Untergrombach (Baden-Württemberg)
Untergrombach ist heute der größte Stadtteil von Bruchsal - etwa 20 Kilometer nördlich von Karlsruhe bzw. 35 Kilometer südlich von Heidelberg gelegen (Ausschnitt aus topografischer Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Stadtteile von Bruchsal', M. Reithäusler 2011, aus: wikipedia.org, CC BY 2.0).
Die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Untergrombach liegen in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts; bis in die napoleonische Zeit lebten in dem zum Hochstift Speyer zugehörigen Dorf zehn bis zwölf Familien mosaischen Glaubens, deren Haushaltsvorstände zumeist als ‚Handelsmänner’ tätig waren, später dann vor allem Viehhandel betrieben.
Anm.: Zwischenzeitlich hatten fast alle jüdischen Familien Untergrombach verlassen, nachdem der Landesherr, Bischof August Karl Philip von Speyer, Restriktionen erlassen hatte, die das Leben der Juden hier stark einschränkten. Zu Beginn des 19.Jahrhundert kehrten jüdische Familien ins Dorf zurück.
Während der Unruhen des Jahres 1848 blieb Untergrombach von antijüdischen Gewalttätigkeiten verschont. Diese Tatsache nahm die jüdische Gemeinde zum Anlass, um sich dafür besonders beim hiesigen Bürgermeister und der Bürgerschaft zu bedanken.
aus: "Karlsruher Zeitung" vom 12.März 1848
Um 1860 erreichte die Kultusgemeinde Untergrombach ihren zahlenmäßigen Höchststand.
Eine neue Synagoge wurde im ersten Drittel des 19.Jahrhunderts gebaut, die einen älteren Betraum ablöste. Neben der Synagoge lag das jüdische Schulgebäude, das um 1875 aufgegeben wurde.
(Quelle: Dietmar Konanz, Heimatverein Untergrombach, erstellt 2008)
Anzeigen aus: "Großherzoglich Badisches Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 19.Febr. 1845 und „Der Israelit" vom 9.Nov. 1880
Eine eigene Begräbnisstätte war in den frühesten Anfängen jüdischer Ansässigkeit um 1635 auf dem Eichelberg - in der Gemarkung Obergrombach/Bruchsal - angelegt worden. Dieses Gelände diente fortan zahlreichen israelitischen Gemeinden aus der Umgebung als Begräbnisstätte, und zwar so lange, bis an einigen dieser Orte eigene Friedhöfe angelegt wurden. Den Obergrombacher Verbandsfriedhof nutzten u.a. Juden aus Bretten, Bruchsal, Diedelsheim, Durlach, Graben, Grötzingen, Heidelsheim, Jöhlingen, Mingolsheim, Östringen, Pforzheim u.a. Orten. Träger des Friedhofs war eine Genossenschaft, deren Mitglieder Anspruch auf eine Grabstätte für sich und die engeren Familienangehörigen hatten. Der Obergrombacher Friedhof diente zuletzt nur noch den Juden in Ober- und Untergrombach als Begräbnisstätte.
Der Obergrombacher Friedhof wurde in der NS-Zeit großenteils „abgeräumt“; 1.800 der über 2.300 Grabsteine wurden abtransportiert bzw. zerstört und teilweise zum Wegebau benutzt. Anfang der 1990er Jahre konnten ca. 700 Grabsteine geborgen und auf das Friedhofsgelände zurückgebracht werden (Aufn. siehe unter: Bruchsal).
Auf dem Friedhof liegt u.a. Josef Hirsch Carlebach begraben, der Stammvater der Carlebach-Dynastie, die 16 Rabbiner hervorbrachte.
Nach 1827 gehörte Untergrombach zum Rabbinatsbezirk Bruchsal.
Juden in Untergrombach:
--- um 1690 ....................... 8 jüdische Familien,
--- 1720 .......................... 13 “ “ ,
--- 1745 .......................... 11 “ “ ,
--- 1785 .......................... 10 “ “ ,
--- 1825 .......................... 78 Juden,
--- 1839 .......................... 109 “ ,
--- 1852 .......................... 113 “ ,
--- um 1865 ................... ca. 130 “ ,
--- 1875 .......................... 124 “ ,
--- 1900 .......................... 106 “ (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1910 .......................... 67 “ ,
--- 1925 .......................... 56 “ ,
--- 1933 .......................... 32 “ ,
--- 1934 .......................... 21 “ ,
--- 1940 (Sept.) .................. 7 “ ,
(Nov.) ................... ein “ ().
Angaben aus: Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, S. 346/347
Ansicht von Untergrombach – Synagogengebäude ganz links im Bild (hist. Aufn., um 1915)
In den letzten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts setzte eine Abwanderung jüdischer Familien ein, die die Gemeinde deutlich verkleinerte.
Einer der größten Betriebe Untergrombachs war die Tabakgroßhandlung 'M. Meerapfel & Söhne', die sich zu einer der wichtigsten Importfirmen für Sumatra- und Java-Tabake entwickelt hatte.
Anm.: Die Meerapfel & Söhne AG - heute nach wie vor ein Familienunternehmen - hat ihren Sitz im belgischen Brüssel. Geführt wird die Aktiengesellschaft von den Brüdern Jeremiah und Joshua Meerapfel in mittlerweile fünfter Generation. Noch heute zeugen einige Gebäude im Ort an den einst Untergrombach prägenden Tabakanbau und dessen -verarbeitung – so z.B. das 'Tabak-Lager Rapp & Sohn'.
Zu Beginn der NS-Zeit lebten in Untergrombach nur noch etwa 30 jüdische Bewohner, die bald mit massiven Anfeindungen konfrontiert waren.
Die Brandlegung des Synagogengebäudes im November 1938 wurde durch einen Anwohner verhindert, der sein unmittelbar angrenzendes Anwesen in Gefahr sah; so zerstörten Angehörige der Karlsruher Gestapo „nur“ die gesamte Inneneinrichtung der Synagoge; danach wurden die Trümmer auf einen Haufen geworfen, mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt. Sechs jüdische Bewohner Untergrombachs gehörten zu den im Oktober 1940 nach Gurs Deportierten; ihre Schicksale sind zumeist ungeklärt
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind insgesamt 29 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe. alemannia-judaica.de/untergrombach_synagoge.htm).
Bei einem nach 1945 durchgeführten Verfahren vor dem Landgericht, bei dem es um die Demolierung der Synagoge ging, wurden zwei Beteiligte verurteilt.
Nach der Teilzerstörung des Synagogengebäudes infolge Kriegseinwirkung Anfang Febr. 1945 wurde es später - bis auf einige Reste der Umfassungsmauern - abgebrochen; das Grundstück befindet sich in Privatbesitz.
Ein Findling, auf dem eine Gedenktafel angebracht ist (Aufn. J. Krüger, 2004), erinnert heute im Ortszentrum mit folgenden Worten:
Was den Juden geschah, geht uns alle an.
Zum Gedenken an die am 22.10.1940 aus Untergrombach nach Gurs/Pyrenäen deportierten Mitbürger.
Sie wurden im August 1942 in das KZ Auschwitz gebracht. Dort starben sie eine gewaltsamen Todes
(es folgen die Namen und Lebensdaten von sieben Personen)
Erinnern - nicht vergessen !
Die Synagogenstraße, die in der NS-Zeit in „Sonnwendstraße“ umbenannt wurde, erhielt 1990 wieder ihre alte Bezeichnung zurück.
In der Ortsmitte Untergrombachs ist ein von Jugendlichen der evang. und kath. Kirchengemeinden gestalteter Memorialstein aufgestellt worden; dieser Stein greift die Form eines Rundbogenfensters auf, das von der Untergrombacher Synagoge stammt. Eine Doublette dieses Gedenksteins befindet sich seit 2011 beim zentralen Mahnmal für die deportierten badischen Juden in Neckarzimmern (Abb. aus: mahnmal-neckarzimmern.de).
In Obergrombach - heute ebenfalls ein Stadtteil von Bruchsal - bestand bis Ende der 1880er Jahre eine sehr kleine jüdische Gemeinde, deren Anfänge bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückreichen. Ihren zahlenmäßigen Zenit erreichte die Gemeinde um 1840 mit knapp 60 Angehörigen. Als Synagoge nutzten die Obergrombacher Juden seit etwa 1845 die mittelalterliche Burgkapelle, zuvor hatte ein Wohnhaus in der Burggasse diesem Zwecke gedient.
Dokument betr. Auflösung der Gemeinde
Nach Auflösung der Gemeinde 1888 kam das Synagogengebäude in den Besitz der Familie von Bohlen und Hallbach, die das Haus der evangelischen Kirche für Gottesdienste zur Verfügung stellte; ein Teil der Inneneinrichtung – Gestühle, Leuchter u.a. – ist bis heute erhalten.
Das bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts als Synagoge genutzte Gebäude, das danach noch als rituelles Bad genutzt wurde und später eine koschere Metzgerei beherbergte, dient heute Wohnzwecken. Die beiden Eingangstüren sind erhalten geblieben.
Ehem. Synagogengebäude am Stadttor in Obergrombach und dessen Eingangstüren (Aufn. 2008, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Bereits seit den 1630er Jahren gab es am Eichelberg ein jüdisches Begräbnisgelände, das auch Gemeinden aus der Umgebung zur Verfügung stand (siehe oben).
Grabstein-Ensemble (Aufn. J. Hahn, 2003)
In den 1930er Jahren lebten noch drei Bewohner mosaischen Glaubens im Dorf.
Stelenfeld mit geborgenen Grabsteinen (Aufn. Frank C. Müller, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Im Bruchsaler Stadtteil Heidelsheim gab es eine relativ große israelitische Gemeinde, die ihren zahlenmäßigen Höchststand um 1840 mit nahezu 200 Angehörigen erreichte.
[vgl. Heidelsheim (Baden-Württemberg)]
Weitere Informationen:
Hans Rott, Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Bruchsal, in: "Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden IX", 2/1913, S. 268 f.
F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Band 19, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 277 - 280
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 287
Josef Lindenfelser, Juden in Untergrombach, Hrg. Heimatverein Untergrombach, o.J.
Josef Lindenfelser, Untergrombach. Ein Dorf im Wandel, hrg. vom Heimatverein Untergrombach, Verlag Regionalkultur ,1996
Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Hrg. Landsratsamt Karlsruhe, Karlsruhe 1997, S. 98 und S. 343 ff.
Josef Lindenfelser, Judenfriedhof Obergrombach, in: "Beiträge zur Heimatgeschichte", No.1/1998, hrg. vom Heimatverein Untergrombach
Untergrombach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Obergrombach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Jürgen Stude, Geschichte der Juden in Bruchsal, in: "Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal", Band 23, Verlag Regionalkultur, 2007, S. 37 – 46
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hrg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem, Stuttgart 2007
N.N. (Red,.), Berühmte Tabakdynastie. Untergrombach lässt sie nicht los: Jeanine Meerapfel steht an der Spitze der Berliner Akademie der Künste, in: „Badische Neueste Nachrichten“ vom 29.4.2020
Thomas Liebscher (Red.), Jüdischer Friedhof in Bruchsal ist nur einmal im Jahr zugänglich, in: „Badische Neueste Nachrichten“ vom 3.9.2021