Wischau (Mähren)

File:Okres brno-mesto.png - Wikimedia CommonsDas südmährische Wischau - ab dem 13.Jahrhundert Zentrum einer deutschen Sprachinsel, etwa 30 Kilometer östlich von Brünn/Brno gelegen – ist das tschechische Vyškov mit derzeit ca. 21.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte aus: wikipedia.org/wiki/Mährisch-Schlesische_Nordbahn, PD-alt-100 und Kartenskizze ‚Tschechien‘ mit Okres Brno farbig markiert, I. 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Wischau waren bereits im Spätmittelalter nur wenige Juden (vermutlich nur eine einzige Familie) ansässig - aber nicht dauerhaft. Ob sich jüdische Bewohner während des Dreißigjährigen Krieges hier zeitweilig aufhielten, kann nicht eindeutig nachgewiesen werden.

Brněnská brána.jpgWischau (Pernak, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Eine neuzeitliche israelitische Gemeinde gründete sich in Wischau vermutlich um 1860; ihre Autonomie erlangte sie aber erst im Jahre 1891. Die Kultusgemeinde zählte 1890 etwa 260 Angehörige.

Ende des 19.Jahrhunderts wurde ein eigener Friedhof angelegt. 1885 wurde eine Synagoge im neoromanischen Stile eingeweiht; dieses Gebäude wurde bis 1929 gottesdienstlich genutzt, danach versammelte sich die deutlich kleiner gewordene Gemeinschaft in privaten Räumlichkeiten.

             Synagoge in Wischau (hist. Aufn. um 1900)

Juden in Wischau:

--- um 1450 ..........................    2 jüdische Familien,

--- 1848 .............................   10 Juden,

--- 1869 .............................   89   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

--- 1880 .............................  252   “  ,

--- 1890 ..............................  263   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

--- 1900 .............................  169   “  ,

--- 1921 .............................   30   “  ,

--- 1930 ..............................   44   “  .

Angaben aus: Jiri Fiedler, Jewish Sights of Bohemia and Moravia, S. 203

 

Mehrere jüdische Unternehmer waren im 19.Jahrhundert an der wirtschaftlichen Entwicklung Wischaus maßgeblich beteiligt; so gab es hier z.B. eine Schuh- und eine Zuckerfabrik in jüdischem Besitz.

Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch wenige jüdische Familien in der Stadt. Diese wurden Ende 1941 nach Theresienstadt und von dort in die Vernichtungslager deportiert.

 

Reste des jüdischen Friedhofs haben sich bis heute erhalten, werden aber zunehmend von der Vegetation überwuchert.

Jewish 5.jpg Jewish 7.jpg 

 Grabstätten in Wischau/Vyškov (Aufn. Pernak, 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Das inzwischen restaurierte Synagogengebäude ist seit den 1950er Jahren im Besitz der Hussitischen Kirche; in den Jahren zuvor (von 1931 bis 1954) hatte es als Stadtmuseum gedient. Im Jahre 2019 wurde das Synagogengebäude zum Nationalen Kulturdenkmal erklärt.

  Saniertes ehem. Synagogengebäude (Aufn. Pernak, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY 2.5)

 

 

 

In der Ortschaft Eiwanowitz in der Hanna (tsch. Ivanovice na Hané, derzeit ca. 3.000 Einw.) – ca. acht Kilometer östlich von Wischau gelegen – gab es eine jüdische Gemeinde, deren Anfänge vermutlich im 17.Jahrhundert zu suchen sind. Der erste urkundliche Hinweis auf jüdische Anwesenheit im Ort datiert aber bereits um 1575. Die jüdischen Familien lebten ghettoartig in einem ihnen zugewiesenen Viertel. 1727 ist nachweislich eine Synagoge vorhanden, die in der NS-Zeit geplündert wurde. Der äußerlich unversehrte Bau wurde nach 1945 zunächst zu Gewerbezwecken, anschließend als Gemeindehaus der Hussitischen Kirche genutzt.

Ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen in den 1850er Jahren mit fast 500 Personen; der jüdische Bevölkerungsanteil betrug damals etwa 23%. Wenige Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges zählte die Gemeinde nur noch 80 Angehörige; die meisten sprachen Deutsch.

Gemeinsam mit Juden aus Brünn/Brno wurden die hiesigen jüdischen Familien Ende 1941 nach Theresienstadt verschleppt, und von dort in die Vernichtungslager auf polnischen Boden. Nachweislich wurden 44 jüdische Bewohner der Kleinstadt Opfer der „Endlösung“.

                           Restauriertes ehem. Synagogengebäude (Aufn. Michal Kocí, 2012)

Aus den Anfängen der Gemeinde stammt der am Ortsrand liegende jüdische Friedhof, der heute sich als „Trümmerfeld“ darstellt. Nur wenige alte Grabsteine sind unbeschädigt erhalten.

Gräberfeld (Aufn. Pernak, 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) Jewish cemetery in Ivanovice na Hané 2.JPG 

 

 

In Neu-Raussnitz (tsch. Rousinov, derzeit ca. 5.600 Einw.) - ca. 20 Kilometer von Brünn entfernt und heute zum Bezirk Vyškov (Wischau) gehörig - existierte eine jüdische Gemeinde, die gegen Mitte des 19.Jahrhunderts mit mehr als 1.000 Angehörigen zu einer der größten in der Region zählte. 

vgl.  Neu-Raussnitz (Mähren)

 

 

 

Weitere Informationen:

Jan Herman, Jewish Cemeteries of Bohemia and Moravia, o.O. 1980

Jiri Fiedler, Jewish Sights of Bohemia and Moravia, Prag 1991, S. 203

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 1418

Jaroslav Klenowsky, Die jüdische Gemeinde in Vyškov und ihr Friedhof, 2009 (in tschechischer Sprache)

Jewish Families from Vyskov (Wischau), Moravia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Vyskov-Wischau-Moravia-Czech-Republic/13176

The Jewish Community of Ivanovice na Hane (Eiwanowitz), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/ivanovice-na-hane

Jewish Families from Ivanovice na Hane (Eiwanowitz), Moravia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Ivanovice-na-Hane-Eiwanowitz-Moravia-Czech-Republic/13131

Lothar Martin (Red.), Synagoge in Vyškov zum Nationalen Kulturdenkmal erklärt, in: radio.cz vom 14.8.2019