Wannbach (Oberfranken/Bayern)
Wannbach ist eine kleine Ortschaft mit kaum 300 Einwohnern in der Fränkischen Schweiz, die heute zum Markt Pretzfeld gehört – ca. 30 Kilometer südöstlich von Bamberg gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Forchheim', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde im Dörfchen Wannbach wurden 1765 in einem Vertrag gelegt, der drei jüdischen Familien gestattete, im alten Schlossgebäude des Grafen von Seinsheim (bis 1764 im Besitz der Herren von Stiebar) ansässig zu werden. Neben einem einmalig zu zahlenden Kaufpreis mussten die jüdischen Bewohner darüber hinaus jedes Jahr „Erbzins-Abgaben“ leisten. Doch bereits mehr als ein Jahrhundert vor diesem Vertragsabschluss hatten jüdische Familien als Schutzjuden in Wannbach gelebt.
Den neuen Bewohnern wurde zudem gestattet, im Hofbereich eine Synagoge zu errichten (um 1770 erbaut); im Kellergewölbe entstand eine öffentliche Mikwe.
Synagogengebäude in Wannbach (hist. Aufn., um 1915) - Titelblatt des Memorbuches (aus: Th. Harburger, Inventarisation bayr. Kulturgüter)
In den ersten drei Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts besuchten die jüdischen Kinder die christliche Elementarschule in Wannbach; 1829 gründete die jüdische Gemeinde eine eigene Schule am Ort; der Lehrer erteilte sowohl Religions- als auch Elementarunterricht und wurde durch jährliche Schulgeldzahlungen der Gemeinde entlohnt.
Anzeigen von 1868 und 1902
Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Hagenbach beerdigt.
Juden in Wannbach:
--- um 1750 ....................... 14 jüdische Familien,
--- um 1780 ....................... 9 “ “ ,
--- 1811 .......................... 11 “ “ ,
--- 1848 .......................... 17 “ “ ,
--- 1862 .......................... 12 “ “ ,
--- 1880 .......................... 61 Juden (mehr als 20% d. Dorfbevölk.),
--- um 1900 ....................... 7 jüdische Familien,
--- 1920 .......................... 2 " " ,
--- 1925 .......................... 4 Juden.
Angaben aus: Josef Seitz (Bearb.), Wannbach, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, S. 457/458 und S. 491
Ihren Lebensunterhalt bestritten die in Wannbach lebenden Juden vom Klein- und Viehhandel; einige betrieben nach 1810 auch eine kleine Landwirtschaft.
Das bis dato offensichtlich friedliche Nebeneinander der beiden Konfessionen wurde um die Mitte des 19.Jahrhunderts durch einen Streit getrübt, bei dem es um Nutzungsrechte bzw. Verpflichtungen im Dorf ging. Bereits Jahre zuvor hatte ein langer Disput zwischen dem hiesigen Pfarrer und der hiesigen Judenschaft um Stolpgebühren für Ärger gesorgt. In diesem Zusammenhang äußerte sich der Pfarrer wie folgt:
„ ... Die Juden sind eine Schmarotzerpflanze, die von den Säften der Christen lebt. Sie haben beynahe gar keine oder doch sehr leichte Arbeit, geben meistens keine Steuer und sind heutzutag in der Kleidung so luxuriös, daß man an Sabbatstagen die auf einem elenden Dorf wohnenden Juden für lauter Honoratioren ansieht. An den durch Juden ruinierten und zahlungsunfähig gemachten Christen verliert ein Pfarrer ohnehin so viel mehr an Stolgebühren, als das Neujahrsgeld ausmacht ... oder kömmt die Weigerung, ihre schuldigen Giebigkeiten zu entrichten, vielleicht von dem Verdrusse her, den sie über die christliche Schulaufsicht empfinden, weil ihnen dadurch die Gelegenheit benommen ist, auch in der Schule ihren Kindern recht feindselige Gesinnungen gegen die Christen beybringen zu lassen ? ... “
aus: Josef Seitz, Wannbach, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, S. 472
Ab- und Auswanderung vor allem jüngerer Juden führte zur Dezimierung und Überalterung der Wannbacher Judenschaft; der ständige Rückgang der jüdischen Bewohner hatte zur Folge, dass nach 1905 der für den Gottesdienst erforderliche Minjan nicht mehr zustande kam.
1910 wurden die noch verbliebenen wenigen Wannbacher Juden mit den Glaubensgenossen der Restgemeinde von Hagenbach zusammengelegt, die Wannbacher Gemeinde als solche aufgelöst. Das offizielle Ende der vereinigten „Kultusgemeinde Hagenbach-Wannbach“ kam schließlich im Jahre 1934.
aus: "Bayerische Israelitische Gemeindezeitung" vom 1.Juni 1934
Um 1920 war das Synagogengebäude bereits in Privatbesitz übergegangen, nachdem hier seit Jahren keine Gottesdienste mehr abgehalten worden waren; der neue Besitzer nutzte das Gebäude fortan als Heuschuppen.
Während der Novembertage von 1938 soll das ehemalige Synagogengebäude im Innern zerstört worden sein; wenig später wurde es abgerissen.
Die letzten fünf jüdischen Bewohner wurden nach Forchheim verbracht; von hier kehrten sie nicht wieder in ihren Heimatort zurück.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 15 aus Wannbach stammende jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/wannbach_synagoge.htm).
Heute erinnert am ehemaligen Standort der Synagoge eine kleine mit Bruchsteinen umgrenzte Grünfläche; eine dort befindliche Tafel informiert mit einem kurzen Text über die jüdische Lokalgeschichte.
[vgl. Pretzfeld und Hagenbach (Bayern)]
Weitere Informationen:
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 239
Josef Seitz, Als das Wannbacher Schloß in jüdische Hände kam, in: "Die Fränkische Schweiz", Heft 3/1995, S. 19 ff.
Eva Groiss-Lau, Jüdisches Kulturgut auf dem Land - Synagogen, Realien und Tauchbäder in Oberfranken, München/Berlin 1995, S.43
Josef Seitz (Bearb.), Wannbach, in: "Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz - Schriftenreihe des Fränkische-Schweiz Vereins", Band 11, Palm & Enke, Erlangen 1997, S. 452 - 492
Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 3: Markt Berolzheim - Zeckendorf, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 772 - 774
Wannbach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)