Senitz/Senica (Slowakei)
Senitz (jidd. Semnitz, ung. Szenice, bis 1907 Szenic, vorher auch Szénásfalu) ist das westslowakische Senica mit derzeit ca. 20.000 Einwohnern – etwa 65 Kilometer nördlich von Pressburg/Bratislava bzw. ca. 50 Kilometer südwestlich von Trentschin/Trenčín.
Jüdische Ansässigkeit in Senitz reicht nachweislich (mindestens) bis ins 17.Jahrhundert zurück. Doch bereits im hohem Mittelalter und in der frühen Neuzeit sollen sich Juden in der Region aufgehalten und unter dem Schutz der Adelsfamlie Palffy gestanden haben.
Die hiesige Gemeinde - die meisten Angehörigen waren aus Mähren zugewandert - gehörte zu einer der größten, die es im 18.Jahrhundert auf dem Boden der Slowakei gegeben hat.
Anschuldigungen, christliche Reliquien gestohlen bzw. entweiht zu haben, führten um 1740 zu einem Prozess gegen führende Angehörige der hiesigen Judenschaft; sie wurden schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt; ihr Vermögen wurde eingezogen.
In den 1860er Jahren weihte die mehr als 1000-köpfige Gemeinde einen Synagogenneubau ein; er löste ein älteres aus dem Jahre 1777 stammendes Gebäude ab.
Synagoge (hist. Postkarte, aus: judaica.cz)
Bereits zwei Jahrzehnte zuvor war eine eigene Elementarschule eröffnet worden; auch eine Religionsschule bestand vor Ort.
Zwei jüdische Friedhöfe standen im Laufe der Histrorie verstorbenen Gemeindeangehörigen zur Verfügung; als um 1810 das neue Begräbnisgelände angelegt wurde, gab man den älteren Friedhof auf.
Juden in Senitz/Senica:
--- 1727 .......................... 104 Juden,
--- 1787 .......................... 550 “ ,
--- 1869 .......................... 1.128 “ (ca. 45% d. Bevölk.),
--- 1940 ...................... ca. 300 “ ,
--- 1944 (Mai) .................... 64 “ .
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 1161
Während der Oster-Unruhen des Jahres 1848 zerstörte der Mob jüdisches Eigentum.
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts verstärkte sich die Aus- und Abwanderung vor allem jüngerer Juden in die größeren Städte; der zionistische Einfluss trug dazu bei.
Noch in den 1920er Jahren bestimmten jüdische Familien maßgeblich das Wirtschaftsleben in Senitz/Senica: neben mehr als 60 Geschäften und 20 Handwerkerbetrieben hatten auch sieben Industriebetriebe jüdische Besitzer.
Unmittelbar nach der Staatsgründung der Slowakei wurden die antijüdische Gesetzgebung in Gang gesetzt, die - ähnlich wie in Deutschland - das Leben der jüdischen Familien Schritt für Schritt einengte bis hin zu ihrer Deportation in die Vernichtungslager. Diese Deportationen begannen im Frühjahr 1942 nach Majdanek, Auschwitz und in die Ghettos in Ostpolen.
Als deutsche Truppen die Stadt besetzten (Sept. 1944), war es den wenigen noch hier lebenden jüdischen Einwohnern (ca. 65 Pers.) zuvor gelungen zu flüchten.
Birkenhain, das slowakische Brezová pod Bradlom (ung. Berezo) – heute eine Kleinstadt mit ca. 5.000 Einwohnern - besaß seit 1719 Stadtrechte. Als ein Ort deutscher Ostsiedlung fand er bereits Mitte des 13.Jahrhunderts als „Birkenhain“ Erwähnung. Mährische Flüchtlinge, die im späten 17.Jahrhundert hierher verschlagen worden waren, gründeten hier alsbald eine Gemeinde, die streng orthodox ausgerichtet war. Die Gemeinde brachte einige bedeutende rabbinische Gelehrte hervor. Unter den Rabbinern ragten Abraham Bezalel Rosenbaum (1854-1863), Uri Muller und Mordecai Winkler (1880-1899) heraus.
Ihre erste Synagoge errichtete die Judenschaft gegen Ende des 18.Jahrhunderts; zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte auch ein eigener Friedhof mit einer Chewra Kadischa (Beerdigungsbruderschaft).
In späterer (?) Zeit gab es am Ort eine jüdische Religions- und Elementarschule, die bis in die Zeit es Ersten Weltkrieges existierte.
Juden in Birkenhain :
--- 1837 ...................... ca. 140 Juden,
--- 1869 ......................... 334 “ ,
--- 1930 ..................... ca. 100 “ ,
--- 1940 ......................... 92 “ .
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 197
Während der 1848er-Unruhen zerstörten hiesige Einwohner zahlreiche jüdische Wohnungen und Geschäfte.
Hatte die jüdische Gemeinde in den 1860er Jahren noch mehr als 300 Angehörige aufzuweisen, so setzte in den Folgejahrzehnten eine stete Abwanderung ein, die die Gemeinde deutlich verkleinerte.
Nach dem Verlust ihrer Erwerbsgrundlage infolge „Arisierung“ und dem Einsatz zur Zwangsarbeit (1940) begann im Frühjahr 1942 die Deportation der jüdischen Einwohner von Brezová; bis Herbst 1944 wurden mehr als 90 Juden aus der Kleinstadt deportiert und fanden einen gewaltsamen Tod in den Vernichtungslagern, zumeist in Auschwitz-Birkenau.
(vgl. Birkenhain/Brezová pod Bradlom)
Mit kurzzeitigen Unterbrechungen bestand in Skalitz (slow. Skalica, ung. Szakolca) – es liegt im äußersten Nordwesten des Landes unmittelbar an der Staatsgrenze zu Tschechien etwa 25 Kilometer nordwestlich von Senitz/Senica mit derzeit ca. 15.000 Einwohnern - vom späten Mittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg eine jüdische Gemeinde; damit zählt sie zu den ältesten auf slowakischem Boden; es waren vor allem Familien aus dem nahen Mähren, die sich im Laufe des 18.Jahrhunderts hier niedergelassen hatten.
Der heute noch vorhandene jüdische Friedhof wurde um 1750 angelegt; ein älteres Areal aus dem ausgehenden 16.Jahrhundert befand sich vor den Stadtbefestigungen. Die unmittelbar an die Stadtmauer angrenzende Synagoge – in Sichtweite des davor liegenden Friedhofs - stammte aus den 1760er Jahren.
Skizze der Synagoge von Skalitz, aus: kehilalinks.jewishgen.org
Als sich die Gemeinde Ende der 1860er Jahre spaltete, ließ die Reform-Gemeinde im Jahre 1876 eine neue Synagoge bauen.
Juden in Skalitz/Skalica:
--- 1848 ...................... ca. 230 Juden,
--- um 1880 ................... ca. 300 “ ,
--- 1910 ......................... 163 “ ,
--- 1921 ......................... 135 “ ,
--- 1930 ......................... 104 ” ,
--- 1940 ......................... 86 “ ,
--- 1948 ......................... keine.
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), S. 1191
und Jewish population of Skalica, aus: kehilalinks.jewishgen.org/skalica/skalica_index.
Unruhen des Jahres 1848 waren für Zerstörung jüdischen Eigentums verantwortlich
Seit dem ausgehenden 19.Jahrhundert wanderten zahlreiche Familien ab (vor allem jüngere Menschen), die in den größeren Städten bessere berufliche Perspektiven sahen.
Mit der Gründung des slowakischen Staates setzte auch in Skalitz/Skalica - es lag 1940 in der von Deutschland beanspruchten „Schutzzone“ - die antijüdische Gesetzgebung ein, die zunächst zur Aufgabe der von Juden geführten Geschäfte führte.
Im März/April 1942 begannen die Deportationen der jüdischen Bevölkerung Skalicas und des nahen Umlandes: Ziel war das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Das in die Stadtmauer eingebundene ehemalige alte Synagogengebäude ist baulich noch vorhanden.
Alte Synagoge (Aufn. aus: bruckissammelsurium.blogspot.de)
Auf dem mehrere Jahrhunderte alten jüdischen Friedhof haben sich bis heute diverse alte Grabsteine erhalten; daneben gibt es auch eine Begräbnisstätte jüngeren Alters.
Alte Gräber (beide Aufn. aus: waymarking.com)
siehe: Skalitz/Skalicia
Weitere Informationen:
Vera Seplak (Red.), Eine kurze Geschichte von Brezová pod Bradlom, in: “Slowakei”, Band 9, No. 4/1995
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 1, S. 197 (Birkenhain/ Brezová pod Bradlom) und Vol. 2, S. 1161/1162 (Senitz/Senica) und Vol. 3, S. 1190/1191 (Skalica/Skalitz)
The Jewish Community of Senica, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/senica
The Synagogue of Skalica, in: kehilalinks.jewishgen.org/skalica/Skalica_html/Synagogue.html
Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005, S. 136 (Scalica/Skalitz) und S. 185 (Senica/Senitz)