Wesseling b. Köln (Nordrhein-Westfalen)

Köln-Bonner Eisenbahnen – WikipediaDatei:Wesseling in BM.svg Wesseling ist eine Kommune mit derzeit ca. 38.000 Einwohnern im äußersten SO des Rhein-Erft-Kreises - unmittelbar an die Rheinmetropole Köln angrenzend (Kartenskizze 'Rhein-Erft-Kreis', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste Hinweise auf jüdisches Leben in Wesseling im Kölner Land stammen aus der Zeit des beginnenden 16.Jahrhunderts; danach wohnten vermutlich einige wenige Familien im Ort. Gesicherte Angaben über Ansiedlungen von Juden liegen aber erst seit etwa 1720/1730 vor; bis zum Ende des 18.Jahrhunderts ließen sich sieben jüdische Familien in Wesseling nieder. Bevorzugtes Wohngebiet war Nieder-Wesseling, der ursprüngliche Altstadtkern. Seit der französischen Besatzungszeit gehörten die Wesselinger Juden sowie die aus Rheindorf und Widdig der Kultusgemeinde Hersel an. 1855 konstituierte sich die Synagogengemeinde Wesseling, die alle Juden der Bürgermeistereien Hersel, Sechtem, Oedekoven und Waldorf umfasste. Später setzte sich die Wesselinger Gemeinde aus jüdischen Familien auch anderer Ortschaften zusammen.

Eine Synagoge in Wesseling wurde erstmals 1822 erwähnt; sie diente zeitweise auch als Elementarschule. Das bescheidene, völlig unauffällige Gebäude befand sich am Markt 3 und bot knapp 40 Männern Platz; überdies verfügte es über eine kleine Frauenempore.

 http://www.heimatverein-wesseling.de/wp-content/uploads/2015/07/007-Synagoge.jpg Synagoge in Wesseling (hist. Aufn., Heimatverein Wesseling)

1783 wird erstmals ein jüdischer Friedhof an der Römerstraße erwähnt; nach seiner Erweiterung (1862) wurden auch Verstorbene aus Nachbargemeinden hier bestattet.

Juden in Wesseling:

--- 1720 ............................   2 jüdische Familien,

--- um 1795 .........................   8     “        “   ,

--- 1855 ............................  84 Juden,*     *andere Angabe: 99 Pers.

--- um 1860 ..................... ca.  90   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

--- 1885 ............................  92   "  ,

--- 1923 ............................  73   “  ,

--- 1930 ............................ 120   “  ,*     *gesamte Kultusgemeinde

--- 1932/33 .........................  61   “  ,

--- 1938 ........................ ca.  40   “  ,

--- 1940 (Juli) .....................  keine.

Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Reg.bez. Köln, S. 214

 

Die Wesselinger Juden lebten vom Handwerk und Handel; einige waren als Viehhändler tätig. Gesellschaftlich waren sie überwiegend ins kleinstädtische Leben integriert.

Wie überall in Deutschland wurden auch in Wesseling am 1.April 1933 jüdische Geschäfte boykottiert; dabei wurde ein Viehhändler derart zusammengeschlagen, sodass er an den Folgen der Verletzungen verstarb.

Eine Pressekampagne im „Westdeutschen Beobachter”, einem NSDAP-Blatt, richtete sich auch gegen jüdische Gewerbetreibende aus Wesseling; öffentliche, von der NSDAP gelenkte Kundgebungen verstärkten noch den Druck. Eine Folge war, dass in den folgenden Jahren ungefähr die Hälfte der Wesselinger Juden auswanderte bzw. in eine größere deutsche Stadt verzog.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde das jüdische Bethaus durch einen SA-Trupp aufgebrochen und vollständig niedergebrannt; dabei fielen auch die Nachbarhäuser, die im jüdischen Besitz waren, dem Brand zum Opfer. Die Feuerwehr beschränkte sich nur darauf, alle bedrohten Gebäude nicht-jüdischer Besitzer zu schützen. Die baulichen Überreste des Synagogengebäudes wurden danach abgetragen; an seiner Stelle wurde während des Krieges ein Bunker errichtet.

Auch von Juden bewohnte Häuser in der Nordstraße und der Langgasse wurden demoliert. Nach den Gewalttaten des November 1938 verließen die restlichen Juden ihre Heimatstadt Wesseling; die meisten brachte man in „Judenhäuser“ nach Köln.

Im September 1940 verstarb die letzte in Wesseling noch lebende Jüdin. Die meisten Wesselinger Juden, die ab 1941 von anderswo deportiert wurden, kamen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ums Leben. Nur fünf von ihnen sollen das Kriegsende erlebt haben.

Im Stadtteil Urfeld existierte zwischen Herbst 1933 und 1938 ein Ausbildungszentrum der Hachschara, der „Kibbuz Bamaaleh”, in dem auswanderungswillige junge Juden auf das Leben in Palästina vorbereitet wurden. Die hier in landwirtschaftlichen Tätigkeiten ausgebildeten Gruppen bestanden jeweils aus 50 bis 70 jungen Leuten. Eine Gruppe Auswanderer gründete später in Palästina den Kibbuz Afek.

 

Wesseling Denkmal-09 Judenfriedhof Römerstrasse b.jpg Datei:Wesseling Denkmal-09 Judenfriedhof Römerstrasse d.jpg

Blick auf den jüdischen Friedhof von Wesseling (Aufn. Uwe Aranas, 2011, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Nach Kriegsende ließ die Kommune Wesseling auf dem jüdischen Friedhof - hier befinden sich heute noch 81 Grabsteine - einen Gedenkstein mit der Inschrift „Die Opfer mahnen die Lebenden - vergeßt uns nie” aufstellen.

40 Jahre nach der Zerstörung der Synagoge in Wesseling errichtete der Verein für Orts- und Heimatkunde einen Gedenkstein auf dem Platz vor der ehemaligen Synagoge; dieser trägt die folgende Inschrift:

Seit dem 17.Jahrhundert gab es in Wesseling eine kleine Jüdische Gemeinde. Ihre Synagoge stand seit 1850 am Markt 3. Sie wurde am 9.11.1938 in Brand gesteckt. Die Mitglieder der Gemeinde kamen fast alle in nationalsozialistischen Konzentrationslagern ums Leben.                                                         Wir gedenken unserer jüdischen Mitbürger. Wesseling, den 9.11.1978

 

Das „Judengässchen“ existiert mit seiner alten Bausubstanz noch heute.

2014 wurden in das Gehwegpflaster Wesselinger Straßen (Kölner Straße, Nordstraße und "Auf dem Rheinberg") erstmals sog. „Stolpersteine“ verlegt; weitere Steine folgten 2017.

Stolpersteine Wesseling Nordstraße 20 verlegt in der Nordstraße (Aufn. T., 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

  und 'Auf dem Rheinberg'

 

 

 

Weitere Informationen:

Josef Dietz, Wesseling. Ein Heimatbuch, Wesseling 1962

Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ...", Band 12, Verlag L.Schwann, Düsseldorf 1972, S. 211 - 214

Christoph Ehmann, Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Wesseling, in: "Blätter zur Wesselinger Heimatkunde", No. 1, Wesseling 1980

Josef Wißkirchen, Reichspogromnacht an Rhein und Erft 9./10.November 1938 - Eine Dokumentation, in: "Pulheimer Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde", Pulheim 1988

9.November 1938 in Wesseling, in: "Wesselinger Heimat- und Geschichtsblätter", No. 11/1988

L.Heid/J.H.Schoeps (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Rheinland, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1992, S. 264 f.

Christoph Ehmann, Wesseling, in: Wegweiser durch das jüdische Rheinland, Berlin 1992, S. 264 - 269

Ralf Thierbach, Der Grabstein eines Wesselinger Juden - ein unscheinbares aber aussagekräftiges Denkmal, Arbeit im Rahmen des ‘Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte’, 1992/1993

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 214 - 218

Claudia-Martina Wolff, Die Juden in Bornheim vom Beginn der Franzosenherrschaft (1794) bis in die Zeit des Nationalsozialismus (Magisterarbeit, Bonn 1996), in: "Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises", No.66/67 (1998/99), Hrg. Geschichts- und Altertumsverein für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis e.V., S. 115 f.

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 564/565

Wolfgang Drösser, Vom Leben der Juden in Wesseling – Eine Dokumentation über 600 Jahre Geschichte. Mit einem Exkurs: Ein „Haus der Ewigkeit“ – der jüdische Friedhof in Wesseling, Wesseling 2004

Ursula Reuter: Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts, Bonn 2007, S. 91

Birgit Lehmann (Red.), Gedenken: „Stolpersteine“ auch in Wesseling, in: „Kölner Stadtanzeiger“ vom 4.2.2014

Montserrat Manke (Red.), Neue Stolpersteine in Wesseling "Die eine Botschaft: Nie wieder", in: "Rheinische Anzeigenblätter" vom 5.4.2017

Auflistung der Stolpersteine in Wesseling, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Wesseling

Stadt/Rathaus Wesseling (Hrg.), Stolpersteine in Wesseling – Broschüre, Stadtarchiv/Fachbereich Presse der Stadt Wesseling 2019