Walsdorf (Oberfranken/Bayern)

Datei:Walsdorf in BA.svg  Walsdorf Karte.pngWalsdorf mit seinen derzeit ca. 2.600 Einwohnern ist heute Teil der Verwaltungsgemeinschaft Stegaurach im Kreis Bamberg - etwas zehn Kilometer westlich der kreisfreien Stadt Bamberg gelegen (Kartenskizzen 'Landkreis Bamberg', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und I. Giel 2005, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts gehörte jeder 6. Dorfbewohner dem mosaischen Glauben an.

Das nahe Bamberg gelegene Dorf Walsdorf a. d. Aurach - es unterstand seit dem 15.Jahrhundert den Herren von Crailsheim - beherbergte zu Beginn des 17.Jahrhunderts einzelne jüdische Familien, die aber nur kurzzeitig eine kleine Gemeinde bildeten; denn während des Dreißigjährigen Krieges sollen die Juden Walsdorf verlassen haben bzw. in den Kriegswirren ums Leben gekommen sein. Erst Ende des 17.Jahrhunderts sind erneut einzelne Juden in Walsdorf urkundlich nachweisbar.

Eine geordnete Ansiedlung jüdischer Familien erfolgte dann in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts durch die Ortsherrschaft, die Herren von Crailsheim; sie lebten in Häusern am Schafberg, später auch „Judengasse“ genannt. Die Juden am Schafberg bildeten alsbald eine relativ große Gemeinde, die Anfang des 19.Jahrhunderts immerhin etwa 120 Angehörige zählte.

Zu den Gemeindeeinrichtungen zählte die 1731 auf herrschaftlichem Grundbesitz erbaute Synagoge, ein um 1765 erstelltes Gemeindehaus, eine 1802 eingerichtete Mikwe und ein bereits in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts angelegter Friedhof. Das Synagogengebäude ging 1862 in den Besitz der Kultusgemeinde über; nach Umbaumaßnahmen erfolgte alsbald eine Neueinweihung durch den Distriktsrabbiner Hartwig Werner aus Burgebrach.

In einem Artikel in der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“ vom 23. September 1862 wurde darüber berichtet:

Aus dem bayerischen Oberfranken, im August. (Privatmitth.) Unser kleines Walsdorf war letzten Schabbat Nachamu sehr belebt. Freudige Veranlassung gab die Einweihung einer neuen Synagoge. Freitag Nachmittag 4 Uhr bewegte sich der feierliche Zug von dem improvisirten Bethause aus unter Musik und dem Zudrange vieler Fremden beider Confessionen nach dem neuen freundlichen Tempel. War es ein edles Zeichen von Toleranz, daß der protestantische Orts- und ein benachbarter katholischer Geistlicher, den Districts-Rabbiner Herrn Dr. Werner beim Zuge in ihrer Mitte, dem ganzen Acte beiwohnten, so gebührt den Herren Lehrern derselben christlichen Confessionen das Lob für ihr kräftiges Mitwirken bei den verschiedenen mehrstimmigen Gesängen, wodurch die Feier so viel an Bedeutung gewann.  Herr Districts-Rabbiner Werner hielt vor überfülltem Hause eine dem Zwecke angemessene Rede und ein sehr tief ergreifendes Gebet.

                     Ehem. Synagoge (Aufn. Archiv Bayr. Amt für Denkmalpflege)

Das Gemeindehaus ging um 1865 in Privatbesitz über; das Gebäude ist heute noch erhalten und dient Wohnzwecken.

Aus finanziellen Gründen „teilte“ man sich später einen Lehrer mit der Nachbargemeinde Trabelsdorf (siehe: Anzeige aus „Der Israelit“ vom 3.1.1884):

                      

Der jüdische Friedhof ist 1632 ist erstmalig urkundlich belegt, als der katholische Ortsgeistliche von mehr als 200 Begräbnissen - in nur vier Monaten des Jahres 1632 - berichtete. Diese hohe Verstorbenenzahl, zumeist auswärtiger Juden, ist vermutlich auf Kriegsfolgen zurückzuführen.

Jüdischer Friedhof Walsdorf und Taharahaus (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Das 1742 errichtete Taharahaus bildet den Mittelpunkt des etwa 7.000 m² großen Walsdorfer Friedhof, auf dem heute noch mehr als 1.000 Grabsteine zu finden sind. Die Bestattungsstätte diente auch Verstorbenen aus Bamberg und dem westlichen Umland als letzte Ruhestätte. Auf dem Walsdorfer Friedhof wurden zahlreiche Landesrabbiner beigesetzt.

Die jüdische Gemeinde unterstand dem Distriktsrabbinat Burgebrach.

Juden in Walsdorf:

         --- 1672 ..........................   8 jüdische Familien,

    --- 1740 ..........................  12     “       “    ,

    --- um 1765 .......................  18     “       “    ,

    --- 1802 ..........................  22     “       “    ,

    --- 1814/15 .......................  25     “       “    (107 Personen),

    --- 1824/25 .......................  98 Juden,*           * andere Angabe: 115 Pers.

    --- 1840 .......................... 114   “ (ca. 18% d. Dorfbev.),

    --- 1852 ..........................  83   “ (ca. 14% d. Dorfbev.),

    --- 1875 ..........................  61   “  ,

    --- 1890 ..........................  41   “  ,

    --- 1900 ..........................  31   “ (ca. 5% d. Dorfbev.),

    --- 1910 ..........................  24   “  ,

    --- 1925 ..........................  17   “  ,

    --- 1933 ..........................  23   “  ,

    --- 1942 (April) ..................   7   “  ,

             (Aug.) ...................   keine.

Angaben aus: Klaus Guth, Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942), S. 335

 

Zwischen den christlichen und jüdischen Dorfbewohnern bestanden bis Anfang des 19.Jahrhunderts erhebliche Spannungen; erst danach entkrampfe sich das Verhältnis zwischen den beiden Konfessionsgruppen. Ende des 19.Jahrhunderts gehörten jüdische Einwohner lokalen Vereinen an und waren auch im Gemeindeausschuss aktiv tätig. Im frühen 19.Jahrhundert war die Walsdorfer Judenschaft vor allem im Handel und bäuerlichen Nebenerwerb tätig; allein 13 Haushalte lebten damals vom wenig ertragreichen Hausierhandel. Um die Mitte des 19.Jahrhunderts setzte eine Abwanderung aus der Ortschaft ein, zunächst in die umliegenden Städte, danach auch verstärkt in die USA.

1907 wurde die jüdische Restgemeinde von Walsdorf mit der Gemeinde von Trabelsdorf zwangsfusioniert.

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch etwa 20 Juden im Dorf.

Am 10.November 1938 wurde die gesamte Inneneinrichtung der Synagoge von SA-Männern aus Bamberg zerstört, auf die Straße geworfen und anschließend - mitsamt der Ritualgegenstände - öffentlich verbrannt. Nach Angaben der Pfarrchronik sollen sich Einheimische nicht am Zerstörungswerk beteiligt haben. Walsdorfer Schüler wurden tags darauf an den Schauplatz der Untat geführt. Bereits 1935 war der jüdische Friedhof von Jugendlichen geschändet worden; mehr als 70 Grabsteine waren davon betroffen. Von den 23 zu Beginn der NS-Zeit in Walsdorf lebenden jüdischen Bewohnern konnten elf noch rechtzeitig emigrieren. Sieben Walsdorfer Juden wurden Ende April 1942 - via Bamberg - nach Izbica bei Lublin deportiert; die letzte jüdische Bewohnerin, Rosa Karl verstarb auf dem Transport nach Theresienstadt im September 1942. Aus der Pfarrchronik: „Die Gemeinde endete eines Sonntags, als alle verbliebenen Juden unter Polizeiaufsicht auf einen Laster verladen und mit unbekanntem Ziel weggebracht wurden.

Von den aus Walsdorf stammenden bzw. länger am Ort wohnhaft gewesenen jüdischen Personen sind nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." nachweislich 17 während der NS-Zeit gewaltsam ums Leben gekommen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/walsdorf_synagoge.htm).

 

Das inzwischen stark reparaturbedürftige ehemalige Synagogengebäude - 1940 an einen Privatmann verkauft - ist derzeit noch erhalten und diente als Lagerraum bzw. ist heute ungenutzt.

 Walsdorf ehemalige Synagoge 32.jpgEhem. Synagogengebäude (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Kurz nach Kriegsende wurde der an der Straße nach Steindorf liegende teilweise zerstörte Friedhof wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt.

Derzeit sind Studierende der Universität Bamberg dabei, die vorhandenen Grabsteine zu archivieren und deren –inschriften zu sichern.

undefinedalte Grabsteine u. Taharahaus (Aufn. J.R. Loebe, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2083/Walsdorf%20Friedhof%20151.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2097/Walsdorf%20Friedhof%20319.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2097/Walsdorf%20Friedhof%20304.jpg

auffällige Grabsteine:  mit Lebensuhr - Ehrenkranz - nach unten gerichteten Fackeln (Lebensende), alle Aufn. J. Hahn, 2007

 

 

In Kolmsdorf - eine Ortschaft wenige Kilometer nördlich von Walsdorf - lässt sich eine winzige jüdische Gemeinschaft seit dem 18.Jahrhundert nachweisen, deren Angehörige vornehmlich Mitglieder der Großfamilie Silberstein waren. Die von dieser Familie 1826 eingerichtete Religionsschule wurde auch von Kindern aus Lisberg, Trabelsdorf und Walsdorf besucht. Spätestens um 1850 suchte man die Synagoge in Walsdorf auf.

Auf dem in einem Waldgebiet liegenden großflächigen jüdischen Friedhof in Walsdorf fanden auch Verstorbene aus Kolsdorf ihre letzte Ruhe.

Als um 1870 keine Juden mehr in Kolmsdorf lebten, wurde die kleine Schule geschlossen. 

In einem ehemals von Juden bewohnten Haus in der Ortsmitte ist noch eine Keller-Mikwe erhalten.

 

 

 

Weitere Informationen:

Heinrich Förtsch, Geschichte von Walsdorf, in: "Die Hohe Warte", 1920

H. D. Heberlein, Die Geschichte der Juden in Walsdorf, Zulassungsarbeit der Pädagogischen Hochschule Bayreuth (1968)

Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 151/152

Klaus Guth, Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942). Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt Bamberg 1988, S. 332 - 342

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 238/239

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Walsdorf, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", No. 58/1993, S. 19

Eva Groiss-Lau, Jüdisches Kulturgut auf dem Land - Synagogen, Realien und Tauchbäder in Oberfranken, Hrg. Klaus Guth, Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1995, S. 57 und S. 211/212

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 3: Markt Berolzheim - Zeckendorf, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaittach, Fürth 1998, S. 768 - 772

Johann Fleischmann, Mesusa 1 - Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach, Hrg. Arbeitskreis “Jüdische Landgemeinden an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach”, Selbstverlag J.Fleischmann, Mühlhausen 1998, S. 106 f. und S. 190 f.

Reinhold Link, Das Leben der Landjuden in Alsdorf, in: "Heimat Bamberger Land", No. 10/1998, S. 57 - 62

Walsdorf, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Bilddokumenten)

Johann Fleischmann, Mesusa 2 - Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach, Hrg. Arbeitskreis “Jüdische Landgemeinden an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach”, Selbstverlag, Mühlhausen 2000

Johann Fleischmann, 1822 - Die Judenmatrikel von Kolmsdorf, in: "Mesusa 2 - Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach", Mühlhausen 2000, S. 55 - 58 

M.Brocke/Chr. Müller, Haus des Lebens - Jüdische Friedhöfe in Deutschland, Reclam Verlag, Leipzig 2001, S. 136/137

Johann Fleischmann, "Mesusa 3 - Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach. Die jüdischen Friedhöfe von Zeckern, Walsdorf, Aschbach, Uehlfeld, Mühlhausen, Lisberg, Burghaslach und Reichmannsdorf", Selbstverlag, Mühlhausen 2002, S. 103 – 158 (Anm. Friedhof in Walsdorf)

Herbert Liedel/Helmut Dollhopf, Jerusalem lag in Franken. Synagogen und jüdische Friedhöfe, Echter-Verlag GmbH, Würzburg 2006, S. 156 – 161

Hans-Christof Haas (Bearb.), Walsdorf, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2007, S. 214 – 220

Kommune Walsdorf (Hrg.), Die Geschichte der Juden in Walsdorf – Überblick anhand der historischen Quellen in Walsdorf (Aufsatz), online abrufbar unter: walsdorf.de

Michael Schneeberger, „Die Hüllen schlummern in Gräbern süß“. Geschichte der Juden von Walsdorf bei Bamberg, in: "Jüdisches Leben in Bayern - Mitteilungsblatt des Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 25. Jg. Nr. 113/Sept. 2010, S. 31 - 38