Werneck (Unterfranken/Bayern)

Reichsstadt Schweinfurt umgeben vom Hochstift Würzburg, 18. Jh. Datei:Werneck in SW.svg  Werneck ist ein Markt mit derzeit knapp 11.000 Einwohnern und größte Kommune im unterfränkischen Landkreis Schweinfurt (Ausschnitt aus hist. Karte aus dem 18.Jahrh., Lubiesque 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  Kartenskizze 'Landkreis Schweinfurt', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Werneck gab es bis um 1900/1905 eine kleine jüdische Kultusgemeinde, die im Laufe des 19.Jahrhunderts kaum mehr als 40 Angehörige besessen hat. Ihre Wurzeln reichten bis ins letzte Viertel des 17.Jahrhunderts zurück, als hier drei jüdische Familien lebten.

Anm.: Auch in den heute zur Marktgemeinde Werneck gehörenden Ortschaften Ettleben, Schraudenbach, Vasbühl und Zeuzleben lassen sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts einzelne Juden nachweisen.

Die jüdischen Familien bestritten ihren Lebensunterhalt vom Handel mit Waren und Vieh. Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren für Werneck sieben Familien aufgelistet.

Die winzige Gemeinde verfügte zunächst nur über einen Betraum in einem angemieteten Haus. Nach jahrelanger erfolgter Planung und Bereitstellung finanzieller Mittel erfolgte 1870 der Bau einer neuen Synagoge; während im Parterre das Schulzimmer u. die Lehrerwohnung untergebracht waren, befand sich im Obergeschoss der Betsaal. Im Synagogenraum war die Frauenabteilung mit einer Bretterwand von der der Männer abgetrennt. In unmittelbarer Nähe zur Synagoge befand sich in einem kleinen Gebäude das rituelle Bad.

Ausschnitt Luftaufnahme von Werneck (1950er Jahre, Manfred Fuchs)

Religiöse Aufgaben der Gemeinde tätigte zeitweise ein angestellter Lehrer. Die wenigen Kinder wurden manchmal auch von einem jüdischen Privatlehrer unterrichtet.

                aus: "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 24. Februar 1845

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Schwanfeld beerdigt.

Juden in Werneck:

--- 1677 .........................  3 jüdische Familien,

--- 1699 .........................  4     "        "   ,

--- 1725 .........................  5     “        “   ,

--- 1763 .........................  4     “        “   ,

--- 1803 .........................  6     “        “   ,

--- 1817 .........................  7     “        “ (ca. 30 Pers.),

--- 1839 ......................... 49 Juden (in 10 Familien, ca. 10% d. Dorfbev.),

--- 1848 ......................... 52   "   (in 9 Familien),

--- 1861 .........................  7 jüdische Familien,

--- 1871 ......................... 42 Juden (ca. 9% d. Dorfbev.),*   * andere Angabe: 52 Pers.

--- 1905 ......................... keine.

Angaben aus: Werneck, in: alemannia-judaica.de

und                  W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1601

 

Über den „Vertrieb von Weinen aus dem Heiligen Land“ ist eine recht ungewöhnliche (und seltene) Anzeige überliefert, die von einer in Werneck lebenden Jüdin aufgegeben wurde und in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. April 1872 erschienen ist:

                  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20247/Werneck%20Israelit%2003041872.jpg
Nachdem sich die letzten Gemeindeangehörigen der Schweinfurter Gemeinde angeschlossen hatten, wurde der hiesige gemeindliche Besitz an Privatleute verkauft. Der aus Sandstein gefertigte Thoraschrein aus dem Betsaal kam in die neuerbaute Synagoge nach Geroda, die 1907 feierlich eingeweiht wurde.

Anm.: Bei der Zerstörung der Inneneinrichtung der Synagoge in Geroda wurde vermutlich auch Wernecker Thoraschrein vernichtet.

Nach der offiziellen Auflösung der israelitischen Kultusgemeinde Werneck (1904) lebten nur noch einzelne Juden im Ort; die allerletzten verstarben 1907 (Joseph Kohnstamm) bzw. 1925 (Berta Kohnstamm).

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind zwölf aus Werneck stammende Juden der "Endlösung" zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/werneck_synagoge.htm).

 

Das zu einem Wohnhaus umgebaute Synagogengebäude wurde in den 1970er Jahren abgerissen.

Ehem. Synagogengebäude kurz vor dem Abriss, 1976 (Aufn. Manfred Fuchs)

Anm.: Das kleine durch den Baum verdeckte Häuschen war die ehemalige Mikwe, die zusammen mit der einstigen Synagogengebäude abgerissen wurde. 

 

Hinweis: Im Schloss Werneck befand sich seit den 1850er Jahren eine Heil- und Pflegeanstalt, in der auch jüdische Patienten untergebracht waren. Nach Gründung des "Fürsorgevereins für israelitische Nerven- und Geisteskranke" (1915) wurden diese dann in die Anstalt nach Lohr verbracht, da hier eine rituell-religiöse Versorgung gewährleistet werden konnte.

 

 

 

Weitere Informationen:

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern – Eine Dokumentation, hrg. von der Bayrischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 135

Werneck, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Bd. 13, Würzburg 2008, S. 245

Manfred Fuchs, Chronik der Jüdischen Gemeinde von Werneck – Spuren jüdischen Lebens 1677 – 1904, Hrg. Historischer Verein Markt Werneck e.V. (Band 19 der "Landeskundlichen Schriftenreihe zur Geschichte des Oberen Werntals"), 2010

N.N. (Red.), Jüdische Familien in und um Werneck, in: „Main-Post“ vom 9.6.2010

Gerhard Gronauer/Hans-Christof Haas (Bearb.), Schweinfurt mit Obereuerheim und Werneck, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1554 - 1611