Wassenberg (Nordrhein-Westfalen)
Wassenberg ist eine an der Grenze zu den Niederlanden gelegene Kommune mit derzeit ca. 19.500 Einwohnern im Kreis Heinsberg – ca. 30 Kilometer südwestlich von Mönchengladbach gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org CCO und Kartenskizze 'Kreis Heinsberg', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
In Wassenberg gab es eine der vier ältesten israelitischen Gemeinden am Niederrhein; deren erste urkundliche Erwähnung erfolgte bereits im 14.Jahrhundert. Flurbezeichnungen wie „Judenbruch“, „Judenweg“ und „Judenpfad“ deuten auf die frühe Anwesenheit von Juden hin. Der heutige Wassenberger Stadtpark - eine im 19. Jahrhundert kultivierte Waldlandschaft - trägt von alters her die Bezeichnung „Judenbruch“ und war vermutlich das spätmittelalterliche jüdische Begräbnisgelände, das den damals hier lebenden jüdischen Familien als Pachtland zur Verfügung gestellt worden war.
Die Anlage des (neuzeitlichen) jüdischen Friedhofs an der Roermonder Straße erfolgte um 1690.
Wassenberg im frühen 19.Jahrhundert - Heimatkalender des Kreises Heinsberg 1973 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Die jüdische Gemeinde Wassenbergs war immer recht klein. Im Jahre 1808 wurden 42 Juden in Wassenberg und Birgelen gezählt; auch im Verlaufe des 19.Jahrhundert waren es kaum mehr als 40 Personen; zu Beginn der 1930er Jahre setzte sich die Gemeinde aus knapp 30 Angehörigen zusammen.
Am 10.Nov. 1938 wurde die in „Storms Jätzke“ gelegene Synagoge - sie war 1867 am Fuße des Burgberges errichtet worden - in Brand gesteckt und eingeäschert, der jüdische Friedhof zerstört.
Skizze der zerstörten Synagoge (Hans Peter Funken, Heinsberg, aus: heimatverein-wassenberg.de)
1942 erfolgte die Deportation der wenigen jüdischen Familien.
Der ehemalige Standort der Synagoge – nur ca. 250 Meter vom Wassenberger jüdischen Friedhof entfernt – ist heute eine unbebaute Fläche; eine Gedenktafel an einer Mauer trägt die knappe Inschrift „Standort der ehemaligen Synagoge – zerstört am 10. November 1938“.
So könnte das Bethaus der Wassenberger Juden ausgesehen haben, wie es in einer colorierten Zeichnung der Wassenberger Malerin Maria Brosch (gest. 2016) dargestellt ist (Abb. aus: limburg-bernd.de).
Am 77.Jahrestag des Novemberpogroms wurde in Wassenberg die vom hiesigen Heimatverein initiierte kleine Gedenkstätte ihrer Bestimmung übergeben; diese befindet sich entlang einer Mauer an der Synagogengasse. Die hier entstandene Gedenkstätte soll künftig als Mahnmal gegen das Vergessen, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus dienen.
Auf dem jüdischen Friedhof, der bis 1930 belegt wurde, sind noch 17 Grabsteine vorhanden. Eine Stele auf dem Begräbnisgelände an der Roermonder Straße erinnert an das Schicksal der kleinen Gemeinde.
Jüdischer Friedhof und Gedeenkstein für Familie Reis* (Aufn. Bernd Limburg, 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
* Der nach Kanada emigrierte Walter Reis ließ im Jahre 1992 für seine im KZ Bergen-Belsen umgekommene Schwester Betty R. und seine Großeltern Jacob und Johanna Hertz einen Gedenkstein aufstellen; nach dem Tode von Walter Reis (2005) wurde dessen Name hinzugefügt.
Die Gesamtschule in Wassenberg trägt seit 1991 den Namen des jüdischen Mädchens Betty Reis (geb. 1921); es war 1942 nach Lodz verschleppt worden; der Leidensweg endete schließlich in Bergen-Belsen (gest. 1944). Auf dem Schulhof der Betty-Reis-Schule in Wassenberg wurde 1993 ein Denkmal des Künstlers Hans Brockhage aufgestellt; die aus Eichenholz gefertigte Skulpturen - sechs hohe Stelen aus Mooreiche - sollen symbolhaft für den Leidensweg der Häftlinge in den Konzentrationslagern stehen.
"Der Trauerzug" - Mahnmal des Künstlers Brockhage (Aufn. aus: heimatverein-wassenberg.de)
Anm.: Diese Holzskulptur wurde 2013 wegen „mangelnder Standfestigkeit“ vom Schulhof entfernt. Anschließend diente das Mahnmal (genannt „Der Trauerzug“) als Ausstellungsobjekt in Berlin und anderen Städten, ehe es dann wieder nach Wassenberg kam, um wieder an seinem angestammten Standort aufgestellt zu werden.
2012 wurden in Wassenberg zehn sog. „Stolpersteine“ verlegt.
am Roßplatz bzw. Roßtor und in der Brülstraße (Aufn. Gmbo, 2014, aus: wikipedia.org, CCO)
Zehn Jahre später folgten weitere fünf Steine, die in der Graf-Gerhard-Straße an das jüdische Ehepaar Max und Paula Kaufmann und ihre drei Kinder erinnern.
In Wegberg – einer Stadt mit mehr als 40 Ortsteilen, wenige Kilometer nordöstlich von Wassenberg gelegen – wird auf Beschluss des Stadtrates künftig durch die Verlegung von sechs „Stolpersteinen“ an der Venloer Straße an Angehörige der jüdischen Familie Salm erinnert. An zwei anderen Standorten sollen künftig vier weitere messingfarbene Gedenkquader in die Gehwegpflasterung eingefügt werden.
Seit 2014 wird auf dem Rathausplatz mit einer Gedenkplatte an die Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismus gedacht; die Initiative dafür ging von Schülern des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums, die an dem Geschichtsprojekt „Braunes Wegberg ?“ beteiligt waren.
Die Inschrift auf der Gedenkplatte (Abb. wikiwand.com/de/Wegberg)
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Weitere Informationen:
Wilhelm Frenken, Vom gelben Ring zum gelben Stern - Die Geschichte der Juden im Heinsberger Land, in: "Heimatkalender des Kreises Heinsberg 1980", S. 103 ff.
Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken (Hrg.), Widerstand und Verfolgung im Kreis Heinsberg, o.O. 1981
Heinz-Peter Funken, Schicksal der Juden im Kreis Heinsberg, in: "Museumsschriften des Kreises Heinsberg", No. 4/1983, S. 93 – 100
Heribert Heinrichs, Wassenberg. Geschichte eines Lebensraumes, Mönchengladbach 1987, S. 423 - 432
Heribert Heinrichs, Betty Reis (1921 – 1944). Leben und Leiden eines jüdischen Mädchens aus Wassenberg, Geilenkirchen 1993
Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 438 – 445
Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 in Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 232/233
Karl Lieck, „Walter Reis – Kindheit und Jugend“ - Broschüre (gestützt auf Tonbandprotokolle von Walter Reis)
Arbeitskreis „Jüdisches Leben“ (Hrg.), Jüdisches Leben in Wassenberg, online abrufbar unter: heimatverein-wassenberg.de
17 Grabsteine erinnern an eine lange Geschichte (jüdischer Friedhof Wassenberg), online abrufbar unter: heimatverein-wassenberg.de
Bernd Limburg, Denkmale in der Stadt Wassenberg – Der jüdische Friedhof in Wassenberg, online abrufbar unter: limburg-bernd.de
Projektgruppe am Maximilian-Kolbe-Gymnasium Wegberg (Bearb.), „Braunes Wegberg ? So etwas gab es doch nicht bei uns … Oder doch?“, Wegberg 2012
Kristina Doering (Red.), Ein Mahnmal zur Erinnerung an die Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismus, Maximilian-Kolbe-Gymnasium Wegberg, Mai 2014 (abrufbar unter: historischer-verein-wegberg.de/2014-05-17-)
Daniel Gerhards (Red.), Gedenkstätte macht ehemalige Synagoge wieder sichtbar, in: „Aachener Zeitung“ vom 10.11.2015
Eröffnung der Gedenkstätte am Synagogenplatz am 11.11.2015, in: heimatverein-wassenberg.de
Auflistung der in Wassenberg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Wassenberg
Anna Petra Thomas (Red.), Brockhage-Denkmal ist wieder in Wassenberg, in: "Aachener Zeitung“ vom 17.5.2018
ger (Red.), Stolpersteine erinnern an Familie Kaufmann, aus: „Aachener Nachrichten“ vom 28.3.2022
Stephan Vallata (Red.), Wegberg erinnert an NS-Opfer – Zehn Stolpersteine für die Mühlenstadt, in: „Rheinische Post“ vom 22.11.2022
Mühlenstadt Wegberg (Red.), Stolpersteine in Wegberg, in: wegberg.de (2022)
Lothar Herweg (Red.), Jüdisches Leben in Wegberg. Als Ausgrenzung der moralische Standard war, in: „Rheinische Post“ vom 16.12.2022