Schaafheim (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Pfungstadt (Hessen)Datei:Schaafheim in DA.svg Schaafheim ist eine Kommune mit derzeit ca. 9.300 Einwohnern im äußersten Osten des südhessischen Landkreises Darmstadt-Dieburg - ca. 15 Kilometer südwestlich von Aschaffenburg bzw. östlich von Darmstadt bei Groß-Umstadt (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Schaafheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und Kartenskizze 'Landkreis Darmstadt-Dieburg' mit Schaafheim rot markiert, TUBS 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Einen allerersten Hinweis auf einen Juden in Schaafheim findet sich bereits 1501 im Kirchenbuch der Evang. Gemeinde. Möglicherweise hat sich im Laufe des 16.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinschaft gebildet; denn eine im Jahre 1602 vom Grafen von Hanau ausgestellte Verordnung beinhaltete, dass alle Juden Schaafheim zu verlassen hätten.

                  Cent Bachgaw 1695.jpg"Schaffheim" (Schaafheim) auf einer Karte von ca. 1700 (unterer Kartenrand)

Erst in der Zeit nach Ende des Dreißigjährigen Krieges ist dann erneut ein jüdischer Bewohner im Dorf - seit 1771 war es Hessen-Darmstadt zugehörig - nachweisbar. Ab Mitte des 18.Jahrhunderts sollen dann dauerhaft einige Familien hier ansässig gewesen sein; um 1800 waren es ca. 15 Familien.

Die kleine Gemeinde versammelte sich um 1800 im Hause des damaligen Gemeindevorstehers Feist Sohlinger an der Hauptstraße/Ecke Katzengasse. Seit Anfang der 1840er Jahre verfügte sie dann über einen bescheidenen Betraum in der Spitzengasse.

Anm.: Der Betraum war in einem Doppelhaus untergebracht; der zu Wohnzwecken benutzte andere Gebäudeteil wurde von der Gemeinde an einen Landwirt verkauft; so befand sich nun der Betraum mitten in einem Bauernhof. Ein verbrieftes Wegerecht sicherte den jüdischen Familien den Zugang zur Synagoge zu.

Zwei Mikwen befanden sich in Kellern von Häusern in der Hauptstraße.

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts beschäftigte die Gemeinde einen Lehrer, der neben der religiösen Unterweisung der Kinder auch als Vorbeter/Schochet tätig war. Später hielten „Wanderlehrer“ Religionsunterricht ab; das Vorbeteramt hatten ehrenamtlich Gemeindeangehörige übernommen.

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Babenhausen beerdigt.

Die Gemeinde - zu ihr zählten auch die Juden aus Schlierbach - gehörte zum orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II. 

Juden in Schaafheim:

--- 1708 .............................  4 jüdische Familien,

--- 1772 ............................. 38 Juden,

--- um 1800 ..........................  9 jüdische Familien,

--- 1815 .............................  7     “        “   ,

--- 1828 ............................. 51 Juden,

--- 1861 ............................. 56   “  (ca. 4% d. Bevölk.),

--- 1880 ............................. 32   “  ,

--- 1900 ............................. 31   “  (ca. 2% d. Bevölk.),

--- 1910 ............................. 21   “  ,

--- 1924 ............................. 18   “  ,

--- 1933 ............................. 14   “  .

Angaben aus: Schaafheim, in: alemannia-judaica.de

und                 Wolfgang Roth, Aus dem Gemeindearchiv Schaafheim

 

Mit der nach Mitte des 19.Jahrhunderts einsetzenden Abwanderung in größere Orte des Umlandes reduzierte sich die Zahl der Juden in Schaafheim stetig; Anfang der 1930er Jahre bestand die Gemeinde nur noch aus sechs Familien. Neben Textil- und Manufakturwarenhandel lebten sie vor allem vom Viehhandel.

Bis 1938 hatten alle Familien – außer die des Viehhändlers Nathan Lehmann – das Dorf verlassen.

    https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20388/Schaafheim%20KK%20MZ%20Lehmann%20Nathan.jpg J-Kennkarte von Nathan Lehmann

In den Novembertagen 1938 wurde der kleine Betraum demoliert. Auch das Wohnhaus der Familie Lehmann wurde fast völlig zerstört, die beiden männlichen Familienmitglieder ins KZ Buchenwald verschleppt,

 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20388/Schaafheim%20KK%20MZ%20Kaufmann%20Emilie.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20388/Schaafheim%20KK%20MZ%20Lehmann%20Kaethe.jpg

Zwei J-Kennkarten – ausgestellt 1939/1040 in Frankfurt/M. bzw. Dieburg

Abb. von weiteren J-Kennkarten siehe: alemannia-judaica.de/schaafheim_synagoge.htm

Während ein Teil der Familien in die USA oder nach Holland emigrieren konnte, wurden neun Schaafheimer Juden Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/schaafheim_synagoge.htm). Aus Schlierbach (heute Ortsteil der Kommune Schaafheim) wurden 18 gebürtige jüdische Bewohner Opfer der „Endlösung“.

 

Eine Erinnerungstafel wurde 1998 an der Pfarrhofmauer am Treppenaufgang zur Kirche angebracht; sie enthält die Inschrift:

                                                  ZUM GEDENKEN AN DIE JUDEN VON SCHAAFHEIM, deren Gemeinde seit dem 16. Jahrhundert bestand.                                                                                 Unsere jüdischen Mitbürger wurden in der Nazi-Zeit 1933 - 45 entrechtet, vertrieben, verschleppt und ermordet.   Ihre Synagoge wurde zerstört.                                                            Wir wollen die Erinnerung bewahren.  Zur Mahnung an heutige und kommende Generationen, die Würde und die Rechte aller Menschen jederzeit zu achten und zu verteidigen. Schaafheim, den 9. November 1998. Ev. Kirchengemeinde. Gemeinde Schaafheim. Kath. Kirchengemeinde.

Unmittelbar neben der Gedenktafel steht eine (höchstwahrscheinlich) aus dem ehemaligen Synagogenraum stammende Säule.

Am ehemaligen Standort der Synagoge in der Spitzengasse - das Gebäude wurde 1953 abgebrochen - erinnert eine Hinweistafel mit der Inschrift:

"SYNAGOGE  Im Hof des Anwesens stand von 1841 bis 1938 die Synagoge der jüdischen Einwohner Schaafheims. Es handelte sich um einen schlichten Bau von 5 x 6 Metern Grundriss."

 

In einem Kellergewölbe eines Hauses in der Wilhelm-Leuschner-Straße (früher Hauptstraße) hat sich eine Mikwe erhalten; diese hatte sich im Privathaus von Feist Sohlinger, dem jüdischen Metzger und damaligen Vorsteher der jüdischen Gemeinde, befunden.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 267/268

Thea Altaras, Synagogen in Hessen - was geschah seit 1945 ?, Königstein 1988, S. 134

Thomas Lange, “L’chajim” - Die Geschichte der Juden im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Hrg. Landkreis Darmstadt-Dieburg, 1997

Schaafheim mit Ortsteil Schlierbach (Hessen), in: alemannia-judaica.de (mit diversen Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Wolfgang Roth, Spuren von mehr als 250 Jahren jüdischen Lebens in der Gemeinde Schaafheim, Schaafheim 2007 (mit detaillierten Angaben über jüdische Personen in Schaafheim - online abrufbar)

Werner u. Elisabeth Kreh, „Sie waren Einwohner von Schaafheim“ - Jüdische Mitbürger vor 70 Jahren, Ausstellung in der Alten Kapelle in Schaafheim, 2008

Petra Merkel, 9. November – ein geschichsträchtiges Datum, aus: "Schaafheimer Kirchenzeitung", Ausgabe 29/2008

Werner u. Elisabeth Kreh (Bearb.), „Sie waren Einwohner von Schaafheim - Jüdische Mitbürger vor 70 Jahren" – Ausstellung, 2008

Wolfgang Roth (Bearb.), Mikwe in Schaafheim – Aufsatz von 2012 (online abrufbar)

Wolfgang Roth (Bearb.), Aus dem Gemeindearchiv Schaafheim: Jüdische Geschichte Schaafheim 1935 und ihr Schicksal, 2013 (Personenliste)

Wolfgang Roth (Bearb.), Aus dem Gemeindearchiv Schaafheim: Eine kleine Geschichte der Schaafheimer Synagoge aus Anlass des 75jährigen Gedenkens der Pogromnacht mit Schaafheimer Begebenheiten, 2013 (online abrufbar)

N.N. (Red.), Schaafheim – Eine Säule des Eingedenkens, in: „Echo“ vom 12.11.2013