niederlassungsrecht in der kleinen Reichsstadt Türkheim; etwa ein Jahrhundert später durften sie nur ein einziges Gebäude in der Kleinstadt bewohnen; daneben bestanden weitere Reglementierungen, die ihr Leben hier stark einengten. Die Verfolgungen des Jahres 1477 beendeten vorübergehend die Ansässigkeit von Juden in Türkheim; doch bereits 20 Jahre später bildete sich wieder eine kleine jüdische Gemeinschaft in der Stadt. Gegen Mitte des 16.Jahrhunderts sollen es kaum mehr als fünf jüdische Familien gewesen sein; diese mussten um 1570 ihre Wohnsitze verlassen, durften aber ihre bewegliche Habe mitnehmen.

Im Laufe der Zeit wurden Juden in Türkheim mal geduldet, mal ausgewiesen. Dabei mussten sie sich oft gegen die Anschuldigungen der christlichen Bevölkerung zur Wehr setzen, die ihnen Wucher und Schädigung des Gemeinwohls vorwarf. Doch konnten sich jüdische Bewohner auch auf Dauer in Türkheim halten; als Viehhändler/Metzger und Hausierer bestritten sie ihren oft schmalen Lebenserwerb.

Die Gründung einer neuzeitlichen jüdischen Gemeinde erfolgte im Verlauf der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts. Ein eigenes Synagogengebäude gab es hier nicht; vielmehr war in einem Wohnhaus ein Betraum eingerichtet worden, der bis Anfang des 20. Jahrhunderts genutzt wurde. Danach suchten die Türkheimer Juden die Synagoge in Winzenheim (Wintzenheim) auf.

Im späten Mittelalter wurden verstorbene Türkheimer Juden vermutlich auf dem jüdischen Friedhof in Colmar begraben; später nutzte man den großen Bezirksfriedhof in Jungholtz bzw. ab ca. 1800 dann den Wintzenheimer Friedhof.

Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Wintzenheim.

Juden in Türkheim:

         --- um 1580 ....................    7 jüdische Familien,

    --- 1784 ........................  10     “       “    ,

    --- 1796 ........................  33 Juden,

    --- 1806 ........................  72   “  ,

    --- 1846 ........................  97   “  ,

    --- 1861 ........................ 100   “  ,

    --- 1900 ........................  35   “  ,

    --- 1910 ........................  42   “  ,

    --- 1936 ........................  30   “  .

Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 54

Tuerkheim im Elsass 1900.jpgBlick auf Türkheim, um 1900 (Aufn. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

 

Einer der ersten Manufakturbesitzer im Bezirk war Samuel Borach, der eine Weberei in Türkheim eröffnete.

Ab dem letzten Drittel des 19.Jahrhunderts ließ die Abwanderung der jüdischen Familien aus Türkheim die kleine israelitische Gemeinschaft arg zusammenschrumpfen; Anfang der 1930er Jahre lebten im Ort nur noch wenige Familien, so dass sich die Gemeinde schließlich ganz auflöste. Unter der deutschen Besatzung wurden die wenigen noch verbliebenen jüdischen Bewohner nach Südfrankreich deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem kamen während der NS-Okkupationszeit fünf aus Turckheim stammende jüdische Bürger gewaltsam ums Leben (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/turckheim_synagogue.htm).

 

Das Gebäude, in dem sich der einstige Betraum befand, wird heute als Wohnhaus genutzt.

                                          Gebäude mit ehem. Betraum (Aufn. J. Hahn, 2013) 

 

 

 

Weitere Informationen:

August Scherlen, Geschichte der Stadt Turckheim, o.O. 1925

Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992

Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 1995, S. 1490/1491

Gerd Mentgen, Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß. Forschungen zur Geschichte der Juden, in: "Schriftenreihe der Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte der Juden e.V.", Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1995

Günter Boll, Dokumente zur Geschichte der Juden in Vorderösterreich und im Fürstbistum Basel (1526-1578), in: "Schau-ins-Land - Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins", No. 116/1996, S. 31/32

Freddy Raphael, Eine eigenartige Anwesenheit der Juden im Elsaß. Die Konstruktion eines Vergessens, aus: sdv.fr/judaisme

Ivan Geimar (Bearb.), Histoire des juifs de Turckheim, online abrufbar unter: judaisme.sdvfr/synagog/hautrhin/r-z/turckkei.htm

Turckheim, in: alemannia-judaica.de