Zwingenberg/Neckar (Baden-Württemberg)
Zwingenberg ist heute eine zum Neckar-Odenwald-Kreis zählende kleine Kommune mit kaum 800 Einwohnern, die ca. 40 Kilometer östlich von Heidelberg liegt (Kartenskizze 'Neckar-Odenwald-Kreis', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Erstmals werden um 1760 jüdische Einwohner im damals kurpfälzischen Dörfchen Zwingenberg urkundlich erwähnt. Anfang des 19.Jahrhunderts bildete sich eine Gemeinde, die zu keiner Zeit mehr als 50 Angehörige umfasste. Diese bestritten ihren bescheidenen Lebensunterhalt im Klein- und Viehhandel.
Gottesdienstliche Treffen fanden ab etwa 1800 in einem Privathause statt; etwa drei Jahrzehnte später erwarb die kleine Gemeinde das bisher als evangelische Schule genutzte Gebäude in der Alten Dorfstraße und richtete in einem Gebäudeteil ihren Synagogenraum ein; dabei verschuldete sich die Gemeinde erheblich; nur mit Mühe konnte sie in der Folgezeit ihre Schulden tilgen.
aus dem Kaufvertrag von 1827 (Stadtarchiv Zwingenberg)
Gebäude, in dem sich der Betraum befand (Aufn. Gemeinde Zwingenberg)
Zeitweilig verfügte die winzige jüdische Gemeinde über einen Religionslehrer/Kantor.
aus: "Großherzoglich Badisches Anzeigen-Blatt für den See-Kreis" vom Febr. 1836
Um 1880 war die kleine Gemeinde nicht mehr in der Lage, die zur Abhaltung des Gottesdienstes notwendige Zahl von zehn Männern aus eigenen Reihen zusammenzubringen, sodass auf auswärtige Juden zurückgegriffen werden musste. Doch schon wenig später musste die Abhaltung von Gottesdienste ganz eingestellt werden.
Ihre Verstorbenen begrub die Judenschaft Zwingenbergs auf dem israelitischen Friedhof im hessischen Hirschhorn am Neckar.
Die kleine Gemeinde unterstand ab 1827 dem Bezirksrabbinat Mosbach.
Juden in Zwingenberg/Neckar:
--- 1827 .......................... 27 Juden,
--- 1839 .......................... 46 “ ,
--- 1900 .......................... 16 “ ,
--- 1933 .......................... 4 “ ,
--- 1938 .......................... keine.
Angaben aus: Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden, S. 302
Anzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom April 1928
Ab der Jahrhundertmitte war die Zahl der Gemeindemitglieder rückläufig; um 1900 hielten sich nur noch sehr wenige jüdische Familien in Zwingenberg auf; diese verdienten ihren Lebensunterhalt im Vieh- und Kleinwarenhandel. Ende 1937 wurde die Zwingenberger israelitische Gemeinde aufgelöst.
Das Synagogengebäude wurde Ende 1938 an Privatleute veräußert; auf Grund seines maroden Zustandes wurde es Ende der 1940er Jahre abgebrochen.
Die letzten beiden im Dorf wohnenden Jüdinnen wurden im Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert. Mindestens drei gebürtige Jüdinnen Zwingenbergs wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem Opfer der NS-Herrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/zwingenberg_synagoge.htm).
Auf der zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern – geschaffen im Rahmen eines ökumenischen Jugendprojektes in Erinnerung an die Deportation der badischen Juden nach Gurs/Südfrankreich – befindet sich auch ein Mahnmal, das Jugendliche einer evang. Kirchengruppe aus Zwingenberg beigesteuert haben. Die Doublette der Skulptur findet man vor Ort am Standort der ersten Zwingenberger Synagoge.
Mahnmal aus Zwingenberg (Aufn. aus: mahnmal-neckarzimmern.de)
Hinweis: Zwingenberg im Neckar-Odenwald-Kreis ist nicht identisch mit dem hessischen Zwingenberg a. d. Bergstraße.
Weitere Informationen:
Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 302
Zacharias Seligmann, Erlebnisse und Erinnerungern ... aus dem Jahre 1924, in: Ebersbacher Geschichtsblatt 1989, S. 83 ff.
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 522 - 524
Zwingenberg (Neckar-Odenwald-Kreis), in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Zwingenberg – Das Mahnmal in Neckarzimmern für die deportierten Jüdinnen und Juden Badens und Gedenkprojekt, in: mahnmal-nekarzimmern de.